
Neues aus der Parallelgesellschaft
Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Nour El-Houda Khelifi
Österreichische Musliminnen und Muslime sollen sich zur österreichischen Verfassung und zum Rechtsstaat bekennen. Genau das forderte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bei einer Pressekonferenz im vergangenen Juli. Weiters ist die Rede von einer klaren Trennung zwischen Staat und Kirche (mimimi), wie gefährlich der „politische Islam“ (mimimimimi) ist, und wie begrüßenswert die „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ (mimimimimimimi) doch wäre. Außerdem ist eine weitere Antisemitismus-Studie geplant, weil der Antisemitismus insbesondere von muslimisch-migrantischen Menschen kommt. So viele Baustellen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Alleine der Fakt, dass ich mich als Österreicherin zur österreichischen Verfassung bekennen muss, ist nicht nur eine bodenlose Frechheit, sondern zeugt vom tief verankerten Rassismus und der antimuslimischen Haltung in diesem Land. Anstatt österreichischen Bürgerinnen und Bürgern wie mir ein Bekenntnis zum Rechtsstaat rausquetschen zu wollen, sollten wir das vielleicht mal von Kolleginnen und Kollegen von Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka verlangen. Wie wär’s, wenn wir uns mal die FPÖ genauer ansehen und da nachfragen, ob die Parteifunktionäre sich zur österreichischen Nation bekennen oder sich doch lieber Deutschnationale nennen? Wie wär’s, wenn wir HC Strache – ehemaliger Vize-Kanzler dieser Republik – fragen, wie er zum Rechtsstaat steht, bei all den Korruptionsvorwürfen, die gegen ihn vorliegen? Oder die ÖVP, sie erscheint jüngst selbst wieder in einem schiefen Licht, etwa durch Spendengeldflüsse, im Zuge des Wirecard-Betrugsfalls oder durch die Schwärzung von Unterlagen für den Ibiza-U-Ausschuss. Ist hier Korruption im Spiel? Und die FPÖ: Ihre Skandale sind immer wieder mit Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus, bis hin zur Nähe zu Neonazis und Holocaustleugnern, verbunden. Ich möchte an dieser Stelle auch sachte daran erinnern, dass vor dem Ibiza Skandal 40 Prozent der FPÖ-Parlamentarier einer Burschenschaft angehören. Im Parlament fände ich die Antisemitismus-Studie jedenfalls angebrachter. Dass die ÖVP auch immer wieder die antimuslimisch-rassistische Keule auspacken muss, wenn es politisch eng wird für sie, ist einfach nur erstaunlich. Man möge sich die letzten paar Jahre im Medienspiegel anschauen, welche politischen Skandale aufgekommen sind und wie durch Zauberei dann jedes Mal folgende Themen im Fokus standen: das Kopftuch; die Frage, ob Musliminnen und Muslime österreichisch sein können; islamische Kindergärten; das Islamgesetz; noch mehr Kopftuch; Dschihadismus; ein Antigesichtsverhüllungsgesetz und noch a bissl mehr Kopftuch; Halalfleisch; wieder Kopftuch, aber dieses Mal in Kombination mit Kindergarten und Schule. Bei der Besessenheit mit muslimischen Menschen und dem Islam habe ich die Befürchtung, dass Sebastian Kurz das Kalifat in Österreich ausrufen möchte. Das Problem in Österreich ist und war nie der „politische Islam“, sondern die Nähe und ideologische Überschneidung von Politikern mit Burschenschaften und rechtsextremen Ideologien. Und da frage ich mich mal ganz ungeniert: respektieren ÖVP und FPÖ die österreichische Verfassung? Frage für einen Freund.
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