
SOS Mitmensch-Studie: Mädchen und Burschen wollen über Frauenrechte Bescheid wissen
SOS Mitmensch präsentiert eine Erhebung zum Wissens- und Bewusstseinsstand von Schülerinnen und Schülern über Mädchen- und Frauenrechte. Der Rückhalt für Frauenrechte und die Wissbegier der jungen Menschen ist enorm, zugleich gibt es aber erhebliche Wissenslücken, die geschlossen werden sollten.
--> SchülerInnen-Umfrage zu Mädchen- und Frauenrechten zum Herunterladen
Wissen um Frauenrechte ist Schutzfaktor
„Das Wissen und Bewusstsein um Mädchen- und Frauenrechte ist ein wichtiger Schutzfaktor für junge Menschen und hat erheblichen Einfluss auf die Stärkung von Mädchen und Frauen und auf das Zusammenleben. Deshalb haben wir erstmals in Österreich eine Pilotstudie durchgeführt, um mehr über den Wissensstand junger Menschen zu erfahren, aber auch über ihre Wissenslücken und Verwundbarkeit“, erklärt Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, den Hintergrund der Studie.
Pressekonferenz und Studienpräsentation im Büro von SOS Mitmensch
Knapp 300 Schülerinnen und Schüler befragt
An der Erhebung von SOS Mitmensch haben 291 Schülerinnen und Schülern aus acht Schulen in acht Wiener Bezirken teilgenommen, darunter drei NMS und fünf AHS. Die 13-15-jährigen Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, was sie über Mädchen- und Frauenrechte wissen und welche Regelungen und Einrichtungen sie kennen, die Mädchen und Frauen unterstützen und schützen. Im Anschluss an die Befragung wurden von SOS Mitmensch Informationsbroschüren an die Schülerinnen und Schüler verteilt.
Enormer Rückhalt für Frauenrechte bei Mädchen und Burschen
Die überwältigende Mehrheit, nämlich 96 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler, gab an, dass sie Mädchenrechte und Frauenrechte als wichtig erachten. Bei Mädchen beträgt der Rückhalt sogar 100 Prozent.
SOS MItmensch-Studie: Grafik zur Bedeutung von Mädchen- und Frauenrechten
Große Wissbegier
Mehr als drei Viertel sagen, dass sie mehr über Gewalt und Mobbing und mögliche Schutzmaßnahmen erfahren möchten. Mehr als zwei Drittel wollen mehr über gleiche Rechte von Frauen und Männern wissen. Mehr als die Hälfte hätte gerne Informationen über die Situation und Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt. Bei Mädchen ist die Wissbegier noch größer als bei Burschen.
SOS MItmensch-Studie: Grafik zu Themen, über die Schülerinnen und Schüler mehr erfahren wollen
Erhebliche Lücken bei Wissensvermittlung in der Schule
Über 40 Prozent der befragten Mädchen und Burschen gaben an, entweder noch nie im Unterricht über Frauenrechte gesprochen zu haben oder sich nicht mehr daran erinnern zu können. Zwei Drittel gaben an, noch nie Informationen über Beratungsstellen erhalten zu haben. Mehr als die Hälfte ist in der Schule noch nie mit dem Thema Mobbing und Gewalt gegen Mädchen und Frauen konfrontiert worden. Knapp die Hälfte hat noch keine Informationen über häusliche Gewalt erhalten. Und etwa ein Drittel hat noch keine Information zu gleichen Rechten von Frauen und Männern erhalten.
SOS MItmensch-Studie: Grafik zum Anteil der Schülerinnen und Schüler, die schon einmal über Fraunrechte gesprochen haben
SOS MItmensch-Studie: Grafik zu Themen, über die Schülerinnen und Schüler schon einmal Informationen erhalten haben
Beschränktes Grundwissen über Verbote
Die Befragung von SOS Mitmensch zeigt, dass es zwar bei vielen Schülerinnen und Schülern ein Grundwissen darüber gibt, welche gegen Mädchen- und Frauenrechte gerichteten Handlungen in Österreich verboten sind. Zugleich gibt es aber auch markante Wissenslücken. Weniger als 10 Prozent konnten alle abgefragten Handlungen richtig einordnen. Die meisten Schülerinnen und Schüler verfügen nicht über das nötige Wissen, um alle Situationen zu erkennen, in denen ihre Rechte bedroht sind.
SOS MItmensch-Studie: Grafik zum Wissen über Handlungen, die in Österreich verboten sind, weil sie sich gegen Menschenrechte richten
Geringes Wissen über Beratungs- und Schutzeinrichtungen
Nur gering ausgeprägt ist das Wissen der Schülerinnen und Schüler über Einrichtungen, die Beratung und Hilfe anbieten: Mehr als ein Drittel hat keine Idee, wer generelle Beratung anbietet, und zwei Drittel haben keine Idee, wer ihnen helfen kann, wenn sie zu Hause oder auf der Straße von sexueller Belästigung oder Gewalt betroffen sind. Bekannteste Beratungseinrichtung ist die „Rat auf Draht“-Hotline. Bekannteste Hilfseinrichtung bei Gewaltvorfällen ist die Polizei.
