„Es ist keine Kunst, sexistische Witze zu machen“
Die Comedians Ina Jovanovic und Schwesta Ebra im Gespräch über die männerdominierte Comedy-Branche, verbesserungswürdige Frauenpolitik und die heilsame Wirkung von Humor für viele Menschen mit Migrationsbackground.
Interview: Naz Küçüktekin. Fotos: Karin Wasner.
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
Jetzt mit einem MO-Solidaritäts-Abo unterstützen!
Wer ist lustig? Worüber darf gelacht werden? Wann werden Grenzen überschritten? Gehör finden oft nur die Stimmen der großen Namen der Comedy-Branche, die in Österreich immer noch meist autochthone Männer mittleren Alters sind. Das MO-Magazin bat mit Schwesta Ebra und Ina Jovanovic zwei Comedians zum Gespräch, die diesem Profil trotzen.
Schwesta Ebra, die bürgerlich Ebru Sokolova heißt, stammt aus einer Familie, die der türkischen Minderheit in Bulgarien angehört. Sie wuchs im niederösterreichischen Waldviertel auf. Mittlerweile lebt sie in Wien. In ihrer Kunst, ob Comedy oder auch Musik, spricht sie oft über Sexismus oder Rassismus.
Ina Jovanovic ist als Tochter eines serbischen Vaters und einer bosnischen Mutter in Klagenfurt aufgewachsen. Seit 2014 lebt sie in Wien. Für die Comedy-Karriere gab sie ihren Job in der Bank auf. All das gibt ihr Stoff für ihre Auftritte.
MO-Magazin: Mittlerweile haben einige Menschen mit Migrationsgeschichte über Social Media oder Initiativen wie den „Politically Correct Comedy Club“ den Einstieg in die Comedy-Branche geschafft. Verändert sie sich dadurch?
Ina Jovanovic: Wenn man sich Line-ups von vor zehn oder 20 Jahren anschaut, waren das nur Männer. Es verändert sich schon etwas, es wird diverser, aber nur sehr langsam.
Schwesta Ebra: Es wird für etablierte Künstler schon unbequemer. Einfach weil Menschen darauf hinweisen, dass es nicht witzig ist, sich nur über Frauen lustig zu machen. Ich finde, es ist keine Kunst, sexistische Witze zu machen. Die Gesellschaft ist sowieso sexistisch. Von daher ist das wirklich nicht so genial oder kreativ. Es ist umgekehrt viel schwieriger, nicht-diskriminierende Witze zu machen.
Jovanovic: Es ist schon ein Problem, dass es weniger Frauen als Männer in der Branche gibt. Wir werden erzogen damit, dass Frauen nicht lustig sind. Dieses Klischee hält sich sehr hartnäckig. Frauen müssen überhaupt mal auf die Idee kommen, als Comedian auftreten zu wollen. Es gibt kaum weibliche Vorbilder. Der Einstieg ist sehr schwierig und denen, die sich trauen, wird dann das Leben schwer gemacht.
Inwiefern wird es ihnen schwer gemacht?
Jovanovic: Bei Einladungen zu Shows ist es oft so, dass es zum Beispiel fünf Plätze gibt, und nur einen davon bekommt eine Frau. Wenn eine dabei ist, heißt es dann, wozu noch eine zweite einladen.
Schwesta Ebra: Der Mythos, dass es immer nur eine geben kann, wird von Veranstaltern sehr stark forciert. Ich bin aktuell mehr online unterwegs und da merkt man auch, dass Männer sehr schnell als genial gelten, wenn sie „objektiv“ lustig sind. Wenn aber eine Frau spricht, kannst du sicher sein, dass ein Großteil der Kommentare negativ oder belächelnd ist. Da kommt dann oft dieses „Ach, Frauen und Humor”.
Inwiefern beeinflusst euer Background auch eure Inhalte?
Jovanovic: Ich erzähle generell viel aus meinem Leben, also auch über Dating zum Beispiel. Aber mein Migrationshintergrund ist schon sehr präsent. Er gibt ehrlich gesagt auch sehr viel her. Viele können sich damit gut identifizieren.
Schwesta Ebra: Es ist einfach witzig, wenn man im Kollektiv darüber lachen kann, dass man 20 Stunden mit dem Auto in die Türkei oder nach Bulgarien gefahren ist. Irgendwo ist es auch ein gemeinsames Heilen, über Sachen, die Menschen wie wir durchgemacht haben, zu lachen.
Müsste das nicht fast die Mehrheit machen, wenn man allein schon bedenkt, dass jede zweite Person in Wien einen Migrationshintergrund hat.
