Meine Zukunft in Österreich - Inas: "Heute weiß ich, was Rassismus ist"
Inas hat früh gelernt, Menschen nicht zu verurteilen, sondern ihnen zuzuhören. Die heute 18-Jährige flüchtete vor vier Jahren mit ihrer Familie aus Ägypten nach Österreich und ist heilfroh darüber, hier auf das einzigartige Schulprojekt PROSA gestoßen zu sein.
Redaktion: Marlene Radl, Foto: Karin Wasner
„In meiner Schule in Ägypten gab es ein Mädchen aus Somalia. Wir waren damals zwölf Jahre alt und ich habe zunächst nicht ganz verstanden, warum das Mädchen von allen anderen schlecht behandelt und auch beschimpft wurde. Niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben. Meine Mutter hat mir damals gesagt, ich soll einmal mit ihr reden und herausfinden, was sie für ein Mensch ist. Das habe ich am nächsten Tag gemacht und entdeckt, dass sie voll nett ist. Die anderen machten also die Fehler und nicht sie. Wir standen dann oft gemeinsam in der Schule, weil sie sonst niemanden hatte. Heute weiß ich, dass ich mit Menschen reden muss, bevor ich mir eine Meinung über sie bilde und ich weiß auch, was Rassismus ist.
Das Beste, was passieren konnte
Das habe ich erst Jahre später bei PROSA (Projekt Schule für Alle) so richtig gelernt. Vor vier Jahren bin ich mit meiner Familie nach Österreich geflüchtet. Bei PROSA konnte ich 2018 meinen Pflichtschulabschluss machen, nachdem ich in der alten Schule überhaupt nicht zurechtgekommen war. Ich wusste nicht, wozu ich lernen soll und war voll demotiviert. Ich habe in der Klasse immer gelangweilt auf die leere Wand gestarrt.
Mein damaliger Klassenvorstand meinte, ich schaffe ohnehin kein Gymnasium. Als ich dann negativ abschloss, musste ich eine andere, passendere Schule für meinen Pflichtschulabschluss finden. Meine Eltern konnten nicht gut Deutsch und ich war bei der Schulsuche ziemlich auf mich allein gestellt.
Nach vielen Absagen und blöden Aufnahmetests, kam ich zu PROSA und das war echt das Beste, das mir passieren konnte. Die Lehrer dort waren ganz anders. Sie merkten, wenn ich etwas nicht verstand, ohne dass ich nachfragen musste. Ich hatte das Gefühl, sie wollten mir wirklich helfen. Ich war auf einmal so mutig und motiviert. Seit langem habe ich nicht so viel gelernt wie dort. Den Pflichtschulabschluss habe ich dann innerhalb von einem Semester nachgeholt und jetzt schaffe ich eh das Gymnasium auch.
Früh gelernt, für mich einzustehen
Ich glaube, durch all die Erfahrungen die ich gemacht habe, kann ich mich mittlerweile gut verteidigen. Mich kann man nicht so einfach schlecht behandeln, weder weil ich eine Frau bin, noch weil ich nicht in Österreich geboren bin. Ich habe insgesamt fünf Brüder, zwei ältere und drei jüngere, da habe ich ohnehin schon früh gelernt, für mich einzustehen.
Dieses Jahr werde ich achtzehn Jahre alt. Ich überleg schon die ganze Zeit, was ich mir Schönes zum Geburtstag schenken mag, aber ansonsten ist es ein bisschen egal, dass ich volljährig werde. Ich mache ohnehin schon alles selbst."
In der neunteiligen Porträtreihe "Meine Zukunft in Österreich" holt SOS Mitmensch junge Frauen, die nach Österreich flüchten mussten, vor den Vorhang. Ihre Geschichten geben Einblick in die Herausforderungen, die sie meistern müssen und verraten, was ihnen beim Ankommen in einem neuen Land geholfen hat. Damit will SOS Mitmensch die Perspektiven geflüchteter Mädchen und junger Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung stärken. Infos und Kontakte zur freiwilligen Geflüchtetenhilfe finden Sie hier.
Jetzt den SOS Mitmensch Newsletter abonnieren
Ermöglichen Sie mit einer Spende unsere weitere Menschenrechtsarbeit