
Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Nour El-Houda Khelifi
Die österreichischen Musliminnen und Muslime sind wütend, enttäuscht und vor allem unruhig. Grund dafür ist die Gründung der Dokumentationsstelle politischer Islam, welche 2020 von der ÖVP und den Grünen beschlossen wurde, um den politischen Islam zu erforschen und vor allem zu bekämpfen. Allein der Stab an Expertinnen und Experten, die an dieser Dokumentationsstelle tätig sind, ist umstritten und weist teilweise eine Geschichte auf, die von islamophoben Schlagzeilen mitgeprägt ist. Darüber hinaus haben wir bis heute keine einheitliche Definition davon, was der politische Islam ist und was ihn ausmacht. Wissenschaft, Politik, Medien, alle definieren den Begriff für sich selbst, wie er gerade passt, in der Regel sehr populistisch behaftet. Die in Österreich lebenden Musliminnen und Muslime stellen sich seitdem die Frage, warum nicht mit ihnen zusammengearbeitet wird, wenn tatsächlich eine Gefahr von einigen Menschen aus der eigenen Community ausgeht. Mit dieser Aktion werden Menschen, die sich als muslimisch identifizieren, erneut unter Generalverdacht gestellt und diesmal sogar auf institutioneller Ebene. Wenn der Leiter des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle sagt, dass „Islamophobie“ und „antimuslimischer Rassismus“ zu „Kampfbegriffen des politischen Islams“ geworden seien, dann ist das für marginalisierte Menschen wie ein Schlag ins Gesicht. Insbesondere sichtbare muslimische Frauen in Österreich standen in den letzten Jahrzehnten vermehrt im Visier von antimuslimischen Ressentiments. Hier wird eine religiöse Minderheit mit Steuergeldern diskriminiert und die Message übermittelt, dass es für muslimische Menschen einer eigenen Behörde bedarf. Die muslimische Community in Österreich zweifelt zurecht an der Objektivität der Dokumentationsstelle. Da müssen wir uns auch die Frage stellen, was die Intention solch einer Stelle ist. Geht es darum in Österreich lebende Musliminnen und Muslime unter Generalverdacht zu stellen und sie dabei erst recht in eine Parallelgesellschaft zu drängen? Oder geht es vielmehr darum Extremismus und Gewalt jeglicher Couleurs zu bekämpfen?
Antimuslimischer Rassismus in Österreich existiert
Insbesondere uns junge Menschen trifft es hart. Wir werden politisiert schubladisiert. Viele Freundinnen haben aus Angst das Kopftuch abgelegt. Andere, die nicht als muslimisch gelesen werden, verstecken ihre Religion im Freundeskreis oder in der Arbeit, aus Sorge, stigmatisiert zu werden. Auch ohne diese Dokustelle war man als muslimischer Mensch bereits vorurteilsbehaftet. Was die Politik vorgibt, müssen wir im Alltag versuchen aufzudröseln und aufzuklären. Das kostet eine Menge Zeit, Kraft und vor allem Lebensenergie. Wir sind auch mit Schule, Uni, Arbeit, Familie, Freundeskreis und den Umständen in der Pandemie beschäftigt. Islamophobie und (antimuslimischer) Rassismus stören unsere Träume, Ziele und unsere individuelle Entfaltung. Und vor allem macht uns das ohnmächtig. Ohnmächtig, weil politische Teilhabe fast unmöglich wird.
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