Schwesta Ebra: Sicher. Österreich ist ein Einwanderungsland mit einer sehr heterogenen Gesellschaft. Das sollte sich, ob jetzt Comedy, Musik oder sonstige Kunstform, überall widerspiegeln. Es ist etwas anderes, wenn man Geschichten hört, die der eigenen ähneln.
Jovanovic: Es ist auch viel authentischer. Mir ist auch aufgefallen, dass viele junge Menschen, die Stand-up-Comedy-Fans sind, nicht wissen, dass es in Wien eine Szene gibt. Die schauen sich dann Amerikaner oder Deutsche an und warten, bis die herkommen. Mit Wien verbinden viele alte Kabarettisten, mit denen sie nicht relaten können.
_______
„IM KOLLEKTIV IST ES WITZIG, DARÜBER ZU LACHEN,
DASS MAN 20 STUNDEN IN DIE TÜRKEI GEFAHREN IST“
_______
Was bräuchte es, damit die Branche diverser wird?
Jovanovic: Es wäre toll, wenn sich größere Sender wie der ORF auch etwas für Jüngere überlegen würden und mehr neue Leute pushen würden, anstatt noch mal den Niavarani zu zeigen.
Schwesta Ebra: Ich finde auch, dass männliche Kollegen etwas sagen müssten, wenn sie sehen, dass bei einer Veranstaltung keine Frau dabei ist.
Jovanovic: (Lacht) Das werden sie nicht machen.
Schwesta Ebra: Nein, eh nicht. Das wäre voll selbstlos. Sie müssen nicht den Platz hergeben, sie könnten zumindest etwas sagen. Weil, wenn Frauen immer nur von unten nach oben schreien, heißt es, sie sind so hysterisch und nervig. Es wäre hier viel leichter, von oben etwas zu sagen. Es gehören auch viel mehr Räume geschaffen, wo sich gerade Jüngere ausprobieren können.
Hat Humor für euch auch Grenzen?
Jovanovic: Ich bin der Meinung, dass man über alles Witze machen kann. Aber je schwieriger das Thema ist, desto besser müssen die Witze sein. Und wenn du das nicht kannst, dann lass es lieber.
Schwesta Ebra: Ich finde auch, es kommt darauf an, wer den Witz macht. Wenn sich ein Österreicher hinstellt und über die Jugos schimpft ...
Jovanovic: ... gegen das habe ich nichts. Du kannst als weißer österreichischer Mann auch Witze über Jugos machen. Die müssen halt gut sein, sonst bist du rassistisch. Ich bin kein Fan von diesem „über das darfst du nicht reden”. Mir ist nur wichtig, dass man sagen kann, wenn etwas taktlos oder respektlos ist. Deswegen sage ich, die Witze müssen gut sein. Wenn nur deine Haberer darüber lachen, ist es schlecht. Wenn ich Witze über Männer mache, lachen die Männer am meisten. Es gibt Österreicher, die Witze über Jugos machen, wo sich die Jugos freuen, weil sie sich gesehen fühlen. Das sind aber keine respektlosen Witze. Ich habe das Gefühl, wenn man sagt, man darf über eine Gruppe keine Witze machen, sagt man damit auch, dass sie anders ist. Aber bei Political Correctness gehen die Meinungen sehr auseinander.
Schwesta Ebra: Political Correctness macht es Comedians natürlich schwerer. Grundsätzlich kann ich selber über so gut wie alles lachen. Humor ist für mich auch ein Coping-Mechanismus.
Jovanovic: Aber gibt es Themen, über die du keine Witze machst?
Schwesta Ebra: Ich würde zum Beispiel keine Witze über Vergewaltigungen machen.
Jovanovic: Ich glaube, da ist wieder die Frage, wie der Witz aufgebaut ist.
Schwesta Ebra: Wie willst du Witze über Vergewaltigungen machen?
Jovanovic: Ich mache eh keine. Das sind so arge Themen, wo ich nichts Witziges finde. Aber ich habe schon Auftritte gesehen, wo es künstlerisch betrachtet gut funktioniert hat. Aber da fließen sicher auch persönliche Erfahrungen mit hinein. Jemand, der viel mit Rassismus zu kämpfen hat, wird die Jugo-Witze vielleicht nicht so lustig finden.
Schwesta Ebra: Sicher, man kann nicht das ganze Publikum im Auge haben.
Jovanovic: Früher oder später wird man jemanden kränken. Heißt natürlich nicht, dass wir alle Witze über Vergewaltigungen machen sollten.
