Meine Lehre in Österreich - Saleha Rezai: „Ich habe nie aufgegeben!“
Saleha Rezai flüchtete als Kind aus Afghanistan. 2017 kam sie nach Österreich. Nach ihrer Ankunft begann sie sofort damit Deutsch zu lernen und den Pflichtschulabschluss zu machen. Sie setzte sich gegen die Skepsis des AMS durch. Heute absolviert die 20-Jährige in Wien eine Lehre als Bankkaufrau, ihr Traumberuf, wie sie sagt.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Karin Wasner
Lange auf der Flucht
„Ich bin 2017 nach langer Flucht in Österreich angekommen. Damals war ich 16 Jahre alt. Ich komme aus Afghanistan. Meine Mutter und meine Geschwister sind im Krieg gestorben. Ich war vier Jahre in Pakistan, erst mit meinem Vater, dann alleine. Er ist weiter nach Österreich geflüchtet und hat mich nachgeholt. Meinen positiven Asylbescheid habe ich innerhalb einer Woche bekommen.
Selbstbewusst zum Abschluss
Ich habe dann sofort mit einem Deutschkurs angefangen. Erst A1 dann B1. Gleichzeitig wollte ich an der VHS auch meinen Pflichtschulabschluss machen. Die vom AMS wollten das erst nicht. Sie meinten, ich würde das nicht schaffen und sollte lieber nur einen Kurs machen. Ich habe gesagt, ich schaffe das sicher. Die Abmachung war dann, dass ich die Kosten für den B1 Kurs zurückzahlen muss, wenn ich ihn nicht schaffe. Als ich dann mit gutem Erfolg abgeschlossen hatte, bin ich nochmal zum AMS gegangen und habe es ihnen erzählt. Sie haben gelacht und gesagt, du bist die Einzige, die so selbstbewusst war, das zu machen.
„Das werde ich ihr nie vergessen“
Nach dem Pflichtschulabschluss bin ich zu lobby.16 gegangen. Ein Freund hatte mir von dem Projekt erzählt. Dort hatten wir in drei Klassen zu je 12 bis 15 Personen einen fünfmonatigen Kurs mit Deutsch, Mathe, Englisch und Bewerbungstraining. Meine Beraterin war Sarah. Sie ist die Beste. Sie hat mir sehr viel geholfen und das werde ich ihr nie vergessen. Allein hätte ich das nicht geschafft. Ich möchte mich wirklich bei lobby.16 bedanken, dass sie mir geholfen haben meinen Traumjob zu finden.
„Es macht mir viel Spaß in meiner Arbeit“
Ich mache eine Lehre in der Bank Austria als Bankkauffrau. Ich habe mein erstes Lehrjahr schon mit ausgezeichnetem Erfolg absolviert. Es macht mir viel Spaß in meiner Arbeit, besonders mit den Kunden zu agieren und helfen zu können. Im ersten Lehrjahr habe ich viel über Kundenkontakt gelernt, aber auch Themen wie Kontoeröffnung oder Onlinebanking. Wir durften noch nichts alleine machen, aber im zweiten Lehrjahr können wir schon selbstständiger arbeiten. Im dritten und letzten Lehrjahr geht es dann um Finanzierung und Beratungen.
„Distance Learning war sehr schwierig“
Die Berufsschule im ersten Lehrjahr war zweimal pro Woche, aber das Distance Learning war sehr schwierig für mich, vor allem wegen der Sprache. Auf dem Stundenplan standen Allgemeine Wirtschaftslehre, Betriebs-Bank-Lehre, Informatik, politische Bildung, Deutsch und Englisch. Zum Glück war meine Lehrerin sehr nett und sie und meine Ausbildnerin bei der Bank haben mir viel geholfen.
„Anfangs habe ich mich nicht getraut, laut zu reden“
Anfangs war der Kundenkontakt nicht einfach für mich. Ich habe mich nicht getraut, laut zu reden und wenn man nicht laut redet, dann denken die Kunden, man weiß nichts und ignorieren einen. Ich habe das dann aber alles in der Schule, durch meine Kollegen und meine Ausbildnerin gelernt. Jetzt liebe ich den Kontakt mit den Menschen. Ich bin in jedem Lehrjahr in einer anderen Filiale, was aufregend und herausfordernd ist, weil ich immer neue Kollegen und ein neues Arbeitsumfeld habe.
„Ich will auch meine Matura machen“
Bankkauffrau war von Anfang an mein Traumberuf. Viele haben mir gesagt, es ist zu schwierig, du findest keine Lehrstelle. Aber lobby.16 hat mir sehr viel geholfen und an mich geglaubt. Ich will gerne bei der Bank Austria bleiben, wenn die Bank das auch will. Ich werde auch meine Matura machen, aber erst nach dem dritten Lehrjahr. Jetzt will ich mich ganz auf die Lehre konzentrieren.
Führerscheinkurs im Urlaub
Gerade habe ich zwei Wochen Urlaub und die nutze ich, um meinen Führerschein zu machen. Ich habe einen Intensivkurs jeden Tag von vier bis sieben Uhr. Mein Vater, mit dem ich hier in Wien zusammen wohne, sagt immer, du lernst die ganze Zeit nur, mach doch mal etwas anderes. Aber ich will meine Zeit nutzen und ich brauche den Führerschein. Außerdem muss mein Freund sowieso arbeiten, deshalb bleibe ich in Wien.
„Ich habe nie aufgegeben“
Viele Leute sagen, du kannst das nicht, du schaffst das nicht. Aber das bin ich. Ich weiß, was ich machen kann und was nicht. Ich habe nie aufgegeben. Man muss selbstbewusst sein und nicht denken, ich kann das nicht. Nichts ist unmöglich. Ich habe nie aufgegeben und ich gebe auch in Zukunft nicht auf. Ja, ich kann das machen!"
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der 9-teiligen Porträtreihe „Meine Lehre in Österreich“ erzählen junge Frauen und Männer, wie sie nach ihrer Flucht ihre Lehrstelle gefunden haben und wie sie ihre Ausbildung erleben. Ihre Geschichten zeigen die Hürden und Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft konfrontiert werden. Es sind aber auch Erfolgsgeschichten von genutzten Chancen, Freundschaft und Menschlichkeit. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte.
SOS Mitmensch kämpft weiter für den Zugang zu Lehre und Arbeit für Asylsuchende und für ein Ende der Abschiebung von Menschen, die sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben!
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