Österreich soll humanitäre Aufnahme wiederbeleben!
SOS Mitmensch startet eine Initiative für die Wiederbelebung humanitärer Aufnahmeprogramme in Österreich. Österreich ist derzeit eines von nur vier Ländern in der EU, die in den vergangenen drei Jahren keine einzige besonders schutzbedürftige Person durch ein humanitäres Aufnahmeprogramm aufgenommen haben. Das wird der langen humanitären Tradition Österreichs nicht gerecht.
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Humanitäre Tradition in Gefahr
„Wir sehen die jahrzehntelange humanitäre Tradition Österreichs in Gefahr. In den vergangenen Jahren wurden alle Programme zur aktiven Aufnahme besonders verletzlicher und schutzbedürftiger Menschen gestoppt. Diese antihumanitäre Blockade, die inzwischen so weit geht, bedrohte Frauenrechtsaktivistinnen nicht mehr ins Land zu lassen, wollen wir beenden“, erklärt Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, das Ziel der Initiative.
Sprecher Alexander Pollak eröffnet die Pressekonferenz zum Start der humanitären Aufnahmeinitiative von SOS Mitmensch.
Seit 2018: Aufnahmerate von Null
Laut Berechnungen von SOS Mitmensch lag Österreich in den vergangenen zehn Jahren mit einer humanitären Resettlement-Aufnahmerate von 1,5 besonders schutzbedürftigen Personen auf 10.000 Einwohner*innen deutlich hinter anderen europäischen Ländern wie Norwegen (Aufnahmerate von 35), Schweden (26,5), Finnland (15) oder Luxemburg (6). Seit 2018 liegt die Aufnahmerate Österreichs laut SOS Mitmensch bei null. Österreich sei damit eines von nur vier Ländern in der EU, die in den vergangenen drei Jahren keine einzige besonders schutzbedürftige Person durch ein humanitäres Aufnahmeprogramm aufgenommen haben, kritisiert die Menschenrechtsorganisation.
Positive Erfahrungen mit humanitärer Aufnahme
SOS Mitmensch-Projektleiterin Magdalena Stern verweist auf die positiven Erfahrungen, die Österreich mit den zwischen 2013 und 2017 durchgeführten humanitären Aufnahmeprogrammen für syrische Geflüchtete gemacht habe. So sei das österreichische Aufnahmeprogramm etwa für die Syrerin Salma Youssef und ihre Familie eine rettende Hand gewesen.
Projektleiterin Magdalena Stern stellt die humanitäre Aufnahmeinitiative von SOS Mitmensch vor.
Salma Youssef: „Kindern bleiben schlimme Erlebnisse erspart“
„Wir konnten dank des Aufnahmeprogramms mit dem Flugzeug nach Österreich kommen und es gab hier jemanden, der auf uns gewartet hat und uns geholfen hat. Ich will gar nicht daran denken, wie es Menschen und insbesondere Kindern geht, die wochen- oder monatelang hungrig, schmutzig, verängstigt und ohne klare Perspektive unterwegs sind“, erzählt die 40-jährige Englischlehrerin, die 2015 nach Österreich kommen konnte. Vor allem Kindern würden durch die geregelte Aufnahme schlimme Erlebnisse erspart bleiben, plädiert Youssef für eine Wiederaufnahme des Programms.
Die 2015 über Resettlement nach Österreich gekommene Englischlehrerin Salma Youssef plädiert mit Nachdruck dafür, humanitäre Aufnahmeprogrammen in Österreich wiedereinzuführen.
Prof. Manfred Nowak: „Legale Wege drängen Schlepperei zurück“
Auch mehrere renommierte Expert*innen unterstützen die Initiative für ein neues österreichisches humanitäres Aufnahmeprogramm. Der Menschenrechtsexperte Prof. Manfred Nowak betont, dass humanitäre Aufnahme und Resettlement „zur Flüchtlingspolitik dazugehören“. Österreich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, so Nowak. „Es ist wichtig, Geflüchteten einen legalen Weg nach Europa und auch nach Österreich anzubieten. Das wird langfristig gesehen auch die Schlepperei zurückdrängen“, so Nowak, der ein politisches Umdenken hin zu „geregelten Zugangswegen“ fordert.
Der Menschenrechtsexperte Prof. Manfred Nowak macht klar wohin es führt, wenn weiter auf Resettlement-Programme verzichtet wird. Das Mittelmeer sei heute das größte Massengrab für Geflüchtete.
Gerald Knaus: „Schutzbedürftigen Frauen gezielt helfen"
Der Migrationsforscher Gerald Knaus fordert, dass europäische Länder „die geordnete Aufnahme über Resettlement hochfahren“ sollten. Damit könne insbesondere Frauen gezielt geholfen werden, die oftmals zu den besonders schutzbedürftigen und verletzlichen Personen zählen, so Knaus. „Eine Politik der humanitären Aufnahme wäre das Gegenteil von ungeordneter und lebensgefährlicher Flucht. Wenn mehrere Länder in Europa, auch Österreich, das gemäß dem Vorbild Schweden täten und darüber hinaus Patenschaftsmodelle für die Ankommenden entwickeln, dann könnte man einer großen Anzahl an Personen Schutz und Perspektiven bieten, ohne ein Land zu überfordern“, so der Migrationsforscher, der für Österreich eine Aufnahmerate von 0,05 Prozent der Bevölkerung befürwortet.
Migrationsforscher Gerald Knaus ruft eindringlich dazu auf, dass sich Länder wie Österreich wieder an der geordneten Aufnahme von besonders Schutzbedürftigen beteiligen sollen.
Judith Kohlenberger: „Integration kann ab dem ersten Tag starten“
Die Kulturwissenschaftlerin und Migrationsforscherin Judith Kohlenberger sieht eine Reihe an Vorteilen in humanitären Aufnahmeprogrammen. „Resettlement bedeutet, dass Integration tatsächlich ab dem ersten Tag starten kann. Somit wird keine wertvolle Zeit in oft langen Asylverfahren verloren“, erklärt Kohlenberger. Darüber hinaus sieht Kohlenberger den Vorteil, dass die geregelte humanitäre Aufnahme „Fluchtwege diversifizieren und somit dafür sorgen könne, dass weniger Menschen auf die Hilfe von Schleppern zurückgreifen müssen“. Zugleich betont die Expertin, dass es durch Aufnahmeprogramme nicht zu einem Ausschluss individueller Asylansuchen kommen dürfe.
Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger erklärt, dass sich die europäische Asylpolitik derzeit nur auf die „3 A“s konzentriere: Abschottung, Abschreckung und Auslagerung.
Aufnahmekontingent von 0,05 Prozent der Bevölkerung
Der Vorschlag von SOS Mitmensch für die Reaktivierung der humanitären Aufnahme in Österreich orientiert sich an einem Forderungspapier der von der deutschen Bundesregierung eingesetzten „Fachkommission Fluchtursachen“. Darin wird ein jährliches humanitäres Aufnahmekontingent für besonders schutzbedürftige Personen von 0,05 Prozent der Bevölkerung des Aufnahmelandes gefordert. Auf die Bevölkerung von Österreich gerechnet wären das 4.450 Schutzbedürftige pro Jahr, so SOS Mitmensch.
--> HIER kann die Online-Pressekonferenz nachgeschaut werden
Für humanitäre Aufnahme unterschreiben!
SOS Mitmensch sammelt ab jetzt auf der Webseite www.humanitaere-aufnahme.at Unterschriften für die Wiederbelebung der humanitären Aufnahme in Österreich.
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