
Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Nour El-Houda Khelifi, Illustration: Peja Dimitrova
Ein neuer Tag, eine weitere Reise. Für andere bedeutet Reisen Unbeschwertheit, relaxen, sich freuen, mit Leichtigkeit in den Urlaub hineinstarten. Und dann gibts mich. Für mich fängt der ganze Stress schon zuhause beim Packen an. Flughäfen bedeuten für mich nämlich nur Racial Profiling, Stress, Paranoia und noch mehr Racial Profiling. Bei meinem Handgepäck überleg ich´s mir dreimal, ob ich jetzt die eine Feuchtigskeitscreme brauche oder nicht. Ja sogar bei meiner Outfitwahl muss ich mir darüber den Kopf zerbrechen, was „nett“ aussieht und nicht nach Djihad-Couture aussieht. Schwarzes Kopftuch also ein No-Go, genauso wie schwarze Oberteile oder Hosen. Ich möchte unbedingt den Look vom Mädl nebenan kreieren, um bloß keine Aufmerksamkeit bei den Security-Check Menschen zu erregen. Sogar an bügellose BHs denke ich, damit dieses gottverdammte Teil, durch das man hindurchgehen muss, nicht immer penetrant aufpiept. An dem besagten Tag war es dann doch ein schwarzer Kapuzenpulli, aber mit einem kleinen süßen floralen Muster von der Schulter abwärts. Und so sehr ich mich auch mental vorbereite, wenn ich in der Schlange vom Security-Check stehe und schon alles vorbereite, meine Taschen leere, sie dreimal kontrolliere, ob sie auch leer sind und mein Handgepäck eigentlich besser inspiziere, als die Menschen deren Aufgabe das wäre. Wer wird mich heute ganz zufällig aus der Schlange ziehen und kontrollieren? Irgendwann komme ich also dran, laufe durch den Detektor durch und, nanonaned, piept das verdammte Teil. „Haaaalt, stop, einmal kurz zu mir hier auf der Seite!“ Mhhhhm, da ist er, der Wiener Charme. Keine Begrüßung, kein Entschuldigen Sie. Mit ausgebreiteten Armen stehe ich also da und ich spüre förmlich die Gedanken aller anderen um mich herum. Obwohl meine Arme nie abgetastet werden, muss ich trotzdem jedes Mal wie ein Hampelmann da stehen. Denn das einzige was abgetastet wird, ist mein Kopf. Selbst wenn ich irgendwas planen sollte, warum sollte ich es unter dem Kopftuch verstecken, das auffälligste aller Merkmale an mir? Wenn ich schon einen kriminellen Weg einschlage, dann einen genialen. Ich würd Sachen in Leberkäse schmuggeln, oder Grammeln und Schmalz. Dinge, die so banal sind, dass man nie im Leben drauf kommen würde. Aber wieder zurück zum Thema.
„Sammeln Sie Treuepunkte?“
Ich komme mir jedes mal wie ein Äffchen vor, dass von seiner Orang-Utan Mama am Kopf befingert wird, um irgendein Ungeziefer herauszupicken. Nachdem ich diese Schmach über mich ergehen lassen muss, wartet schon der nächste Endgegner auf mich und möchte mit einem Streifen meine Kleidung und meinen Koffer auswischen, um mich auf Sprengstoffspuren zu kontrollieren. Manche dieser Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen denken, ich fliege zum ersten Mal oder spreche kein Deutsch, denn in 90 Prozent der Fälle, wo so ein Sprengstofftest bei mir ansteht, fangen sie einfach an und kündigen nicht an, was sie machen werden. Also kratze ich auch jedes Mal meinen Wiener Charme zusammen und frag´ ganz ungeniert, was das werden soll und warum seine Arbeitsschritte nicht ankündigt. Und ab da sind dann die besagten Personen entweder ganz höflich unterwegs oder eben nicht. Deswegen mein Vorschlag: Wäre schön, wenn man das System des Treuepunkte Sammelns auch am Flughafen einführen könnte. Mit all den Punkten die ich hätte, könnte ich Pfannen und Geschirr für 20 Haushalte einlösen.
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