Frauen gegen rechts
Wie und warum sich Frauen in Österreich und Deutschland gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus engagieren.
Text: Magdalena Pichler.
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Es ist glühend heiß um die Mittagszeit am Ballhausplatz in Wien. Vier Frauen halten ein Banner hoch. Es ist eine Mahnwache der „Omas gegen Rechts“, die auf die Situation von Menschen auf der Flucht aufmerksam machen. Seit 2020 findet fast täglich eine Mahnwache statt. „Wir stehen Montag bis Freitag, wenn möglich in zwei Schichten. Jede Schicht zwei Stunden, zwei Omas“, sagt Petra Hajek. Freundlich und bunt mit Hüten und Strickmützen sehen die Omas aus – doch stricken war gestern. Monika Salzer gründete 2017, also zur Zeit der schwarz-blauen Regierung in Österreich, eine Facebookgruppe, aus der die Bewegung entstand. Sieben Jahre später sind sie die derzeit größte Frauenbewegung auf der Straße, wie die deutsche Zeitung „taz“ jüngst schrieb. In Österreich sind es laut Salzer über 700 Vereinsmitglieder und an die 200 Aktivist:innen. Mittlerweile gibt es sie auch in anderen europäischen Ländern, etwa in Deutschland, wo die deutschen „Omas gegen Rechts“ mehr als 30.000 Mitglieder in den bundesweiten und regionalen Facebookgruppen zählen.
Von Montag bis Freitag, jeden Tag vier Stunden, halten die „Omas gegen Rechts“ eine Mahnwache am Wiener Ballhausplatz.
Anleitungen zum Widerspruch
In Deutschland macht sich auch eine Frau besonders online gegen den Rechtsruck stark. Unter dem ironisierten Titel „die besorgte Bürgerin“ engagiert sich die Autorin, Politik- und Kommunikationsberaterin Franzi von Kempis gegen Falschinformationen, Vorurteile und Hetze. 2019 erschien ihr Buch „Anleitung zum Widerspruch: Klare Antworten auf populistische Parolen, Vorurteile und Verschwörungstheorien” (Mosaik Verlag). In ihrem Newsletter „Adé AfD“ gibt die ehemalige Journalistin Tipps gegen populistische und rechtsextreme Rhetorik im Alltag. Themen sind etwa „Zivilcourage im Job: Wie widerspreche ich rechtsextremen Parolen“ oder „Wie rede ich mit meiner Familie über die AfD“. Wichtig sei, sich bewusst zu machen, dass ein Teil der AfD-Wählerschaft keine Protestwähler:innen mehr seien. „Wir müssen aufhören, darüber als Protestwahl zu sprechen“, sagt die Autorin.
Von Kempis ist auch Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt, laut Eigenbezeichnung Deutschlands größte Arbeitgebendeninitiative zur Förderung von Vielfalt in der Arbeitswelt. Ihr Motto: Eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus und für Demokratie, auch am Arbeitsplatz. „Gerade in der Arbeitswelt treffen Menschen mit ganz unterschiedlichen Meinungen und Haltungen aufeinander“, sagt sie.
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BEI POLITISCHER VERANTWORTUNG
GEBE ES KEINEN RUHESTAND.
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Motivation für das Engagement
Auch Johanna Walk findet es wichtig, dass sich alle gegen rechtspopulistische und rechtsextreme Strömungen engagieren. Walk ist daher in verschiedenen Initiativen in Österreich tätig. Sie arbeitet im Rahmen von AwA*, einem Kollektiv für Awarenessarbeit mit Nutzer:innen des öffentlichen Raums. Als Aktivistin ist sie bei der NGO „SOS-Balkanroute“, die unter anderem humanitäre Hilfe an den EU-Außengrenzen leistet.
„Es ist besonders auch ein Thema für Frauen, finde ich, denn rechte Ideologien sind nicht nur rassistisch, sondern auch massiv sexistisch, patriarchal und frauenverachtend“, sagt sie. Ein Beispiel sei, dass weltweit Rechte versuchten, das Selbstbestimmungsrecht von Flinta-Personen (Frauen, Lesben, inter, nicht-binären, trans und agender Personen) zu beschränken und etwa das Recht auf Schwangerschaftsabbruch attackierten.
Auch Monika Salzer von den „Omas gegen Rechts“ wünscht sich ein Engagement von allen Seiten: „Es gibt keinen Ruhestand, was die politische Verantwortung betrifft.“ Ihre Mitstreiterin Petra Hajek war etwa in Lipa, Bosnien, wo es ein großes Flüchtlingscamp gibt. „Dort sah ich auch wilde Camps, zum Beispiel in einer Bauruine eine Familie mit drei kleinen Kindern. Es war am Abend noch kalt und es gab nur Pappkarton auf den Fenstern“, erzählt sie. Der menschenverachtende Umgang mit Geflüchteten sei für sie daher ein Grund, sich bei den Omas zu engagieren.
Franzi von Kempis gibt in ihrem Newsletter Tipps gegen populistische Rhetorik im Alltag.
Manches besser nicht lesen
Und wie geht es den Frauen, die sich in der Öffentlichkeit gegen rechtsextreme Tendenzen aussprechen, mit Hasskommentaren und Hasszuschriften? Die wirklich ekeligen Dinge lese sie oft nicht, sagt die deutsche Autorin Franzi von Kempis. Wenn doch, sei sie eine Vertreterin davon, Sachen zur Anzeige zu bringen. Was aber am meisten helfe: Ein starkes Netzwerk an Menschen, die man um Rat und Unterstützung bitten kann. Banden bilden und sich vernetzen, rät die Autorin.
Nicht nur in die Pension, sondern ins Grab würden manche aus der rechten Szene sich die Omas wünschen, erzählt Monika Salzer. Sie schreiben, die Omas würden so oder so bald sterben, dann sei dieses Problem erledigt. Nicht lesen, nicht einmal ignorieren, ist Salzers Umgang damit. Sie empfehle auch jüngeren Frauen, die im Internet aktiv sind, die Kommentare nicht zu lesen. Direkt bei den Mahnwachen der „Omas gegen Rechts“ gebe es manchmal intensivere Diskussionen mit vorbeigehenden Menschen.
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„RECHTE IDEOLOGIEN SIND MASSIV SEXISTISCH,
PATRIARCHAL UND FRAUENVERACHTEND“
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Salzer freut sich aber, wenn etwa Jugendliche auf einem Schulausflug vorbeikommen und ihnen Fragen stellen. Die Omas seien ein Backup für die Jugend. Und die Jungen wüssten, dass Großeltern immer hinter ihnen stehen. Die andere Oma, Petra Hajek, ergänzt: „Wir freuen uns über jede Unterstützung, egal ob männlich, weiblich, alt oder jung.“
Heute stehen die Omas noch eine weitere Stunde in der prallen Sonne. Unermüdlich im Einsatz für die Vision einer Welt, die sie sich für die Jugend wünschen.
Magdalena Pichler ist freie Journalistin mit einem Schwerpunkt auf Kultur und Gesellschaft. Sie studierte u. a. Journalismus an der FH Wien der WKW. Privat mag sie Natur, Literatur und Kuchen.
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