„Ich kann mir nur das Nötigste leisten“
Mehr als 90.000 Menschen sind in Österreich in der Grundversorgung untergebracht. Die größte Gruppe bilden dabei aus der Ukraine geflüchtete Menschen. Seit bald zwei Jahren bedeutet das für sie ein Leben am Existenzminimum.
Text: Naz Küçüktekin.
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
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Kateryna Bilinska ist für ihr neues Leben in Tirol dankbar. Sie ist dankbar, dass ihre Kinder Bildung genießen und ihrer sportlichen Ambition nachgehen können. Sie ist dankbar, dass sie eine eigene Wohnung haben und viele nette Menschen an ihrem neuen Wohnort kennengelernt haben. Vor allem ist sie dankbar dafür, dass sie und ihre zwei Kinder in Sicherheit, fernab von Krieg und Bomben leben können. Sie ist so dankbar, dass es ihr kaum etwas ausmacht, von nur ein paar Hundert Euro im Monat zu leben. „Natürlich ist es wenig Geld, aber dafür sind wir hier in Sicherheit”, beschreibt die 39-jährige Ukrainerin ihr Leben in der Grundversorgung.
Mit Stand Jänner 2023 leben 92.929 Menschen in Österreich in der sogenannten Grundversorgung. Durch diese wird seit 2004 hilfs- und schutzbedürftigen Fremden eine Basisversorgung gewährt. Anspruch haben Asylwerber:innen, subsidiär Schutzberechtigte, Asylberechtigte bis vier Monate nach der Anerkennung und Personen, die nicht abschiebbar sind.
Kateryna Bilinska kam mit ihren beiden Kindern nach Kriegsbeginn nach Österreich. „Wir dachten, dass wir nach ein paar Wochen wieder zurückkehren können“, erzählt die Ukrainerin.
Nur vorübergehender Aufenthalt
Eine besondere und derzeit auch die größte Gruppe an Menschen, die eine Grundversorgung erhalten, sind Geflüchtete aus der Ukraine. Ihnen wurde kurz nach Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine internationaler Schutz gewährt, wodurch ihnen Österreich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht einräumte. Sofern sie aber nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, fallen sie in die Grundversorgung. Von 80.000 aus der Ukraine nach Österreich geflüchteten Menschen, wovon mehr als drei Viertel Frauen mit Kindern sind, befindet sich aktuell über die Hälfte in der Grundversorgung.
Die Leistungen dabei sind deutlich niedriger als etwa in der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe. In der Grundversorgung sind lediglich Unterbringung und Verpflegung sowie ein monatliches Taschengeld vorgesehen. Die Höhe kann von Bundesland zu Bundesland variieren. Zudem wurde 2023 auf Betreiben des Innenministeriums ein kompliziertes System der Zuverdienstgrenze eingeführt. Die Grenze an Zuverdienst wurde zwar erhöht, doch wird für jeden verdienten Euro anteilig die Grundversorgung gekürzt. Auch das ist je nach Bundesland unterschiedlich. Für Betroffene ist derzeit schwer nachvollziehbar, wie viel sie arbeiten dürfen, um keine Rückzahlungen zu haben bzw. das organisierte Grundversorgungsquartier verlassen zu müssen.
Normalzustand gesucht
Im Fall von Kateryna Bilinska in Tirol setzt sich das Geld, das ihr monatlich zur Verfügung steht, folgendermaßen zusammen: Circa 400 Euro bekommt sie für sich und ihre zwei Kinder aus der Grundversorgung. Für ihre beiden Kinder bekommt sie jeweils noch um die 200 Euro Kinderbetreuungsgeld. 300 Euro stehen ihr als Mietkostenzuschuss zu. Denn Bilinksa ist wie mittlerweile viele Ukrainer:innen in privaten Unterkünften untergebracht.
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DIE FAMILIE VERFOLGT AKTIONEN IM SUPERMARKT UND
VERSUCHT, GEBRAUCHTE KLEIDUNG ZU BEKOMMEN.
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„Ich kam ursprünglich nach Tirol, weil wir hier Freunde hatten. Damals dachten wir auch, dass wir nach ein paar Wochen wieder zurückkehren würden”, erzählt sie. Als das doch nicht passierte, zogen die 39-Jährige und ihre Kinder zuerst in ein Quartier nach Innsbruck, danach in eines in Imst. „Das Leben in den Quartieren war aber sehr schwierig. Das Essen war zum Beispiel oft nicht kindergerecht und wir mussten uns auch ein Zimmer mit anderen teilen”, sagt sie. Gerade für ihre Kinder wollte sie einen geregelten Alltag und mehr Privatsphäre. Erst seitdem sie ihr eigenes Heim haben, sei erstmals wieder ein Normalzustand für sie eingekehrt. „Und ich hatte Glück, eine möblierte Wohnung für 500 Euro im Monat zu finden”, so die zweifache Mutter. Doch wie kommt sie mit dem wenigen Geld über die Runden?
Bilinska besucht derzeit einen Deutschkurs und muss mit rund 1100 Euro monatlich auskommen.
„Muss gerade so leben“
„Es ist natürlich nicht genug Geld”, antwortet Bilinska, die in Odessa, wo sie vor dem Krieg lebte, ein Reisebüro leitete. Nun verfolgt sie Aktionen in Supermärkten sehr genau, versucht Kleidung über Plattformen wie willhaben oder Hilfsorganisationen zu bekommen. „Beim Roten Kreuz gibt es auch alle zwei Wochen Lebensmittel zu holen. Die sind nicht immer gut, aber manchmal schon”, erzählt sie. „Ich kann mir nur das Nötigste leisten. Aber ich muss gerade so leben. Ich bin in einem anderen Land, ich verstehe das auch. Meine Kinder zum Glück auch”, fügt sie noch hinzu.
Am liebsten würde sie arbeiten, um mehr Geld zu verdienen. „Aber ich kann noch nicht so gut Deutsch. Ich besuche aktuell einen Kurs. Außerdem weiß ich nicht, wie ich mich dann um meine Kinder kümmern soll”, beschreibt sie ihre schwierige Situation, bevor sie diese im gleichen Satz schon wieder relativiert. „Aber es geht ja nicht nur mir so. Vielen Ukrainern, gerade denen mit Kindern, geht es ähnlich”, sagt sie.
Naz Küçüktekin war bei der Wiener Bezirkszeitung, dem biber-Magazin, bei Profil und zuletzt beim Kurier tätig, wo sie sich im Ressort „Mehr Platz“ vor allem mit migrantischen Lebensrealitäten beschäftigte. Das tut sie nun weiterhin als freie Journalistin.
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