Liberté, Adé
Einblicke in das (Er-)Leben der österreichischen Gesellschaft aus Sicht einer Wiener Muslima. Mit dunkelbuntem Humor und feurigem Temperament, aus dem Herzen Österreichs.
Kolumne: Menerva Hammad.
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
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Während in Frankreich die Abaya (Arabisch für Kleid) für Schülerinnen verboten wird, steht seit Oktober mitten in Birmingham eine „Hijab“-Statue mit dem Namen „Die Stärke des Hijabs“, die nicht nur sichtbare muslimische Frauen ehren soll, sondern auch das Recht einer jeden Frau, das tragen zu können, was sie möchte. Und in Österreich? Auch wir haben kürzlich mit dem Thema Schlagzeilen gemacht: Bei uns sind Bauchleiberl an manchen Schulen verboten. Es gibt auch Anweisungen, welche Kleidungsstücke für Schüler:innen während der Schulzeit (nicht) akzeptabel sind, sogar illustrativ nach Geschlecht getrennt. Mädchen sollen ja nicht zu viel Haut zeigen (na zu wenig bitte a ned) und Burschen sich nicht zu bequem kleiden. Also keine Jogginghosen, Kappen, Kaputzen etc. Da sind beide Geschlechter gleich, aber wenn es um bestimmte Kleidungsstücke geht, werden klar nur Mädchen abgebildet. Kopftücher sind zwar nicht direkt ein Thema bei diesen Regeln, dennoch allgegenwärtig. Denn Kopftücher werden eigentlich nicht gern gesehen, aber da der Verfassungsgerichtshof entschied, es sei diskriminierend diese zu verbieten, müssen diese leider Gottes doch an österreichischen Schulen – und sonst auch in der Öffentlichkeit – ertragen werden. Sie werden toleriert, in Wirklichkeit zwangsakzeptiert, und die Schülerin, die sich traut, einen Hijab zu tragen, muss oftmals spüren, dass dieses Auftreten eher nicht erwünscht ist. Ein abwertender Blick, ein rassistischer Kommentar. Mehrmals am Tag. Jeden Tag.
Der Wille einer Frau
Es dauerte nicht lange, bis es in den sozialen Medien Kritik zur Kleiderordnung an manchen Schulen hagelte, denn wieder einmal würden Mädchen und junge Damen aufgrund ihres Kleidungsstils in den Fokus genommen. Offiziell gehe es ja darum, junge Menschen auf das Berufsleben vorzubereiten, auch durch die Garderobe. Vermutung feministischer Aktivistinnen ist jedoch, dass es sich um etwas anderes handelt, nämlich das Narrativ, Frauen müssten sich „verhüllen“, um weder männliche Schüler noch Lehrer „abzulenken“. Und hier schließt sich der Kreis zum Hijab, denn gäbe es in der westlichen Welt ein Symbol für die Unterdrückung der Frau, wäre es wohl dieses Stückchen Stoff. Wir haben in Österreich ja auch Millionen von Kopftuchexpert:innen. Was die wenigsten wissen: Geschichtlich bedeutet das Tragen eines Hijabs, dass frau frei ist. Viele Spekulationen, viel Frust und vor allem viele Fragen tauchten auf, als die neueste Kleidungsvorschrift publik gemacht wurde. Nur eine ganz wesentliche Frage blieb aus: Welche Auswahl haben unsere Töchter eigentlich, wenn es um Kleidung geht? Wann haben Sie das letzte Mal ein Bauchleiberl in der Burschenabteilung gesehen? Wie sehr werden Mädchen durch Kleidung sexualisiert? Wie bewusst schauen wir da auch hin? Welche repräsentativen Vorbilder haben sie? Wie werden sie in der Gesellschaft, aber auch politisch gesehen und angesprochen? In einer Gesellschaft, in der Weiblichkeit und die Vielfalt dieser als Tabu gelten, kann man verschleiern, wie viel man möchte, um das Bauchleiberl zu verdecken. Oder das Kopftuch runterreißen, um eine Person zwangszubefreien. Denn was jede Frau als Individuum will, ist ja offensichtlich scheißegal. Dann darf frau/man sich aber nicht aufregen, dass der feministische Diskurs nicht weiterkommt: Immerhin halten wir das Gespräch darüber so oberflächlich, wie ein Kleidungsstück nur sein kann.
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