Ernestine Spenger: „Menschen brauchen einander“
Warum engagieren sich Menschen freiwillig in der Flüchtlingshilfe? Was ist ihre Motivation und was raten sie Menschen, die auch ehrenamtlich aktiv werden wollen? Wir fragen nach. Heute: Ernestine Spenger
"Schaut was ihr tun könnt"
Für Ernestine Spengers ehrenamtliche Tätigkeit gab es zwei Schlüsselerlebnisse: „Ich war 2015 bei meiner Tochter in Wien auf Besuch, als die Menschen ankamen. Es war klar, wir müssen was tun. Also sind wir auch zum Hauptbahnhof und haben geholfen wie wir es halt konnten. Dann, als ich wieder in Tirol war, bin ich zu einem Vortrag des ORF-Journalisten Karim El-Gawhary gegangen. Der hat im Laufe dieses Abends gemeint ‚geht hin und schaut was ihr tun könnt‘, also bin ich in ein Durchgangslager vom Roten Kreuz hier in Tirol gegangen und hab beim Essen für die Menschen geholfen.“
Intensive Unterstützung
Für Ernestine Spenger, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder, war aber bald klar, dass es für sie damit nicht getan war. Auch wenn abschätzige Stimmen im eigenen Umfeld laut wurden, stand für Frau Spenger die Frage, mit der ehrenamtlichen Tätigkeit aufzuhören, nie im Raum. Im Gegenteil: Bald begann sie mit intensiver Unterstützung beim Deutschlernen und half beim Bewältigen von Alltagshürden.
"Nochmal Mutter geworden"
„Durch die Ehrenamtlichkeit bin ich mit 72 nochmal Mutter geworden“, lacht Frau Spenger. Es begann mit dem Deutschlernen in einer Flüchtlingsunterkunft in dem Dorf, in dem sie mit ihrem Ehemann lebt. In dieser Unterkunft war ihr „iranischer Sohn“ untergebracht. „Wir haben uns trotz der Sprachhürde gleich gut verstanden und heute ist es so, dass wir auch Ausflüge miteinander unternehmen. Mittlerweile nennt er mich Mama.“
Austausch auf Augenhöhe
Die ehrenamtliche Tätigkeit ist für Ernestine Spenger auch immer wieder ernüchternd. „Wenn man nicht direkt involviert ist, kann man sich nicht vorstellen, wie lange die Menschen auf ein Interview warten. Dazu kommt noch, dass man mit den falschen Berichten aus den Zeitungen konfrontiert wird. Was die über Flüchtlinge schreiben, stimmt einfach nicht!“, macht Frau Spenger klar. Dass sie sich weiter engagiert, ist für Ernestine Spenger keine Frage. “Es ist nicht so, dass ich nur mache und tue. Ich krieg unglaublich viel zurück“, sagt sie lächelnd.
Ernestine Spengers Botschaft an alle, die sich freiwilliges Engagement überlegen: „Menschen brauchen einander. Wenn man sich darauf einlässt, wie gut man sich, auch mit unterschiedlicher Herkunft, verstehen kann, ist das ehrenamtliche Engagement eine große gegenseitige Bereicherung und keine Einbahnstraße.“
Infos und Kontakte zur freiwilligen Flüchtlingshilfe finden sie hier.
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