Knabbern – politisch korrekt
Unlängst entnahm ich Medienberichten, dass der Snackhersteller Kelly’s die sogenannten „Zigeunerräder“ in Zirkusräder umbenennen will. Es wurde auch Zeit. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration.
Zehn Jahre ist es her, dass ich einen Artikel für „Die Presse“ über diskriminierende Bezeichnungen in der Lebensmittelindustrie schrieb. Ich machte einen Rundgang durch einen Supermarkt, ging von Regal zu Regal auf der Suche nach Lebensmitteln, die für Roma und Sinti eine Beleidigung und für zahlreiche Menschen, so hoffe ich, ein Ärgernis darstellen. Rasch wurde ich fündig. Die Palette an Lebensmitteln, die die diskriminierende, abwertende Fremdbezeichnung „Zigeuner“ trugen, war breit. Ich fand etwa Z*Räder“ und „Z*Aufstriche“, „Z*Schnitzelbasis“ und „Z*Würstel“. Ich rief bei den Firmen an, um Stellungnahmen einzuholen. Auf Rückmeldung von Kelly’s und Radatz warte ich noch heute – sprichwörtlich gesagt. Die Geschäftsleitung von Wojnar, um klare Worte nicht verlegen, ließ mir ausrichten, man habe „eigentlich kein Interesse an dem Bericht“. In dem Artikel kam auch der mittlerweile leider verstorbene Rudolf Sarközi vom Kulturverein österreichischer Roma zu Wort. Der Kämpfer für die Anliegen der Volksgruppe sagte mir, der Kampf mit Gastronomie und Lebensmittelindustrie bringe nichts. Er lehnte das Z-Wort ab, wolle aber „nicht sinnlos“ seine Energie vergeuden. Vor zehn Jahren verstand ich das – verstand ich ihn – einfach nicht. Viele unsägliche Debatten über den M* im Hemd reicher verstand ich von Jahr zu Jahr besser, bis ich letztlich seiner Meinung war. Auch ich wollte irgendwann meine Energie nicht mehr vergeuden – in Debatten mit Menschen, die gar nicht begreifen wollten, warum den Betroffenen rassistische Fremdbezeichnungen – auch auf Speisekarten – nicht schmecken. Als ich hörte, dass Kelly’s im Lichte der Rassismus-Debatte die „Z*Räder“ Zirkusräder und Knorr seine „Z*Sauce“ Paprikasauce nennen will, musste ich schmunzeln. Vielleicht hat sie der Protest, den viele Menschen im Laufe der Jahre geübt haben, mürbe gemacht. Vielleicht ist dort auch eine neue Generation am Ruder. Wichtig ist jedenfalls, dass es immer wieder Menschen gibt, die Energie für diesen Protest haben. Und erfreulich ist, dass der Protest auch Früchte trägt.
Clara Akinyosoye ist Journalistin bei orf.at und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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