Stützen der Gesellschaft – Mohammad Akbari, Landwirt & Imker: „Ich habe viel von den Bienen gelernt“
Mohammad Akbari floh vor acht Jahren aus dem Iran nach Österreich. Er absolvierte die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter und arbeitet jetzt in einem Bio-Betrieb und betreibt eine Hobby-Imkerei. Für das Gespräch führt er in den Innenhof seines alten Bauernhofs, wo er, vom Summen seiner Bienen begleitet, seine Geschichte erzählt.
Redaktion: Sonja Kittel, Fotos: Hamid Hamzehei
„Meine Fluchtgeschichte ist eine sehr traurige“
„Ich heiße Mohammad Akbari, ich bin 36 Jahre alt und lebe seit acht Jahren in Österreich. 2016 bin ich aufgrund der politischen Lage aus dem Iran geflüchtet, ganz alleine. Meine Fluchtgeschichte ist eine sehr traurige, und da ich eigentlich ein positiver Mensch bin, rede ich nicht gerne darüber. Ich war über 5.000 Kilometer unterwegs, das meiste zu Fuß und ich habe alles gesehen. Viele Menschen sind gestorben und es war Chaos. Ich bin Gott dankbar, dass ich noch lebe. Meine Familie, ich habe vier Geschwister, kommt aus Isfahan. Mein Vater hatte dort eine Landwirtschaft mit 120 Hektar, mit 300 Kühen und Schafen. Ich hatte im Iran Bodenkultur studiert und in der Landwirtshaft mitgearbeitet.
Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter
Nach meiner Flucht kam ich erst nach Traiskirchen und dann nach Eisenstadt. Über ein Jahr habe ich auf meinen Asylbescheid gewartet und auf einen Platz in einem Deutschkurs. Zum Glück habe ich über die Kirche sehr gute Freunde gefunden und Kontakt zu Österreicher:innen geknüpft, die mich unterstützt haben und mir auch beim Deutsch lernen geholfen haben. Nachdem ich den positiven Asylbescheid bekommen hatte, habe ich erst viel ausprobiert. Ich war in Innsbruck, in Wien und in Graz, aber ich merkte schnell, dass mir die Natur fehlt und ich nicht in einer großen Stadt leben will. Deshalb bin ich zurück ins Burgenland. Ich habe eine Wohnung in der Nähe von Oberwart gefunden und dann auf der Fachhochschule die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter gemacht. Nach dem Abschluss habe ich einen guten Job in der Landwirtschaft gefunden. Mein Chef betreibt eine Biogasanlage, er züchtet Schafe, macht Uhudler und viele andere Dinge. Ich bin dort überall im Einsatz und habe sehr viel von ihm gelernt.
„Mittlerweile habe ich 40 Bienenstöcke“
Freunde haben mich dann ermutigt ein eigenes Haus zu kaufen, anstatt in einer Mietwohnung zu leben, und ich habe diesen alten Bauernhof in Großpetersdorf gefunden, der mir sofort gefallen hat. Ich habe ihn übernommen und viel Arbeit investiert. Ich wollte dann auch selbst eine kleine Landwirtschaft haben, aber für Schafe oder Kühe braucht man Platz, deshalb bin ich auf die Idee gekommen, eine Hobby-Imkerei zu starten. Ich lernte Rainer Klien von SOS Mitmensch Burgenland kennen, der mir die Möglichkeit gab, auf seinem Grundstück Bienenstöcke aufzustellen. Mittlerweile habe ich vierzig Bienenstöcke dort und bei mir und einige gute Kunden, die mir den Honig und andere Produkte, wie Seife, Met oder Kerzen abkaufen. Ich habe vorher eine Imkerschule besucht und brauchte eine Betriebsnummer im Verbrauchergesundheitsinformationssystem, eine Versicherung, und die Mitgliedschaft bei einem Imkerverein. In Österreich gehört diese Bürokratie dazu, das weiß ich jetzt.
