
Expert*innen zu humanitärer Aufnahme - Mag. Janine Prantl, LL.M.
"Globale humanitäre Krisen können nur durch internationale Zusammenarbeit bewältigt werden." - Mag.ª Janine Prantl, LL.M. betreut als Legal Fellow das Global Strategic Litigation Council for Refugee Rights. Im Zuge ihres Doktoratsstudiums setzte sie ihren Forschungsschwerpunkt auf den internationalen und europäischen Rechtsrahmen für Resettlement in die EU.
"Bei Resettlement im Speziellen und humanitärer Aufnahme generell handelt es sich um flüchtlingspolitische Maßnahmen mit Historie und dennoch höchster Aktualität. Gerichtet an besonders vulnerable Flüchtlinge kann Resettlement nicht nur Leben retten, sondern auch im Sinne von internationaler Solidarität und Verantwortungsteilung dazu beitragen, dass Erstzufluchtsstaaten ihre Grenzen offen halten.
Kein Recht auf Resettlement, aber Rechte im Resettlement
Völkerrechtlich steht es Staaten grundsätzlich frei, Flüchtlinge aus Drittstaaten durch Resettlement-Programme aufzunehmen. Die Genfer Flüchtlingskonvention erwähnt in ihrer Präambel “unduly heavy burdens on certain countries”, und im Akt zur Konferenz von Plenipotentiaries wurde vorgeschlagen, dass Regierungen zusammenarbeiten sollten “in a true spirit of international co-operation in order that these refugees may find asylum and the possibility of resettlement”; auch der UN-Flüchtlingspakt proklamiert “more equitable and predictable burden- and responsibility-sharing” als Ziel – all diese Zusagen bleiben jedoch rechtlich unverbindlich.
Alle profitieren
Wohlgemerkt heißt das nicht, dass Staaten im Zuge des Aufnahmeprozesses ihre menschen- und flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen außer Acht lassen können. Die Aufnahmebedingungen und Rechte im Resettlement haben nicht nur große Auswirkungen auf die Betroffenen, sondern auch auf den Aufnahmestaat, insbesondere die unmittelbare Umgebung und Gesellschaft, in der sich Resettlement-Flüchtlinge bestmöglich integrieren sollten. Wird den Betroffenen adäquater Rechtsstatus und somit die Integration im Aufnahmestaat ermöglicht, profitiert auch das soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben in der Umgebung.
Österreich und Europa im internationalen Vergleich
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Österreich selbst auf Resettlement-Angebote von Drittstaaten angewiesen war. Der “first time emergency” des UNHCR 1956 betraf das Resettlement ungarischer Flüchtlinge, die von Österreich aufgenommen wurden, unter der Bedingung der schnellstmöglichen Neuansiedelung in andere Länder. Insgesamt wurden 180.000 der 200.000 nach Österreich geflüchteten Ungar*innen in 37 Ländern neu angesiedelt. Hier spielte vor allem Resettlement nach Übersee eine große Rolle. Die USA hat damals mehr als 30.000 Ungar*innen aufgenommen. Im europäischen Vergleich schaut Österreich tatsächlich weg. Unter anderem haben Schweden, Finnland, und die Niederlande permanente Resettlement-Programme etabliert, und Resettlement ist im jeweiligen nationalen Einwanderungsrecht dieser Staaten verankert. Auch in Deutschland gibt es seit 2015 eine klare nationale Rechtsgrundlage für Resettlement.
„Österreich hat nur beschränkt Beitrag geleistet“
Österreich hat bisher nur beschränkt und auf ad hoc-Basis Resettlement-Beiträge geleistet. Tatsache ist, dass das letzte nennenswerte Resettlement-Programm Österreichs vor drei Jahren geendet hat. Was die Rechtsgrundlage betrifft, so werden Resettlement bzw. die Neuansiedelung von Flüchtlingen im österreichischen Asylgesetz 2005 weder definiert noch erwähnt. Würde sich Österreich mittels verbindlicher Zusagen zur Aufnahme von schutzbedürftigen Personen verpflichten, könnte es z.B. auf § 3a AsylG 2005 zurückgreifen, wonach der Flüchtlings- oder subsidiärer Schutzstatus von Amts wegen zuerkannt wird, wenn Österreich seine völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt. Es ist weder ein Antrag der betroffenen Person, noch ein Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 erforderlich. Somit sind sog. „Kontingentflüchtlinge“ durch erleichterte Statusanerkennung besser gestellt. Eine solche Besserstellung wirft jedoch gleichzeitig Bedenken hinsichtlich Diskriminierung zwischen „Kontingentflüchtlingen“ und anderen Flüchtlingen auf. Grosso modo – unter der Voraussetzung, dass denjenigen, die die entsprechenden Kriterien der Flüchtlingsdefinition erfüllen, tatsächlich der volle Flüchtlingsstatus in Österreich zuerkannt wird, – könnte die erleichterte Statusanerkennung ein wirksames Instrument sein, um Menschen möglichst rasch und effektiv aus gefährlichen Situationen, wie zum Beispiel derzeit in Afghanistan und dessen Nachbarländern, herauszuholen.
USA als Paradebeispiel
International gilt die USA mit dem im Refugee Act aus 1980 permanent eingeführten US Refugee Admissions Program als Paradebeispiel für die Aufnahme von Flüchtlingen durch Resettlement. Auch Kanada ist ein internationales Vorbild, was sich insbesondere zeigte, als die Beiträge der USA während der Präsidentschaft von Donald Trump signifikant sanken. Im Vergleich USA-Kanada-EU besteht in Europa insgesamt Aufholbedarf. Auf EU-Ebene schlug die Europäische Kommission 2016 einen permanenten EU-Neuansiedelungsrahmen vor. Diese Initiative wird aber – trotz Wahrung der von den Mitgliedstaaten verlangten Freiwilligkeit – immer noch durch den Ministerrat blockiert. Kürzlich haben sich 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten zur Aufnahme von 40.000 afghanischen Flüchtlingen bereit erklärt, wobei Deutschland mit 25.000 Neuansiedelungen den Großteil übernehmen würde. Im Vergleich dazu haben die USA für das Fiskaljahr 2022 125.000 Neuansiedlungsplätze (weltweit) angekündigt, Kanada ca. 40.000.
Fazit
Globale humanitäre Krisen können nur durch internationale Zusammenarbeit bewältigt werden, das heißt mit Beiträgen aller EU-Mitgliedstaaten, inklusive Österreich. In diesem Sinne haben Österreich und die weiteren 144 Vertragsstaaten in der Präambel der Genfer Flüchtlingskonvention ausdrücklich anerkannt, dass eine zufriedenstellende Lösung des globalen Flüchtlingsproblems ohne internationale Zusammenarbeit und den weitest gehenden Schutz der Menschenrechte nicht zu erreichen ist."
Die obigen Ausführungen basieren unter anderem auf dem Blogpost vom 11. November 2021 (siehe Blog Asyl: https://www.blogasyl.at/2021/11/resettlement-im-blick-warum-oesterreich-mitmachen-soll/)
SOS Mitmensch hat gemeinsam mit Expert*innen und Betroffenen eine große Kampagne für die Wiederaufnahme von humanitären Aufnahmeprogrammen für besonders schutzbedürftige Menschen gestartet. Wir wollen die humanitäre Tradition Österreichs wiederbeleben und Menschenleben retten!
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