Mulham Al Fayyad: "Die Chance bekommen, zu zeigen, was man drauf hat!"
Wer sind die Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind und sich hier ein neues Leben, fernab von Krieg und Verfolgung aufbauen? Immer mehr von ihnen schaffen es, hier Fuß zu fassen. Viele haben inzwischen einen Job gefunden. Um diesen Menschen eine Stimme und ein Gesicht zu geben, haben wir Gespräche mit Geflüchteten geführt. Wir stellen sie in der Reihe „Ich lebe und arbeite in Österreich“ vor. Heute: Mulham Al Fayyad, 32, syrischer Pass.
„Ich arbeite bei A1 Telekom Austria als International Carrier Relations Manager und bin in einem Team von neun Leuten zuständig für Beziehungen mit Telekommunikationsfirmen auf der ganzen Welt. Mein Zuständigkeitsbereich liegt in der arabischen Welt und in Westeuropa“, erzählt Mulham Al Fayyad, der am 3. Juni 2015 seinen positiven Asylbescheid erhielt. „Seit Mai 2016, also schon über zwei Jahre, arbeite ich bei A1“, ergänzt er lächelnd.
Erster Job als ehrenamtlicher Übersetzer
„Diesen Job zu bekommen war mit keinen besonderen Hürden, wie sie andere Geflüchtete oft erfahren, verbunden. Ich habe keine Benachteiligungen im Rekrutierungsprozess erlebt“, erzählt er. Tatsächlich ist diese Arbeitsstelle nicht die Erste für Mulham in Österreich. Begonnen hat er seine Berufskarriere in diesem Land als ehrenamtlicher Übersetzer beim Roten Kreuz. „Danach habe ich zwei Angebote für eine Anstellung vom Roten Kreuz und vom Integrationshaus bekommen.“ Die Stelle als Berater im Integrationshaus war Mulhams erste bezahlte Anstellung in Österreich. „Im Integrationshaus habe ich nur ein Monat gearbeitet, da ich mich gerade mitten im Bewerbungsprozess für A1 befunden habe und letztendlich auch eine Zusage von A1 für meinen heutigen Job bekommen habe. Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut!“, erinnert er sich.
„Ich habe es einfach probiert“
Mulham studierte Wirtschaft in Damaskus und wollte auch wieder in diesem Bereich Fuß fassen. „Ich habe mich online beworben. Nach dem ersten Gespräch mit A1 hieß es, dass ich eventuell für das Graduate Programm in Frage komme. Das hat mich gewundert, weil ich acht Jahre Berufserfahrung mitgebracht habe und somit kein „klassischer“ Graduate, also frischer Uni-Absolvent, war“, lacht er. „Ich habe es trotzdem einfach probiert und es hat mir den Einstieg ins Unternehmen ermöglicht.“
Kinder wieder in die Schule bringen
Gemeinsam mit Freunden setzte Mulham noch vor seiner Ankunft in Österreich ein Hilfsprojekt für syrische Kinder um. „Es war uns ein Anliegen, die Kinder in Syrien zu unterstützen. Es gibt eine Generation, die nicht lernen kann, obwohl sie möchte! Für uns war daher wirklich wichtig, Schulen in Syrien wieder aufzubauen. Im Norden Syriens haben wir es geschafft, neun kleine Schulen wieder aufzubauen. Wir wollten das ohne Finanzierung durch andere Organisationen realisieren, weil sonst immer politische Agenden damit verbunden sind und wir das vermeiden wollten. Kinder sollen lernen – an neun Standorten ist es ihnen nun auch möglich.“
Fließend Deutsch
„Ich denke, was die Sprache betrifft, hat mir meine Arbeit beim Roten Kreuz sehr geholfen“, erzählt Mulham in fließendem Deutsch. Begonnen hat es mit einem syrischen Bekannten, der ihn bat, bei einem Termin mit dem Roten Kreuz zu übersetzen. Anfangs dolmetschte Mulham von Arabisch ins Englische. Da die Fragen immer die selben waren, traute er sich schrittweise immer mehr die Übersetzung ins Deutsche zu. Nach vier Monaten konnte er bereits problemlos Arabisch-Deutsch dolmetschen. „So habe ich angefangen, Deutsch zu lernen. Den ersten Deutschkurs habe ich also schon auf Niveau A2 begonnen und wurde beim nächsten Test bereits auf Niveau B2 eingestuft“, erzählt Mulham Al Fayyad nicht ohne Stolz.
Arbeit als Zeichen der Integration
„Eine Arbeit zu haben, hat für mich in Österreich eine andere Bedeutung als damals in Syrien. Früher hat mein Job mir finanzielle Sicherheit gegeben und auch Spaß gemacht. In Österreich kommt noch eine weitere Dimension dazu: einen Job auszuüben, bedeutet, Teil der österreichischen Gesellschaft zu sein. Wir zeigen dadurch, dass wir einen Mehrwert für die Community haben, indem wir unsere Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen. Man muss dazu aber auch die Chance bekommen, zu zeigen, was man drauf hat!
Ich denke es ist wichtig zu bedenken, dass durch den Krieg eine ganze Gesellschaft entwurzelt und vertrieben wurde. Wie jede Gesellschaft gibt es hier gebildete Leute, ungebildete Leute, gute Leute schlechte Leute, es gibt Ignoranz. Wichtig ist, nicht von vornherein alle in den selben Topf zu werfen.“
Krieg verändert alles
„Für die Zukunft von Syrien habe ich keine großen Erwartungen. Meine Generation hat ihr Land verloren. Auch wenn der Krieg vorbei ist, wird es nicht mehr wie vorher sein. Mein Syrien bestand nicht aus den Häusern und den Straßen. Die Menschen waren mein Syrien. Sie sind aber entweder tot oder fortgegangen und selbst die, die noch in Syrien sind, sind zu anderen Menschen geworden. Krieg verändert alles. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre es, dass es unser altes Syrien wieder gibt, aber besser, als es vorher war.“
Ermöglichen Sie mit einer Spende unsere weitere Menschenrechtsarbeit