
Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Nour El-Houda Khelifi
Der Wahlkampf für die Nationalratswahlen im September ist schon im Gange. Und natürlich ist ein mittlerweile typisch österreichischer Wahlkampf kein Wahlkampf, wenn der Islam und die Muslime nicht thematisiert oder besser gesagt dämonisiert werden. Mit Maria Stern, Parteivorsitzende von JETZT - Liste Pilz, wurden die Sommergespräche im ORF offiziell eröffnet. Auf die Frage, ob der Islam zu Österreich gehöre, kam die Antwort ganz klar und doch wieder unklar von der Parteivorsitzenden. Gemäßigter und politischer Islam, Frauen haben auch Rechte, Gleichberechtigung, Imame, Abschiebungen, Lehrlinge. Ich hab zuerst mal schlucken müssen, weil so viele Birnen, Äpfel, Kraut und Rüben auf einmal habe ich noch nie gesehen. Eine komische Melange bestehend aus Unwissen, gefährlichen Vorurteilen und wiedergekäuten Phrasen von Schwarzblau. Wer briefed diese Menschen eigentlich immer? Peinlich, im österreichischen Rundfunk über Dinge zu reden, die weder Hand noch Fuß haben.
Die Parteivorsitzende Stern meinte, dass Frauen und Männer in Österreich gleichgestellt seien. Imame, die also was anderes in ihren Predigten behaupten, gehören abgeschoben. Also ja, Frauen und Männer sind theoretischerweise in Österreich gleichberechtigt, aber wie gesagt, theoretischerweise. In puncto Arbeit, Gehalt, Ansehen in der Öffentlichkeit und so weiter und so fort herrschen immer noch seeeeehr große Lücken zwischen beiden Geschlechtern. Aber ich will mal nicht kleinlich sein. Wenn aber nur Imame abgeschoben werden sollen, die gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau predigen, warum nicht die Zielgruppe erweitern auf alle Menschen, die etwas gegen Gleichberechtigung haben? Dann würde Österreich ziemlich leer aussehen, wenn ich davon ausgehe, wieviele Patriarchen und Sexisten ich in meinen 25 Jahren schon begegnet bin. Sexismus ist kein muslimisches, sondern ein universelles Problem. Danach ging es in ihrer Rede um den gemäßigten Islam (der darf bleiben) und den politischen Islam (bitte nicht) Was ist ein gemäßigter Islam? Nur bis 12 Uhr fasten und dann ist Feierabend? Schweinshaxe ist haram, aber ein Viertel Most geht klar?
Weniger Islam, mehr Politik bitte!
Den einzigen politischen Islam den ich kenne, ist von all den Parteien die den Islam als Waffe im Wahlkampf missbrauchen. Ach ja, und die Leute die gut integriert sind und die Sprache können, dürfen natürlich bleiben. Wir sind hier nicht bei Austria’s Next StaatsbürgerIn, wo irgendwelche Menschen die Deutungshoheit an sich reißen und darüber entscheiden, wer in Österreich bleiben darf oder nicht. Menschen wie ich sind in Österreich geboren und aufgewachsen. Meine Muttersprache ist in erster Linie Deutsch, genauer gesagt Wienerisch. Und dann soll ich mir von Menschen wie Kurz, Strache oder eben Stern anhören, dass ich eh gut integriert bin und eh gut Deutsch kann. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Matthias Strolz zitiere, aber passt gerade: „Das ist uninspiriert!“ Und ja, gewisse Wahlkampfthemen sind uninspiriert ohne Ende. Und dafür, dass in Österreich angeblich Religion vom Staat getrennt werden soll, wird Religion sehr oft, ja schon viel zu oft auf politischer Ebene diskutiert. Ich würde lieber wissen, wie es um das Pensions- oder Bildungssystem in Österreich herrscht und was da die besagten Parteien verbessern möchten. Keinen Menschen interessiert’s, ob ich ein bisschen mehr Stoff trage oder einen Bogen um ein 16er Blech mache. In Österreich würde es um einiges besser zugehen und wir hätten keine vorgezogenen Wahlen, wenn bestimmte PolitikerInnen und Parteien sich weniger mit dem Islam beschäftigen und mehr mit essentiellen Themen wie Bildung, Gesundheit und Soziales würden. Die Islamdebatten werden weder meine noch Susannes oder Haralds Versicherung und Pension irgendwann später bezahlen. Dafür muss schon die Politik in Österreich sorgen. Also bitte, liebe österreichische Politik: moch was gscheits! Ich will mich nicht wieder gezwungen sehen, Strolz zu zitieren.
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