„Ich möchte die Imkerei weiter ausbauen“
Die Betreuung der Bienen macht sehr viel Arbeit. Ich muss die Stöcke auf Krankheiten kontrollieren, Ableger machen, den Honig schleudern und abfüllen und noch vieles mehr. Im Frühling ist der erste Honig im Burgenland der Rapshonig, dann kommt Akazienhonig, Lindenhonig, Sonnenblumenhonig und im Herbst dann der Buchweizenhonig. Man muss sehr genau arbeiten. Dabei habe ich viel von den Bienen gelernt. Sie sind so fleißig und haben kein Wochenende. Die Bienen sind so wichtig für die Natur und der Honig ist das beste Medikament, das es gibt. Meine Produkte verkaufe ich unter dem Namen‚ „Pertikan“. Das ist der Name einer Ortschaft im Iran, wo meine Volksgruppe lebt. Ich möchte die Imkerei immer weiter ausbauen und hoffe irgendwann 4.000 statt 40 Bienenstöcke zu haben. Ich setzte dabei auf gute Qualität, so wie es mein Vater mit seiner Landwirtschaft im Iran macht, und mein Chef hier in Österreich. Dann will ich nicht mehr 250 Gramm, sondern tonnenweise Honig verkaufen.
„Ich habe hier Wurzeln geschlagen“
Mein Motto ist „ohne Bremse, ohne Grenze“. Wir könnten Großpetersdorf zum Zentrum des Honigs in ganz Europa machen. Ich bräuchte dafür nur etwas mehr Solidarität von den Bauern und die Hilfe von Österreich. Wenn die Bauern hier in der Gegend auf Bio umstellen würden, beziehungsweise sich mit Pestiziden und Dünger an die Bienen anpassen könnten, wäre das sehr hilfreich. Von Österreich brauche ich Hilfe bei der Vermarktung. Hier in meinem Garten steht ein ungefähr 200 Jahre alter Nussbaum. Im Boden sind seine Wurzeln, dann kommt der Stamm, die Äste und die Blätter. Im Herbst kann ich seine Früchte ernten. Alles gehört zusammen und der Baum braucht jeden dieser Teile, um zu leben. Auch ich habe hier Wurzeln geschlagen und ein Fundament geschaffen. Aber ich brauche jetzt den Zusammenhalt und die Unterstützung, wie der Baum die Nährstoffe, damit mein Plan funktionieren kann. Ich bin Imker und produziere hundertprozentig natürlichen Honig. In vielen Geschäften wird aber Honig aus dem Ausland verkauft, der zu mehr als der Hälfte aus Sirup besteht. Das muss so nicht sein.
„Sage manchmal, ich bin 8 Jahre alt“
Natürlich gibt es auch Dinge, die nicht so einfach sind. Zum Beispiel, dass ich für die Staatsbürgerschaft eine B2 Prüfung vorlegen muss. Ich arbeite momentan Montag bis Freitag von 7 Uhr bis 16 Uhr und öfters auch länger. Dann muss ich mich um meine Bienen und den Hof kümmern und es bleibt wenig Zeit, um für die Prüfung zu lernen. Ich habe hier eine Facharbeiter-Ausbildung gemacht und arbeite schon lange in Österreich. Warum das als Deutschnachweis nicht reicht, kann ich nicht verstehen und auch die Frau auf der Behörde konnte es mir nicht erklären. Aber es ist Gesetz und ich werde auch das schaffen. Wenn mich jemand fragt, wie alt ich bin, sage ich manchmal: „8 Jahre alt“, denn ich bin vor acht Jahren nach Österreich gekommen und da war alles neu. Die Kultur, die Menschen, die Sprache, das System. Aber ich hatte einen starken Willen und ein Ziel. Diese Mentalität hat mir geholfen weiterzumachen und Schwierigkeiten zu überwinden. Ich bin hier in einem freien Land und kann mich in meinem Fach weiterentwickeln. Für den Erfolg gibt es keinen Lift, man muss die Treppe nehmen und ich bin bereit dafür, Stufe für Stufe nach oben zu steigen.“
Sie mussten aus ihrem Heimatland fliehen und fast alles zurücklassen. Jetzt arbeiten sie in Österreich in einem systemrelevanten Beruf und zählen zu den Stützen der österreichischen Gesellschaft. In der 11-teiligen Porträtreihe „Stützen der Gesellschaft“ erzählen geflüchtete Menschen, wie sie unter oft sehr schwierigen Bedingungen einen Neuanfang geschafft haben, und welche Wünsche und Ratschläge sie haben. Wenn Sie Geflüchtete unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte. Alle bereits veröffentlichten Porträts der aktuellen Reihe sowie unsere Porträtreihen der letzten Jahre sind hier nachzuschauen: www.hierangekommen.at
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