
Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Nour El-Houda Khelifi
Operation Luxor - eine der größten Kriminaloperationen in den letzten Jahren in Österreich. Auf die groß inszenierte Razzia gegen angebliche Anhänger der Muslimbruderschaft im November 2021 folgt nur noch Grillenzirpen. Während Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sich damit wahrscheinlich einen riesigen Erfolg und tosenden Applaus im Kampf gegen den Terror erhofft hatte, schlagen in den vergangenen Monaten nur noch die langwierigen Ermittlungen sowie Beschwerden der rund 30 Beschuldigten zu Buche. Die parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Stephanie Krisper (NEOS), ob bereits strafrechtlich relevante Informationen zutage gekommen sind, will Innenminister Nehammer bis dato nicht beantworten.
Insgesamt waren durch die Hausdurchsuchungen während der Operation Luxor 130 Personen betroffen, darunter 60 Kinder und Jugendliche, die anwesend waren, als die Razzia stattfand. Man sei, laut Innenministerium, schonend vorgegangen, die posttraumatischen Belastungsstörungen bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen sprechen aber eine andere Sprache. Viele Fragen rund um diese Operation sind und werden nicht beantwortet. Weswegen sich hier die Frage stellt: Warum? Warum will das Innenministerium nicht transparent arbeiten, sofern es die gegebenen Umstände erlauben? Wieso erfahren hochrangige Politikerinnen wie die Justizministerin Alma Zadic (Grüne) erst über die Medien von der Razzia? Wenn das der Kampf gegen den Terror sein soll, warum muss immer auch die unschuldige Mehrheit betroffen sein oder darunter leiden?
Damoklesschwert Terrorismusvorwurf
Nachdem die Operation Luxor und die damit zusammenhängenden Geschichten publik wurden, gab es bei mir, sowie in der österreichisch-muslimischen Community innerlich erneut einen Knacks. Es ist nahezu unmöglich dieses Gefühl zu beschreiben, wenn man tagtäglich mit einem Generalverdacht leben muss. Es ist wie das Damoklesschwert, das einen begleitet, man könnte ja schließlich auch ohne etwas Verbrochen zu haben zum Ziel brutaler Amtshandlungen werden oder nicht nachvollziehbar beschuldigt werden. In einer Pressekonferenz im November letzten Jahres beteuert Innenminister Nehammer, dass man besonders auch Musliminnen und Muslime vor radikalen Extremisten schützen möchte. Gerade als junge Person, die mit antimuslimischen Ressentiments aufgewachsen ist, Stichwort Generation Strache, kann ich so einem Statement nicht viel abgewinnen.
Österreichische Jugendliche, die sich als muslimisch identifizieren, sehen das genauso. Besonders auf den Social-Media Kanälen wie Instagram taucht immer dieselbe Frage auf, die niemand diesen Menschen beantworten kann: Wie kann ich denn glaubhaft machen, dass ich nicht terroristisch bin? Aufgrund eines Identitätsmerkmals dämonisiert und als terroristisch abgestempelt zu werden, das tut weh - egal wie alt man ist. Damit umzugehen ist schwer. Wenn das Hauptziel aber wirklich der Kampf gegen den Terror ist, dann müssen ausschließlich die Radikalen im Fokus stehen. Und keine österreichischen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die Teil der Gesellschaft sind und Teil der Gesellschaft sein wollen. Ausgrenzung aus politischer Sicht hat noch nie etwas Gutes bewirkt.
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