Meine Zukunft in Österreich - Khadra: "Irgendwohin, wo es Freiheit gibt"
Khadra ist heute 20 Jahre alt und lebt seit 2016 bei ihrer Adoptivfamilie im Mühlviertel. Sie war 14 als sie allein von Somalia in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen ist. Zwei Jahre später stand sie am Salzburger Hauptbahnhof mit einer unglaublichen Geschichte im Gepäck.
Redaktion: Marlene Radl, Foto: Simone Jeitler
„Ich bin zufällig in Österreich gelandet, denn ich hatte eigentlich überhaupt kein Ziel als ich in Somalia aufgebrochen bin. Dort ging ich in die Koranschule und lernte nie Geographie, also wusste ich auch nicht, was es alles für Länder gibt.
Meine Mutter hat mich mit 14 Jahren aus Somalia weggeschickt, denn sie wollte, dass ich irgendwohin gehe, wo es auch für Frauen Freiheit gibt, wo ich sicher und selbstbestimmt leben kann. Irgendwohin, wo ich nicht zwangsverheiratet werde. Ich habe zuerst gedacht, sie mag mich nicht mehr. Ich war so jung und habe das damals nicht verstanden. Aber sie wollte ein besseres Leben für mich.
Brutale Erinnerungen
Danach war ich über ein Jahr lang auf der Flucht und habe in verschiedenen Flüchtlingscamps jeweils immer für ein paar Monate gelebt, bevor ich weitergezogen bin. Ich war in Äthiopien, im Sudan, in Libyen und auch in Italien. Die Camps waren alle voll. Am engsten war es im Lager in Libyen. Dort waren auch viele kranke Menschen und es gab viel Gewalt. Es schliefen an die vierzig Leute gemeinsam in einem kleinen Zimmer. Ich habe dann immer draußen geschlafen und gehofft, dass ich so irgendwie überleben werde.
Überhaupt habe ich von meiner Flucht viele brutale Erinnerungen: Von der Überfahrt am Mittelmeer auf einem undichten und überfüllten Schiff über die Schlägereien in den Camps bis hin zu der kleinen Zelle, wo ich hingebracht wurde, als ich in Salzburg ankam. Vieles, was andere nicht nachvollziehen können und was ich niemals vergessen werde. Später muss ich glaube ich einmal ein Buch über meine Geschichte schreiben.
Neue Schwester und Adoptiveltern
Von Salzburg wurde ich nach Traiskirchen gebracht, wo ich meine spätere Adoptivschwester kennenlernte. Wir mussten länger als die Erwachsenen in Traiskirchen bleiben, weil wir als Minderjährige nicht so leicht untergebracht werden konnten. Schließlich kamen wir zu zweit nach Oberösterreich zu unseren Adoptiveltern. Heute besuche ich die berufsbildende Schule in Rohrbach, die ich dieses Jahr abschließen werde. Danach will ich in Wien die Ausbildung zur Pflegefachassistentin machen.
Schon in Somalia habe ich manchmal in einem Krankenhaus mitgearbeitet. Aber einen richtigen Beruf konnte ich nicht erlernen, das können nur die Jungs. Die sind dort etwas Besseres, sie können sich die Frauen aussuchen und alles tun, z.B. Schwimmen gehen, Radfahren, sich mit Freunden treffen. Aber Mädchen sollen nur in der Küche landen. Ich musste weg und bin, zum Glück, irgendwie hier gelandet.“
In der neunteiligen Porträtreihe "Meine Zukunft in Österreich" holt SOS Mitmensch junge Frauen, die nach Österreich flüchten mussten, vor den Vorhang. Ihre Geschichten geben Einblick in die Herausforderungen, die sie meistern müssen und verraten, was ihnen beim Ankommen in einem neuen Land geholfen hat. Damit will SOS Mitmensch die Perspektiven geflüchteter Mädchen und junger Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung stärken. Infos und Kontakte zur freiwilligen Geflüchtetenhilfe finden Sie hier.
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