Zahlreiche Wünsche der jungen Menschen
Die Schülerinnen und Schüler wurden auch nach ihren Wünschen gefragt. Gleichbehandlung und Gleichstellung im Alltag und im Beruf stehen ganz oben auf ihrer Wunschliste. Auch das Schließen der Lohnschere ist für die jungen Menschen ein wichtiges Anliegen. Oftmals genannt wird darüber hinaus die Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Des Weiteren wird die Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit von Mädchen und Frauen als Wunsch genannt und das Ende von Klischeedenken über Frauen gefordert.
SOS MItmensch-Studie: Auswahl einiger der Wünsche, die von den befragten Schülerinnen und Schülern geäußert wurden
Informationsoffensive an Schulen notwendig
Laut SOS Mitmensch zeige die Erhebung deutlich, dass bei der Information junger Menschen akuter Handlungsbedarf bestehe. „Politische Lippenbekenntnisse, dass die Gleichstellung von Frauen und das Empowerment von Mädchen wichtig seien, sind nicht genug. Es braucht Bewusstseins- und Stärkungsarbeit von früh an, um die Verletzung von Mädchen- und Frauenrechten abzuwehren. Wissenslücken machen die jungen Menschen verwundbar“, fordert SOS Mitmensch-Sprecher Pollak die Politik zu einer Informationsoffensive an Schulen auf und empfiehlt die von SOS Mitmensch unter Einbeziehung von ExpertInnen gestaltete Informationsbroschüre als Ausgangspunkt.
Ilse Rollett: Schule hat große Bedeutung für Mädchen- und Frauenrechte
Die große Bedeutung von Schulen bei der Vermittlung von Mädchen- und Frauenrechten wird auch von Ilse Rollett, Direktorin der AHS Rahlgasse, hervorgestrichen: „Schule hat für die Vermittlung von Wissen und Bewusstsein in Bezug auf Mädchen- und Frauenrechte eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, vor allem für jene Kinder und Jugendlichen, die in bildungsfernen Familien aufwachsen. Das große Interesse der 13 bis 15-jährigen Mädchen und Buben am Thema bei gleichzeitig unterschiedlich ausgeprägtem Informationsstand muss für uns Auftrag sein, uns des Themas intensiver anzunehmen.“ Rollett betont, dass die Schule wissensorientiert, handlungsorientiert und persönlichkeitsstärkend handeln müsse, wenn notwendig auch gegen familiäre oder gesellschaftliche Widerstände.
Ilse Rollett, Direktorin der AHS Rahlgasse
Angelika Eisterer: Mädchen und Burschen stärken
Angelika Eisterer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser unterstreicht die hohe Aussagekraft der Erhebung von SOS Mitmensch: „Viele SchülerInnen wollen mehr über Gewalt und Mobbing gegen Mädchen und Frauen wissen und darüber, was man dagegen tun kann. Viele SchülerInnen wollen auch mehr über Beratungs- und Schutzeinrichtungen erfahren. Wir setzen genau an diesen Punkten an und stärken Mädchen und auch Burschen und vermitteln umfassende Informationen über Gleichstellung sowie über Beratungs-, Hilfs- und Schutzeinrichtungen.“ Eisterer verweist auf eine EU-Studie aus dem Jahr 2014, laut der nur jede fünfte Frau in Österreich wisse, wohin sie sich bei Gewalt wenden kann. „Die Erhebung von SOS Mitmensch ebenso wie die EU-Studie sind ein Appell an uns und vor allem an die Politik, mehr in umfassende Informationskampagnen und flächendenkende Gewaltpräventionsworkshops zu investieren. Schülerinnen und Schüler sind dabei eine wichtige Zielgruppe“, betont Eisterer.
Angelika Eisterer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser
Offensivere Vermittlung von Mädchen- und Frauenrechten
Margarete Bican, Geschäftsführerin des Vereins Sprungbrett, konstatiert, „dass in unserer Gesellschaft Gleichberechtigung und Gleichbehandlung noch immer nicht angekommen sind“. Daher müsse die Vermittlung von Mädchen- und Frauenrechten wesentlich offensiver stattfinden als dies bisher der Fall sei. „Über die eigenen Rechte gut Bescheid zu wissen, macht stark und sicher. Daher sind Angebote im Präventionsbereich so wichtig – von einer Berufsorientierung, die selbstverständlich alle Berufe mit einschließt, bis hin zur Gewaltprävention und Empowerment“, so Bican. Und sie verweist auf die Arbeit des Vereins Sprungbrett, „wo wir jeden Tag feststellen müssen, dass es diese Arbeit dringend braucht.“ Bican ergänzt: „Leider laufen wir aber Gefahr, gekürzt zu werden - so wie derzeit viele andere Einrichtungen im Mädchen- und Frauenbereich. Die Ergebnisse der Studie von SOS Mitmensch zeigen jedoch einmal mehr, dass hier nicht weniger, sondern mehr finanzielle Mittel fließen müssen.“
Margarete Bican, Geschäftsführerin des Vereins Sprungbrett
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