Familie Sourani: „Wir denken nicht ans zurückgehen“
Familie Sourani flüchtete 2015 von Syrien nach Österreich. Sie fand schnell Anschluss in einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde und erlebt dort die alltäglichen Hochs und Tiefs des Familienlebens.
Redaktion & Foto: Sonja Kittel
„Eine lange und schwierige Zeit“
Familie Sourani kam vor sieben Jahren nach Österreich. Davor lag eine lange und schwierige Zeit, wie der 19-jährige Abdulghani erzählt: „Als der Bürgerkrieg ausbrach, sind wir zuerst gemeinsam in die Türkei. Unser Haus und die Firma unseres Vaters waren kaputt und uns blieb nur der Schmuck unserer Mutter, den wir verkauften. Unser Vater überlegte, in Istanbul ein kleines Geschäft zu eröffnen, aber das war nicht möglich. Wir hatten eine Wohnung in Istanbul, die wir von heute auf morgen verlassen mussten, weil das Haus abgerissen wurde. Der Vermieter hatte uns komplett abgezogen und die Miete schon im Vorhinein einkassiert. Nach einer Nacht auf der Straße sind wir weiter nach Konya, wo eine Verwandte wohnte. Es gab dort viele Gangs und wir wurden regelmäßig bedroht und verprügelt.“
„Er ist ein Ehrenmann“
Vater Abdulkader Sourani entschied dann, dass er nach Europa gehen würde und die Familie warten sollte, bis er eine sichere Möglichkeit gefunden hätte sie nachzuholen. Er flüchtete zu Fuß, per Auto, Bus und Zug über Griechenland, Mazedonien und Serbien. Er wollte eigentlich mit dem Zug nach Deutschland, aber dann kam ein Schaffner, holte ihn raus und sagte, du bleibst jetzt hier. „Gott sei Dank, denn dadurch sind wir jetzt alle hier. Er ist ein Ehrenmann,“ sagt Sohn Abdulghani dazu.
„Wir sind bis heute Freunde“
Abdulkader kam in eine Flüchtlingsunterkunft in Wiener Neustadt und dann in den kleinen Ort Bad Fischau-Brunn in Niederösterreich. Der 51-jährige erinnert sich. „Ich beantragte Asyl und erhielt einen positiven Bescheid. Nach acht Monaten konnte ich meine Kinder und meine Frau nachholen. Wir wohnten zuerst bei einer Familie. Diese Menschen unterstützten uns sehr und wir sind bis heute gute Freunde geblieben. Sie besorgten uns ein Haus in der Nähe, in dem wir zur Miete wohnen konnten. Meine jüngste Tochter startete im Kindergarten, die Ältere in der Volksschule und die beiden Söhne in der Mittelschule und im Gymnasium. Alle wurden zwei Klassen zurückgestuft, um genug Zeit zu haben, mit dem Deutsch lernen nachzukommen.“
„Nach sechs Monaten perfekt Deutsch“
Familie Sourani denkt heute nicht mehr ans Zurückgehen. Die Kinder konnten schon nach sechs Monaten perfekt Deutsch und als Zaid, der älteste Bruder, einmal für seinen Vater im Krankenhaus übersetzen musste, konnte der Arzt nicht glauben, dass er erst so kurz in Österreich war. Seine Schwester, die 14-jährige Asma, erzählt: „Am Anfang kamen Frauen aus dem Dorf zu uns, die privat mit uns Deutsch übten, dann lernten wir auch in der Schule die neue Sprache. Unsere Eltern haben Deutschkurse besucht und sind mittlerweile auf B1 Niveau. Das Reden geht sehr gut, aber Schreiben und Lesen ist schwierig, weil es eine ganz andere Schrift ist und man in Arabisch auch von rechts nach links liest und schreibt.“
Schule, Ausbildung, Arbeit
Abdulkader Sourani arbeitet mittlerweile bei einer Papierfirma, Sohn Zaid macht eine überbetriebliche Lehre als Spengler. Abdulghani arbeitet als Monteur und Metalltechniker. „Ich stehe um fünf auf, damit ich um sechs dort bin. Nach der Arbeit esse ich was, gehe noch ins Gym und dann direkt schlafen. Viel Zeit für anderes bleibt da nicht“, erzählt der junge Mann. Seine Mutter Fadua hat kürzlich eine sechsmonatige Ausbildung zur Verkäuferin abgeschlossen. „Jetzt bin ich auf der Suche nach einer Anstellung, aber das ist momentan nicht einfach“, sagt die 41-jährige.
Neue Hobbies
Asma ist in der dritten Klasse Mittelschule und spielt in der Mädchen-Fußballmannschaft. „Vorletzte Woche hatten wir ein Turnier und da habe ich zwei Tore geschossen“, erzählt sie stolz. Das jüngste Mitglied der Familie Sourani ist Fatima, genannt Api. Sie ist in der dritten Klasse Volksschule und spielt Klarinette in der Bläserklasse. „Ich quietsche nicht so oft, wie meine Schwester, die auch mal gespielt hat. Ich mache das wenn dann absichtlich, um die anderen zu ärgern, zum Beispiel, wenn sie schlafen wollen,“ erzählt sie schmunzelnd.
„Wir haben genau dasselbe durchgemacht“
„Wir wollen in Frieden leben. Wir haben genug gesehen. Als kleines Kind Krieg zu erleben ist ganz, ganz schlimm. Man hat ein Leben lang Bilder von Menschen im Kopf, die am Boden liegen und denen man helfen will, aber man muss selbst weglaufen. Jetzt sind zehn Jahre vergangen und ich will, dass alles in Ruhe läuft. Auf das konzentrieren wir uns jetzt“, sagt Abdulghani. Wenn die Familie Nachrichten aus der Ukraine sieht, weiß sie, wie die Menschen sich fühlen. „Wir haben genau dasselbe durchgemacht und wir wünschen ihnen nur das Beste. Der liebe Gott hat uns geholfen. Egal, wie oft wir die Hoffnung verloren haben, wir hatten ihn vor Augen“, sagt Abdulghani.
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der mehrteiligen Porträtreihe „Ältere Menschen und Familien nach der Flucht“ berichten Menschen verschiedener Generationen von altersspezifischen Herausforderungen nach der Flucht und wie sie sich ihr Leben in Österreich aufgebaut haben. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte. Alle bereits veröffentlichten Porträts der aktuellen Reihe sowie unsere Porträtreihen der letzten Jahre sind hier nachzuschauen: www.hierangekommen.at
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