Eine Schmutzkübelkampagne
Als Kurt Waldheim 1986 als Bundespräsident kandidierte,
spaltete er das Land. In „Waldheims Walzer“ rekonstruiert
die Filmemacherin Ruth Beckermann einen denkwürdigen
Wahlkampf. Text: Gunnar Landsgesell
Es ist die Sprache der Hände, auf die Filmemacherin Ruth Beckermann zu Beginn ihres Films eingeht. Der österreichische Präsidentschaftskandidat Kurt Waldheim steht auf der Rednerbühne und breitet die Arme aus, als wollte er seine Zuhörerschaft umarmen. Doch in seiner Körpersprache liegt auch etwas abwehrendes, das gar nicht zur Rolle des einenden Politikers passen will.
Der Dokumentarfilm „Waldheims Walzer“, halb Essay, halb Chronik, lässt noch einmal die Ereignisse vor rund 30 Jahren Revue passieren. Es war ein Wahlkampf, der Österreich verändern sollte, freilich auf ganz andere Art, als die ÖVP es damals mit ihrem Kandidaten vorhatte. Eigentlich schien den Bürgerlichen ein Coup gelungen zu sein: Sie schickten den ehemaligen UN-Generalsekretär Kurt Waldheim ins Rennen und damit ein Mann von internationalem Format. In einem Interview sagt der Spitzendiplomat: „Ich hatte niemanden über mir.“ Später im Wahlkampf musste er sich aber doch unbequemen Fragen stellen: über Lücken und Ungereimtheiten in seiner Biographie, über seine Rolle im Krieg und im Nationalsozialismus.
„Waldheims Walzer“ rekonstruiert präzise die Ereignisse rund um den Wahlkampf und zeigt, welche Reaktionen die damals behauptete „Schmutzkübelkampagne“ zeitigte. Ein wenig staatsmännischer Alois Mock ereifert sich über den World Jewish Congress und bewegt sich dabei gefährlich nahe an jüdischen Verschwörungsszenarien. Auf dem Stephansplatz stehen sich Anhänger und Gegner Waldheims gegenüber, es wird gepöbelt und Ewiggestriges ist plötzlich wieder ganz aktuell.
Sehr schön tritt in Beckermanns Dokumentarfilm zutage, was heute als Konsens gilt: dass damals die Aufarbeitung der NS-Geschichte Österreichs erst begann. Den Beteiligten war das offenkundig nicht klar, so verstrickt zeigen sie sich in dieser hitzig geführten Auseinandersetzung. Waldheims argumentative Linie erscheint heute hingegen glasklar – und ebenso falsch: Er habe „nichts gewusst“ und nur seine „Pflicht getan“, beides wurde zu geflügelten Worten. Waldheim wurde dafür „Jetzt erst recht“ gewählt.
Aus heutiger Sicht fällt auf, wie wenig Interesse es auf Seiten der Verteidiger Waldheims gab, historische Fakten in die Diskussion einfließen zu lassen. Entgegen dessen Behauptungen war Waldheim sehr wohl am Balkan zugegen: Als Mitglied des Generalstabs der 12. Armee bereitete er für den berüchtigten General Alexander Löhr (1947 als Kriegsverbrecher hingerichtet) die Informationen auf.
Wie die Archive zeigen, waren Judendeportationen, die tagelang in Thessaloniki stattfanden, sowie Erschießungen von ZivilistInnen hinter der Front, Teil der Kriegsführung. Aufnahmen von Juden und Jüdinnen, die auf einem Platz zusammengetrieben wurden, erzeugen eine überraschende Intensität, die den krassen Widerspruch zu Waldheims behaupteter Geschichtslosigkeit noch verschärft. Dass diese Haltung so viele UnterstützerInnen fand, die bereit waren, diesem Mann zu folgen, scheint nur aus der damaligen Zeit erklärbar.
Gekonnt formulierten die Spin-Doktoren von damals die Affäre Waldheim in die Verteidigung der Ehre Österreichs um. Eine Taktik, die heute in dieser Form wohl nicht mehr funktionieren würde, auch wenn es Versuche in diese Richtung gibt.
Ein FP-Abgeordneter bezeichnete kürzlich jene Parlamentarier, die Aufklärung in der BVT-Affäre verlangen, und sich dabei von einem Bericht der Washington Post bestärkt fühlen, als „Nestbeschmutzer“. Insofern ist „Waldheims Walzer“ nicht nur als zeithistorisches Dokument zu betrachten.
„Waldheims Walzer“ ist ab 5. Oktober in den Kinos zu sehen.
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