Meine Zukunft in Österreich - Sabiha: "Ein Mädchen zu sein ist schwierig, ganz egal wo man ist"
Sabiha weiß genau mit welchen Schwierigkeiten Schülerinnen, die nach Österreich kommen, konfrontiert sind. Vor vier Jahren floh die heute 20-Jährige mit ihrer Familie aus Pakistan nach Österreich. Heute besucht sie die HTL Donaustadt in Wien.
Redaktion: Marlene Radl, Foto: Karin Wasner
„Eine Geschichte, die mir immer in Erinnerung bleiben wird, ist die meines zerrissenen Religionsbuches in der Neuen Mittelschule Eferding Nord in Oberösterreich: Jeden Donnerstagnachmittag ging ich in den Islamunterricht, mein Buch lag immer in meinem Bankfach in der Klasse. Eines Tages, als ich wieder zum Religionsunterricht gehen und mein Buch aus dem Fach nehmen wollte, sah ich, dass es komplett zerstört war. Irgendwer musste es in der Pause einfach genommen und zerrissen haben! Ich war so traurig und habe den ganzen Tag geweint. Die Direktorin hat mich getröstet, aber bis heute weiß ich nicht, wer das gemacht hat.
Danach habe ich mir ein neues Buch besorgt und habe mit dem Unterricht weiter gemacht. Ich musste ja weitermachen. Einige Schülerinnen und Schüler mobben und nennen das dann Spaß. Ich fürchte, das ist in jeder Schule so, aber es ist einfach nicht lustig. Das war 2017, als ich noch nicht lange in Österreich war.
Anfang mit oberösterreichischem Dialekt
Anfangs lebte ich mit meiner Familie für zwei Jahre im Eferdinger Asylquartier in Oberösterreich. Wir wohnten gemeinsam mit drei anderen Familien in einem großen Raum, der in vier Zimmer aufgeteilt war. Es war oft sehr laut und ich konnte mich nicht gut konzentrieren.
Die Schule war in Eferding aber die größte Herausforderung. Zu Beginn bin ich in der Klasse gesessen und habe immer zugehört, aber wirklich nichts verstanden. Ich bin eigentlich eine sehr fleißige Schülerin, aber anfangs hatte ich einfach null Ahnung, wovon die Lehrer sprachen. Das lag auch am oberösterreichischen Dialekt. Selbst die sehr nette Deutschlehrerin hat immer im Dialekt gesprochen. Heute hilft mir das, weil ich dadurch jetzt alles verstehe.
Durchhalten lohnt sich
Mittlerweile lebe ich mit meiner Familie in einer Wohnung im 10.Wiener Bezirk. Ich besuche die HTL-Donaustadt im Zweig „Software Engineering“. Hier habe ich keine Probleme mehr, weder mit Deutsch noch mit meiner Klasse. Die Hassfächer von vielen anderen sind jetzt meine Lieblingsfächer: Informatik und Programmieren.
In zwei Jahren werde ich maturieren und danach auf die Universität gehen, denn ich möchte unbedingt Ingenieurin werden. Dass ich ein Mädchen bin, hindert mich nicht daran. Ich glaube, ein Mädchen zu sein, ist sowieso oft schwierig — ganz egal was man macht oder wo auf der Welt man ist. Aber ich habe gelernt: Es lohnt sich Vieles, auch wenn es anfangs schwierig ist.“
In der neunteiligen Porträtreihe "Meine Zukunft in Österreich" holt SOS Mitmensch junge Frauen, die nach Österreich flüchten mussten, vor den Vorhang. Ihre Geschichten geben Einblick in die Herausforderungen, die sie meistern müssen und verraten, was ihnen beim Ankommen in einem neuen Land geholfen hat. Damit will SOS Mitmensch die Perspektiven geflüchteter Mädchen und junger Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung stärken. Infos und Kontakte zur freiwilligen Geflüchtetenhilfe finden Sie hier.
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