
Michael Ludwig am Betonweg
Der Kommentar der Klimaaktivistin Lena Schilling (Fridays for Future) entstand zwei Tage vor der Räumung des Lobau-Camps gegen die „Stadtstraße“. Warum setzt die Stadt Wien statt auf Gespräche lieber auf Klagen und Räumung? Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Lena Schilling
Während seit über fünf Monaten die Baustellen der „Stadtstraße“ stillstehen und hunderte Menschen gegen rückschrittliche Klimapolitik aufstehen, fährt die Stadt Wien seit Monaten einen Eskalationskurs. Bürgermeister Michael Ludwig und Stadträtin Ulli Sima präsentieren sich seit Mitte Dezember als Betonierer-Fraktion, die nicht bereit ist, auch nur einen Millimeter von ihren fossilen Großprojekten abzuweichen. Seit Anfang des Protests wurden der Stadt Wien unzählige Gesprächsangebote gemacht, die sie aber nicht wahrgenommen hat. Stattdessen spitzen Ludwig und Sima den Konflikt weiter zu.
Mitte Dezember wurde das erste Mal die Räumung der besetzten Baustelle in der Hausfeldstraße angekündigt. Nur wenige Tage später gingen die ersten Klagsandrohungen an Aktivist*innen. Amnesty Austria beurteilte das als Menschenrechtsverstoß, als „SLAPP Klagen“ (strategic lawsuit against public participation), die zur Einschüchterung kritischer Stimmen gedacht sind. Diese Klagen erhielten auch Künstler*innen, Minderjährige und Personen, die auf Twitter „mentale Unterstützung“ leisten. Den Versuch, Menschen, die sich zu politischen Ereignissen und Debatten äußern, einzuschüchtern, halte ich für eine klare Absage an die Demokratie. Als die Medien von den Klagsandrohungen berichteten, entschuldigte sich Sima bei einem 13- und einem 14-jährigen Mädchen, die die Briefe „irrtümlich“ erhalten hätten. Erst in der Folge dieser Geschichte kam es zu einem ersten Kennenlernen der Stadträtin mit uns Aktivist*innen. Für uns ist klar, dass gesellschaftlich relevante Themen wie Mobilität in Wien debattiert und gemeinsam verhandelt werden müssen. Die Frage ist aber: Lassen sich mit der Androhung einer Millionenklage und monatelangen öffentlichen Attacken gegen Aktivist*innen überhaupt Gespräche auf Augenhöhe führen?
Aus diesem Grund haben wir eine unabhängige Moderatorin organisiert und der Stadt mehrere Gesprächstermine angeboten, die von der Stadträtin allesamt abgelehnt wurden. Stattdessen hat man uns eine Woche lang täglich einen Gesprächstermin für den jeweils nächsten Tag angeboten, um den Druck zu erhöhen. Zum ersten Gesprächstermin hat man uns erklärt, dass es lediglich um den Abzug der Besetzer*innen gehen sollte, während die SPÖ nicht bereit war, über klimagerechte Mobilitätslösungen zu sprechen. Das war für uns kein ernsthaftes Angebot. Angesichts der Klimakrise können wir alle es uns schlichtweg nicht leisten, darüber zu diskutieren, ob wir die notwendigen Maßnahmen setzen, um diese Krise einzudämmen, sondern wir müssen diskutieren, wie wir Wien zukunftsgerecht gestalten.
Und was macht die SPÖ Wien? Sie hält daran fest, mitten in der Klimakrise eine Stadtautobahn zu bauen. Und sie droht Umweltministerin Leonore Gewessler, mithilfe einer Klage die Realisierung der Lobau-Autobahn samt Tunnel unter dem Nationalpark doch noch durchzusetzen. Die Klimabewegung hat sich davon jedenfalls nicht einschüchtern lassen. Sie tritt seit Monaten entschlossen für eine klimagerechte und mutige Politik ein und ist der Beweis dafür, dass es sich manchmal lohnt, für Gerechtigkeit aufzustehen und sich dafür auch vor einen Bagger zu stellen. Die LobauBleibt-Bewegung hat einen historischen Erfolg errungen und ist die längste Besetzung für ökologische Ziele in Österreich, wobei die SPÖ leider auch in diesem historischen Kampf auf der falschen Seite gestanden ist.
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