Im Auftrag der Migras – biber mit scharf.
Mit Jahresende wird das biber-Magazin eingestellt. Chefredakteurin Aleksandra Tulej über den Erfolg von biber und fehlende migrantische Stimmen in österreichischen Medien.
Gastkommentar: Aleksandra Tulej.
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
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Ihr schreibt über Menschen wie mich, deswegen lese ich euch” – Wenn man 16 Jahre biber- Leser:innen-Feedback in einem Satz zusammenfassen könnte, wäre es exakt diese Aussage. Rund ein Viertel der Menschen in Österreich hat Migrationshintergrund – dennoch werden migrantische Stimmen in den Redaktionen hierzulande oftmals nur dann gebraucht, wenn es in einer bestimmten Community brodelt oder man sich mit Begriffen wie Diversität schmücken will.
Vor allem wird aber meist über Menschen mit Migrationshintergrund berichtet, selbst kommen sie allerdings selten zu Wort. Das führt dazu, dass in unseren Köpfen und der Gesellschaft Bilder entstehen, die eben nicht die Realität wiedergeben. Begriffe wie Diversität und Repräsentation werden oft fast schon inflationär verwendet – aber werden sie auch wirklich gelebt?
2006 hat der ehemalige Chefredakteur und Herausgeber Simon Kravagna das Magazin biber gegründet – um genau das zu ändern. Biber bedeutet auf Türkisch und Bosnisch/Kroatisch/Serbisch „Pfeffer” – biber mit scharf eben. Mit Ende des Jahres wird das Magazin eingestellt, die Medienbranche leidet unter massiven Finanzierungsproblemen, kleinere Magazine trifft es bekanntlich zuerst.
Wird Diversität in Österreichs Redaktionen wirklich gelebt?, fragt Aleksandra Tulej.
Was bleiben wird, ist eine Lücke, die nicht nur der Leserschaft, den Communitys, sondern auch vor allem jungen Migra-Journos wehtut. Ich hatte die Ehre, als letzte Chefredakteurin des Magazins mit wunderbaren jungen Talenten zusammenzuarbeiten, die alle dazu beigetragen haben, dass unsere Medienlandschaft ein Stück weniger eintönig wird. Ob religiöse Konflikte, Brüche mit Traditionen, Migra-Künstler:innen, die Lebensrealitäten geflüchteter Menschen, transgenerationale Traumata bis hin zu Themen wie Auto-Tuning am Kahlenberg: Wir haben mit Menschen gesprochen, mit denen sonst niemand gesprochen hat. Wir haben Geschichten geschrieben, die sonst keiner geschrieben hat. Direkt aus den Communitys, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen: Wir haben Probleme angesprochen, die es anzusprechen galt, wir haben Vorbilder vor den Vorhang geholt und wir haben Themen behandelt, die die verschiedensten Migra-Communitys in Wien beschäftigen – und das von innen, nicht von oben herab.
Die Geschichten, die wir geschrieben haben, haben wir selbst erlebt, wir haben biber gelebt. Wir sind an Schulen (sogenannte Brennpunktschulen) gegangen, haben Jugendlichen gezeigt, wie Journalismus aussehen kann – und von ihnen selbst dazugelernt. Wir haben im Rahmen der zweimonatigen biber-Akademie Jungjournalist:innen ausgebildet, sie auf den Start im Mediendschungel vorbereitet – und das mit Erfolg. Mittlerweile sitzen quer verstreut in allen möglichen Redaktionen des Landes Journalist:innen, die ihre Karriere bei biber begonnen haben – und die Medienlandschaft somit immer weiter „mit scharf” mitgestalten werden.
Aleksandra Tulej war seit 2022 Chefredakteurin von biber. In ihrer journalistischen Arbeit beschäftigt sie sich vorrangig mit unterrepräsentierten Milieus der Gesellschaft.
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