Schwesta Ebra: Was man vielleicht sagen könnte, ist etwas wie „Vergewaltigungen werden so oft bestraft wie korrupte ÖVP-Politiker”. Aber weiter würde ich dann auch nicht gehen.
Jovanovic: Eben, sowas meine ich. Mir ist allgemein einfach wichtig, dass ich voll und ganz hinter dem stehe, was ich auf der Bühne sage.
Schwesta Ebra und Ina Jovanovic haben auf Instagram jeweils über zehntausend Follower:innen. Die beiden thematisieren oft ihren Migrationsbackground: „Viele können sich damit gut identifizieren.“
Ihr macht beide auch Inhalte in sozialen Medien. Frauen sind dort besonders oft Zielscheibe von Hass. Wie geht ihr damit um?
Jovanovic: Ein Video von mir ist mal in einer falschen Bubble gelandet. Da wurde mein Aussehen attackiert. Das hat mich schon sehr schockiert und getroffen. Aber nach zwei, drei Tagen beruhigt man sich wieder. Und für das nächste Mal bin ich jetzt abgehärtet.
Schwesta Ebra: Ich habe damit fast jeden Tag zu tun. Ich mache viele politische und feministische Inhalte. Je mehr Angriffsfläche man bietet, desto mehr Hass bekommt man ab. Man muss auch zwischen YouTube, TikTok und Instagram unterscheiden. Auf YouTube und Tik Tok sind eher jüngere Menschen unterwegs. Instagram ist chilliger.
Blockierst du dann Accounts? Oder erstattest Anzeige?
Schwesta Ebra: Ich hatte den Fall, dass mir jemand täglich Beleidigungen geschrieben hat. Der hatte in seinem Profil aber seinen ganzen Namen, seine Postleitzahl und den Namen seiner Schule stehen. Da dachte ich mir, na gut, wenn du es mir so leicht machst. Zu der Zeit ging gerade auch die Initiative „Faires Netz” online, wo man Hassnachrichten im Netz melden kann. Aber auf TikTok kann es schon passieren, dass man 400 Hass-Kommentare bekommt. Da kann man nicht mal alle lesen.
_______
„IM KOLLEKTIV IST ES WITZIG, DARÜBER ZU LACHEN,
DASS MAN 20 STUNDEN IN DIE TÜRKEI GEFAHREN IST“
_______
Hass und Gewalt gegenüber Frauen scheinen in den letzten Jahren in Österreich generell zuzunehmen. Es gab auch 26 Femizide im vergangenen Jahr. Findet ihr, da wird von politischer Seite genug gemacht?
Jovanovic: Ich finde nicht, dass die Politik genug macht. Ganz im Gegenteil. Auch das Wort Feminismus ist ja mittlerweile sehr negativ behaftet. Es wird mit Männerhass gleichgesetzt anstatt mit Gleichberechtigung. Frauenpolitik wird oft belächelt und nicht ernst genommen, weil viele meinen, dass wir eh schon gleichberechtigt sind.
Schwesta Ebra: Es wäre gelogen, zu sagen, die Politik würde gar nichts machen. Allerdings könnte an bestimmten Stellen mehr getan werden. Ich habe das Gefühl, dass an den falschen Schrauben gedreht wird. Wenn Frauenhäuser mehr Budget benötigen, gerade jene, die mit Opfern zusammenarbeiten, frage ich mich schon, was die Regierung davon abhält, da zu investieren? Bei der Präventionsarbeit wäre auch noch Luft nach oben. Es ist eh super, dass es Anlaufstellen gibt und dass sich etwa hinsichtlich der Ausbildung für Polizei und angehende Richter:innen etwas getan hat. Jedoch würde man sich durch gute Präventionsarbeit viele Maßnahmen für danach ersparen.
Was würdet ihr euch von der Frauenpolitik wünschen?
Schwesta Ebra: Ich wünsche mir ein mutiges Frauenministerium, das die Lebensrealitäten von Frauen und allgemein von Menschen, die von geschlechterbasierter Gewalt betroffen sind, ernst nimmt. Das Seite an Seite und als geschlossene Allianz mit Frauenhäusern Konzepte ausarbeitet und vor allem, und das ist meiner Meinung nach das wichtigste und gleichzeitig am meisten vernachlässigte Element, in den sozialen Medien mit diesen Themen präsenter ist. Frauenfeindliche Themen und Creator bzw. Influencer dominieren die sozialen Medien und streuen frauenfeindliche Ideologien, die vor allem bei Jugendlichen viel Anklang finden. Da sollte man unbedingt dagegenhalten.
Jovanovic: Ich würde mir wünschen, dass man uns einfach mehr zuhört.
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo