Justiz sieht in diskriminierenden Forderungen der FPÖ Wien keine Verhetzung
Mit Sorge reagiert SOS Mitmensch auf eine aktuelle Entscheidung des Justizministeriums und der Staatsanwaltschaft Wien: Es wird kein Ermittlungsverfahren gegen die FPÖ Wien sowie die FPÖ Politiker Dominik Nepp, Michael Eischer und Klemens Resch wegen der Forderung nach Ausschluss von Musliminnen und Muslimen vom Zugang zum Gemeindebau eingeleitet.
Diskriminierende und zutiefst herabwürdigende Aussagen
Im November vergangenen Jahres hatte SOS Mitmensch der Staatsanwaltschaft Wien eine umfangreiche Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts der Verhetzung und der NS-Wiederbetätigung durch die FPÖ Wien und FPÖ-Politiker übermittelt. Anlass waren Aussendungen der FPÖ, in denen der Ausschluss von Musliminnen und Muslimen vom weiteren Zugang zum Gemeindebau gefordert wurde. SOS Mitmensch bezeichnete die Aussagen und Forderungen der FPÖ als „diskriminierend und zutiefst herabwürdigend gegenüber Musliminnen und Muslime“.
Forderung nach rassistischer Politik - kein Ermittlungsverfahren
Darüber hinaus würde die Forderung nach Ausschluss aus dem Gemeindebau alleine aufgrund der Religionszugehörigkeit einem Teilbereich der rassistischen Politik der Nationalsozialisten entsprechen, so SOS Mitmensch in der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft. Jetzt hat die Justiz entschieden, kein Ermittlungsverfahren gegen die FPÖ Wien und die an gezeigten FPÖ-Politiker einzuleiten, weil laut Staatsanwaltschaft „kein Anfangsverdacht bestehe“.
„Kündigungsgrund Nichtarier“ lautete des Motto der Nazi-Wohnpolitik ab dem Jahr 1938. „Ausschlussgrund Muslime“ lautet im Jahr 2018 das Motto der Wohnpolitik der Wiener FPÖ
Politiker überschreiten gefährliche Grenzen
„Es ist zu befürchten, dass die Entscheidung der Justiz von politischen Hetzern als Freibrief gedeutet wird, weiter Hass zu säen. Politiker, die Menschen alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit kollektiv als nachbarschaftsunwürdig beschimpfen und kollektive Diskriminierung einfordern, überschreiten gefährliche Grenzen“, zeigt sich Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, über die Entscheidung der Justiz besorgt.
Erinnert an Geist der Nazizeit
Pollak verweist darauf, dass es 1938 zu den ersten Maßnahmen der Nationalsozialisten gehört hatte, Juden auf Grundlage der „Rassengesetze“ den Zugang zum Gemeindebau zu verwehren. Darüber hinaus seien über 2.000 Kündigungsverfahren gegen jüdische Mieterinnen und Mieter in Gemeindebauten eingeleitet worden, wie Herbert Exenberger, Johann Koß und Brigitte Ungar-Klein in ihrer Recherche „Kündigungsgrund Nichtarier“ zu den Auswirkungen der Machtübernahme der Nazis auf die Wohnungspolitik in Wien festgehalten haben.
Keine ausführliche Begründung der Justiz
„Wer den Ausschluss von Menschen alleine aufgrund der Herkunft oder Religionszugehörigkeit fordert, betreibt ein Projekt der Gesellschaftszerstörung. Solchen Versuchen der Gesellschaftszerstörung sollte von der Justiz kein zu breiter Spielraum eingeräumt werden“, betont Pollak und kündigt an, der Entscheidung der Justiz, für die es bislang von offizieller Seite keine ausführliche Begründung gebe, auf den Grund gehen zu wollen.
Erschütterndes Beispiel Karl-Marx-Hof
Besonders erschütternd sei, dass die FPÖ Wien als Beispiel für die „Notwendigkeit“ des Ausschlusses von Muslimen vom Gemeindebau den Karl-Marx-Hof in Wien Döbling nennt. An eben diesem Karl-Marx-Hof hänge heute eine Gedenktafel, die an den Ausschluss und die Vertreibung von Juden aus diesem Gemeindebau durch die Nazis nach 1938 erinnere, so Pollak.
Gedenktafel am Karl-Marx-Hof in Wien Döbling: "Niemals vergessen"
Gedenktafel in Wien Brigittenau: "Kündigungsgrund Nichtarier"
Dunkles Kapitel wieder aufleben lassen
Die FPÖ will dieses dunkle Kapitel der österreichischen Geschichte, an das Gedenktafeln an zahlreichen Gemeindebauten erinnern, teilweise wieder aufleben lassen. Sie forderte in Aussendungen vom 13. und 14. November 2018 den Ausschluss von Muslimen vom weiteren Zugang zum Gemeindebau. Konkret schrieb die FPÖ Wien in einer Aussendung am 13. November 2018: „FPÖ-Döbling fordert: Keine weiteren muslimischen Migranten in Döblings Gemeindebauten!“. In der gleichen Aussendung wurde der Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Michael Eischer mit den Worten zitiert: „Die Beschwerden österreichischer Gemeindebaubewohner über Probleme mit muslimischen Nachbarn, von denen ein nicht unerheblicher Teil fundamentalen Werten folgen, häufen sich. Die SPÖ ist gefordert, dieser Entwicklung endlich einen Riegel vorzuschieben!“. Der Döblinger FPÖ-Klubobmann Klemens Resch wurde mit den Worten zitiert: „Nun versucht man Wähler anzusiedeln, indem man Gemeindewohnungen bevorzugt an muslimische Migranten vergibt. Das einzig verbliebene Wählerklientel der SPÖ. Die FPÖ-Döbling wird sich weiterhin um die Döblinger kümmern und nimmt sich jenen Problemen an, welche muslimische Migranten in die Siedlungen gebracht haben.“ Eischer und Resch wurden darüber hinaus mit den Worten zitiert: „Die Devise muss lauten: Keine weiteren muslimischen Migranten in Döblings Gemeindebauten!“. Am Tag darauf, am 14. November 2018, wurde der ressortlose Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp in einer Aussendung der FPÖ Wien mit folgenden Worten zitiert: „Die Stadtregierung muss unverzüglich damit aufhören, muslimische Migranten mit Gemeindewohnungen zu versorgen, in der Hoffnung, dass diese sich mit ihrer Wählerstimme bedanken, sobald sie in Wien dazu berechtigt sind."
Was "Ariern" nicht zugemutet werden kann
SOS Mitmensch verweist darauf, dass die Nazis ihre rassistische Wohnpolitik damit rechtfertigten, dass es „weder ‚arischen‘ Vermietern noch ‚arischen‘ Mitbewohnern eines Hauses zugemutet werden könne, noch länger gemeinsam mit jüdischen Mietern unter einem Dach zu wohnen“, so ein Auszug aus der „Kleinen Volkszeitung" vom 8. August 1938. Die FPÖ Wien versucht ihre Forderung nach generellem Ausschluss von Muslimen vom weiteren Zugang zum Gemeindebau mit „Problemen mit muslimischen Nachbarn“ und „Beschwerden österreichischer Gemeindebaubewohner“ zu rechtfertigen.
Rechtsgutachten zu Verbotsgesetz
SOS Mitmensch verweist weiters auf ein Rechtsgutachten von Prof. Heinz Mayer aus dem Jahr 2005, wo dieser in Bezug auf die österreichische Spruchpraxis zum Verbotsgesetz festhält, dass der Oberste Gerichtshof eine Handlung dann als Wiederbetätigung auffasst, wenn diese in propagandistisch vorteilhafter Art „einzelne für den Nationalsozialismus typische Ideen zum Ausdruck bringt". Nach Auffassung des Oberste Gerichtshofs sei es dazu „nicht erforderlich, dass die Ideologie des Nationalsozialismus in ihrer Gesamtheit bejaht wird“. Die Forderung nach Ausschluss von Menschen einer bestimmten Religionszugehörigkeit vom kommunalen Wohnbau sei eine für den Nationalsozialismus typische Idee, so SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak mit Verweis auf die die Rechercheergebnisse von Herbert Exenberger, Johann Koß und Brigitte Ungar-Klein über die Wohnungspolitik der Nazis in Wien und die Ausführungen der Historikerin Susanne Kowarc in einer Schrift für das Bezirksmuseum Alsergrund.
Wehret den Anfängen!
„Dass eine für den Nationalsozialismus typische Idee von der FPÖ Wien gleich in zwei schriftlichen Aussendungen mit Zitaten von drei Personen, darunter dem ressortlosen Vizebürgermeister Dominik Nepp, als Forderung erhoben wird, zeigt, dass hier von Seiten der FPÖ gezielt vorgegangen wird. Das Motto aller demokratisch gesinnten Menschen muss lauten: Wehret den Anfängen“, betont Pollak.
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