
Rassismus nach dem Terror
Musliminnen und Muslime sind nach dschihadistischen Terroranschlägen oft Opfer von Attacken. Das ist ein erklärtes Ziel der Terroristen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration.
Es geschah nach dem Terror in New York am 11. September 2001, nach den Anschlägen in Paris 2015 und London 2017. Musliminnen und Muslime waren vermehrt verbalen und physischen Attacken ausgesetzt, ihre Einrichtungen wurden Opfer von Vandalismus. Auch nach dem Anschlag in Wien am 2. November berichteten Frauen mit Kopftuch, sie fürchteten ob ihrer Sichtbarkeit um ihre Sicherheit im öffentlichen Raum. Zu dem Schock, der Wut, der Angst und der Trauer über den Terror kam die Furcht hinzu, Opfer von blindem Hass zu werden. Bereits eine Woche nach dem Anschlag gingen bei der Antirassismus-Organisation ZARA mehr als 60 Meldungen von antimuslimischem Rassismus ein. Von Hasspostings auf Facebook und Anfeindungen auf offener Straße bis hin zu Drohungen im Wohnumfeld.
Nicht zuletzt deshalb war und ist das Verhalten der PolitikerInnen und JournalistInnen in dieser Zeit der kollektiven Trauer von großer Bedeutung. Wird differenziert, oder werden alle Musliminnen und Muslime unter Generalverdacht gestellt? Antimuslimische Rhetorik gehört mittlerweile leider zur Tagesordnung, kein Wunder also, dass viele MuslimInnen nach dem Anschlag die Reaktionen aus der Politik mit Sorge erwarteten. Doch die Botschaft der Regierungspolitiker in den ersten Tagen war differenziert: Terroristen und ihre Helfer müssten mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden. Muslime unter Generalverdacht zu stellen, sei aber fehl am Platz. Viele Musliminnen und Muslime konnten ob der Worte aus der Politik zunächst etwas aufatmen. Doch bald fehlte in der politischen und medial transportierten Debatte wieder das Bemühen um Differenzierungen. Hieß es zu Beginn, die Gesellschaft dürfe sich nicht spalten lassen, der Kampf gegen den Terror sei ein Kampf mit Muslimen, vernahm man schnell wieder Misstrauen gegenüber Imamen, konservativen Muslimen und Flüchtlingen. Ja, der Kampf gegen jegliche faschistische Ideologie muss geführt werden. Fangen wir damit besser heute als morgen an. Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft aber auch Zusammenhalt statt Spaltung und differenzierte Ansprachen an die gesamte Bevölkerung statt populistischer Rhetorik für die rechte Reichshälfte – nicht nur nach einem Anschlag.
Clara Akinyosoye ist Journalistin bei orf.at und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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