Katya: „Ich möchte eine erfolgreiche unabhängige Frau werden“
Katya ist 15 Jahre alt und vor 7 Monaten zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus der Ukraine nach Wien geflüchtet. Katya versucht so schnell wie möglich Deutsch zu lernen, um zur Schule gehen zu können. Das ist ihre oberste Priorität. Sie wünscht sich aber auch, nicht mehr zu dritt in einem kleinen Hotelzimmer wohnen zu müssen. Ihr Ziel ist es, ein unabhängiges Leben zu führen.
Redaktion & Fotos: Maiko Sakurai
Katya, wie geht es dir und deiner Familie, seit ihr in Wien angekommen seid?
In den ersten zwei Monaten waren wir hauptsächlich damit beschäftigt, einen Wohnort zu finden und uns um viele andere administrative Angelegenheiten zu kümmern. Danach habe ich am Integrationskurs teilgenommen und lerne seitdem aktiv Deutsch. Ich habe bereits erfolgreich die Prüfung für das Niveau A2 bestanden und befinde mich derzeit auf dem Level zwischen A2 und B1.
Und wie verbringst du derzeit am liebsten deine Zeit?
Ich muss sagen, die Zeit vergeht ziemlich schnell in Wien, besonders wenn man versucht, sie sinnvoll zu nutzen. Früher habe ich viel Klavier gespielt und bin zur Musikschule gegangen. Deswegen spiele ich jetzt auch hier jeden Tag Musik, male gerne, lese Bücher und lerne Deutsch. Natürlich treffe ich mich auch gerne mit meinen Freund*innen und verbringe Zeit mit ihnen.
Wie sehen deine Zukunftspläne denn aus?
Wie gesagt, widme ich meine volle Aufmerksamkeit dem Deutschlernen, weil es für mich sehr wichtig ist. Ich möchte die Prüfung für das Niveau B1 oder B2 bestehen und danach hier zur Schule gehen. Wenn ich mit der Schule fertig bin, möchte ich mich an der medizinischen Universität hier in Wien bewerben. Für mich gibt es drei Optionen: Psychologin, Zahnärztin oder Chirurgin zu werden. Vor allem möchte ich eine erfolgreiche unabhängige Frau werden. Und eventuell auch hier Liebe finden und eine Beziehung führen.
Das sind sehr ambitionierte Ziele. Ich wünsche dir viel Glück dabei! Wenn du an die letzten sieben Monate zurückdenkst, wie würdest du sagen, hast du dich in dieser Zeit entwickelt?
Natürlich hat die Ankunft in Wien mein Leben sehr verändert. Als ich hier ankam, habe ich schnell verstanden, dass ich mich effektiv weiterentwickeln und erfolgreich sein muss. Ich möchte die Chancen, die ich hier habe, nutzen.
Gibt es hier Personen, die dich dabei unterstützen, deine Ziele zu verfolgen?
Insbesondere natürlich meine Familie und Freunde. Aber es gibt auch noch andere Personen, die uns helfen und uns Ratschläge geben. Ich vertraue auf sie. Grundsätzlich finde ich, dass es hier viele gute Menschen gibt, weil sie uns erlauben, unter diesen Umständen ins Land zu kommen. Deshalb schätzen wir es sehr und sind glücklich, hier sein zu können, weil wir viele Perspektiven haben.
Wenn du etwas an deinem Leben hier in Österreich ändern könntest, was wäre das?
Ich würde gerne in eine eigene Wohnung ziehen, um mehr persönlichen Raum zu haben. Wir leben derzeit zu dritt in einem kleinen Hotelzimmer. Das ist nicht genug für ein komfortables Leben. Deshalb ist mein einziger Wunsch, mehr Platz und mehr Privatsphäre zu haben.
Das muss wirklich herausfordernd für euch sein. Ich hoffe, ihr könnt so bald wie möglich umziehen. Gibt es sonst etwas in deinem Leben, was dir Stress bereitet?
Das, was mich derzeit am meisten stresst, ist Nachrichten aus der Heimat zu lesen. Das Wichtigste ist, sich vor Stress und Stressauslösern schützen zu können. Meine Familie hilft mir dabei, Stress abzuwehren und damit umzugehen. Es ist wichtig, in der Lage zu sein, die Hilfe anderer Menschen anzunehmen, besonders im Kampf gegen Stress. Es kann ganz einfach sein, denn eine Umarmung reicht manchmal schon, um in stressigen Situationen zu helfen.
Ich habe noch eine letzte Frage an dich. Was bedeutet der Begriff „Heimat“ für dich?
Zuhause ist der Ort, an dem jemand auf dich wartet, wo du sicher und geschützt bist.
Jeden Tag wird in Österreich über geflüchtete Menschen diskutiert. Vielfach wird pauschalisiert und instrumentalisiert. Die tatsächlichen individuellen Lebensrealitäten, Meinungen und Wünsche bleiben hingegen zumeist im Hintergrund. Besonders junge Geflüchtete sind öffentlich kaum vertreten. In unserer Porträtreihe „Stimmen geflüchteter Schüler*innen und Studierender“ lassen wir sie zu Wort kommen, weil sie ein Recht haben, ihre Geschichte selbst zu erzählen. Alle Porträts der aktuellen Reihe sowie unsere Porträtreihen der letzten Jahre sind hier nachzulesen: www.hierangekommen.at
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