Die Würde eines Kindes in Österreich
SERVUS ALAYKUM. Einblicke in das (Er-)Leben der österreichischen Gesellschaft aus Sicht einer Wiener Muslima. Mit dunkelbuntem Humor und feurigem Temperament, aus dem Herzen Österreichs.
Kolumne: Menerva Hammad.
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
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Man kann schon behaupten, dass Österreich ein Land ist, in dem das Kindeswohl an erster Stelle steht – ganz abgesehen davon, aus welcher sozialen Schicht ein Putzerl auch kommen mag, en Autriche gibt es Unmengen an Gesetzen, die für Recht, Ordnung und vor allem die Sicherheit unserer Kleinsten sorgen.
Wussten Sie etwa, dass bestimmte Haarfärbemittel seit Herbst 2011 bei Jugendlichen unter 16 Jahren generell untersagt sind? All jene, die ein Bleichmittel enthalten. Sprich: Personen unter 16 Jahren dürfen die Haare nicht aufgehellt werden. Oder das Ohrlapperl: Es ist zwar nicht gesetzlich verboten, aber versuchen Sie doch einmal bei einem Arzt einen Termin zu bekommen, um Ihrem Baby die Ohrläppchen piercen zu lassen. In vielen Ordinationen ist dies erst ab sechs Jahren möglich und wenn überhaupt, dann auch nur, wenn es das Kind auch wirklich möchte und sich selbst dazu entschieden hat. Eltern in Österreich sein, das hat etwas! Ein Gefühl der inneren Geborgenheit breitet sich aus, wissend, dass es dem eigenen Kind hier an Schutz nicht fehlen würde, außer…Naja…außer dieses Kind genießt einen Tschuschenstatus. Dann hat´s halt a Pech g´hobt!
Sag mir deinen Nachnamen, ich zeig dir deinen Platz
Keine gefärbten Haare, kein gepierctes Ohrloch dieser Welt, haben Kinderseelen aber so zerstört oder in ein tiefes Loch der Gefühle getrieben, wie die Art und Weise wie Kinder und Jugendliche aufgrund ihres Migrationshintergrundes politisch vorgeführt werden. Nun ja, das hinterlässt sehr wohl Spuren – und die sind nicht klein. Wenn Vertreter:innen unseres Landes Klassenlisten öffentlich laut vorlesen, um darauf aufmerksam zu machen, dass so und so viele Kinder nicht österreichische Namen haben, dann läuft in unserem Land gewaltig etwas schief. Das Datenschutzgesetz und die Würde dieser Menschen wurden hier mit Füßen getreten. Wichtig ist die Frage: Wie sind wir überhaupt dort hingekommen?
Wenn Politiker:innen sich öffentlich darüber aufregen, dass viele Kinder die in Österreich aufwachsen, andere Erstsprachen als Deutsch sprechen, und dies als Entfremdung der eigenen Kultur sehen, anstatt selbst vielleicht ein oder zwei Sprachen mehr zu lernen, dann haben wir ein gewaltiges Problem. Grotesk wird es zumal dann, wenn die Kinder des besagten Ex-Politikers selbst mehrsprachig erzogen werden, wie die Mutter seiner Kinder ihn selbst in den Social Media aufklären musste. Wenn Kinder und Jugendliche in einem Umfeld aufwachsen, das sie schon aufgrund ihrer Namen und sprachlichen Fähigkeiten generalverdächtigt und von der Gesellschaft ausschließt, was können dies für Erwachsene werden? Wie sollen sie eines Tages Teil dieses Landes sein und lernen, es zu lieben? Ich frage für ein paar tausend Schulklassen in Österreich, die ohne all die Kinder mit unaussprechlichen Namen nicht nur um viele Klassen, sondern auch um ganz viel Vielfalt, Kreativität und Kultur ärmer wären. Dann hieße dieses Land wohl besser Österarm.
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