Rima Eid: „Ich will jede Chance nutzen und mich auch für Gleichberechtigung einsetzen.“
Wer sind die Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind und sich hier ein neues Leben, fernab von Krieg und Verfolgung aufbauen? Immer mehr von ihnen schaffen es, hier Fuß zu fassen. Wir stellen sie in der Reihe „Ich lebe und arbeite in Österreich“ vor. Heute: Rima Eid, 28, syrischer Pass.
Nach dem Ankommen getrennt
„Vor vier Jahren bin ich mit einer Gruppe von Freundinnen in Österreich angekommen, aber wir wurden nach dem Ankommen sehr bald voneinander getrennt, weil wir in unterschiedlichen Bundesländern untergebracht wurden“, erzählt Rima Eid, die seit zwei Jahren in Wien lebt. Ihre Eltern und ihre beiden Brüder sind gemeinsam mit ihrem Onkel und ihrer Tante später in die Niederlande geflüchtet, wo sie heute leben. Hier in Österreich gibt es an Familie für Frau Eid ihren Partner und einen Cousin mit seiner Frau und den Kindern. Ihre Flucht aus Syrien nach Österreich hat für Rima Eid drei Monate gedauert, großteils hat sie sie zu Fuß hinter sich gebracht.
Stressige Wartezeit und „Abendessen“ in Tirol
Auf ihren positiven Bescheid hat die studierte Architektin eineinhalb Jahre in Tirol gewartet. „Die Wartezeit war sehr stressig für mich, weil ich immer gewohnt war viel zu arbeiten und auf einmal nichts tun durfte. Dazu kam, dass das Dorf in dem ich lebte sehr klein war und es kaum jemanden gab mit dem ich Deutsch üben konnte.“ Das erste Wort das Frau Eid auf Deutsch gelernt hat, war das Wort „Abendessen“, denn das wurde täglich in der kleinen Pension aus dem Speiseraum gerufen.
Selbststudium und viel Ungeduld
„Ich hab alleine die Level A1 und A2 geschafft“, erzählt sie. Ein Dorfbewohner brachte ihr Bücher fürs Selbststudium. „Als ich nach Wien gekommen bin, hab ich den Einstufungstest gemacht und ich wurde direkt in den B1 Kurs geschickt. Danach hab ich auch B2 gemacht.“ Frau Eid hat sich in Wien umgehört, wo Kurse angeboten werden, die für ihr Architektur-Studium passen würden. In der ArchitektInnen-Kammer ist sie auf einen Kurs aufmerksam geworden, der für Flüchtlinge konzipiert war. Sie holte sich das Okay von ihrem AMS-Berater, damit sie überhaupt diesen Kurs besuchen konnte. Am Ende dieses Kurses musste Frau Eid mit den anderen TeilnehmerInnen Vorträge halten. „So habe ich die Chance für ein dreimonatiges Vollzeitpraktikum bekommen“, erzählt sie. Der Weg, den sie hier in Österreich machen konnte, hing stark von ihrem eigenen Engagement ab, erzählt sie. Ohne ihre Ungeduld und ihren Wunsch bald wieder zu arbeiten, wäre Frau Eid vielleicht heute noch nicht an dem Punkt angekommen, wo sie heute ist. „Durch den Kurs habe ich viele Leute aus der Architektenszene kennengelernt, das war sehr hilfreich“, unterstreicht sie.
Lieblingsbeschäftigung Planzeichnen
Zusätzlich zum Praktikum hat sich Frau Eid Unterstützung bei der Organisation „More Than One Perspective“ geholt, die sich darauf spezialisiert hat, geflüchteten AkademikerInnen aus den Bereichen der Wirtschaft und Technik beim beruflichen Ankommen in Österreich zu helfen. „So hab ich den Job bekommen, in dem ich jetzt arbeite, im Architekturbüro Simmlinger & Partner.“, erzählt Rima Eid. „Ich hab in Aleppo fünf Jahre Architektur studiert. Nach dem Studium konnte ich nur ein Jahr arbeiten und musste wegen dem Krieg meine Heimat verlassen.“ In ihrer Arbeit in Österreich ist sie jetzt vor allem mit der Rechnungsprüfung für die einzelnen Projekte beschäftigt. „Meine Lieblingsbeschäftigung ist jedoch das Planzeichnen. Das kann man nur einfach nicht jeden Tag machen“, sagt sie, „in einem Architekturbüro gibt es sehr viel mehr Arbeit und jeder von uns hat eigene Aufgaben.“
Masterstudium und ZiviltechnikerInnenprüfung
Rima Eid will in Österreich ihr Architektur-Masterstudium an der TU Wien absolvieren. „Eine Freundin von mir studiert schon dort und arbeitet nebenbei, das kann schon alles funktionieren“, sagt Frau Eid lächelnd. Sie plant darüber hinaus so bald wie möglich die ZiviltechnikerInnen-Prüfung abzulegen „aber die Bedingungen sind nicht ganz so einfach“, sagt sie. „Vielleicht kann ich vor der Prüfung schon den Master fertig machen, das wäre gut!“
Neues Leben „vom Nullpunkt“
Dass Arbeit sinnstiftend ist, hat Frau Eid von ihren Eltern gelernt: die Mutter eine Lehrerin, der Vater Schuldirektor. Nichts zu tun ist für sie nicht denkbar, deshalb war auch die Wartezeit auf den Asylbescheid sehr anstrengend für sie. Seither hat sich Rima Eid in Österreich ein neues Leben „vom Nullpunkt“ aufgebaut. Deshalb hofft sie auch sehr darauf, dass sich die Gesetze nicht weiter verschärfen und sie hier bleiben kann. „In der Kammer hab ich eine Architektin kennengelernt, die so um die 50 ist und viel geschafft hat. Soweit möchte ich auch beruflich kommen“, sagt die 28-Jährige lächelnd.
Einsatz für Gleichberechtigung
Ein Thema, das Rima Eid sehr beschäftigt ist die wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau. „Die unterschiedlichen Einkommen von Frauen und Männern betreffen nicht nur Geflüchtete. Ich will mich in dem Bereich auch öffentlich engagieren, wenn ich noch besser Deutsch spreche“, sagt sie in nahezu fließendem Deutsch. Nicht zuletzt lernt sie deshalb weiter. „Jede Chance, jede Möglichkeit mich in einer Gesellschaft einzubringen, hier in dem Land, das mich aufgenommen hat, will ich nutzen.“
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