Ruinöse Trümmerhaufen und gebrochene Brücken
POPULÄR GESEHEN. Das Sozialhilfegesetz stürzt zusammen. Wer davon spricht, Ärmeren zu helfen, darf zur schlechten Sozialhilfe aber nicht schweigen.
Kolumne: Martin Schenk.
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Von der Sozialhilfe ist mittlerweile nur mehr eine eingestürzte Ruine über. Das oberste Gericht hat zum wiederholten Male Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes der letzten Regierung als verfassungswidrig erklärt. In der Teuerung haben wir von vielen Seiten gehört, dass den Ärmeren jedenfalls unter die Arme gegriffen werden soll. Wer davon spricht, Ärmeren zu helfen, darf zur schlechten Sozialhilfe aber nicht schweigen.
Zu besonders drastischen Kürzungen kommt es im Sozialhilfegesetz bei Menschen mit Behinderungen, deren Unterhaltsforderungen jetzt österreichweit als Einkommen gewertet werden. Kinder, immerhin 70.000, sind von Kürzungen gravierend betroffen und vielfach in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Eine weitere massive Verschlechterung betrifft die Leistungen fürs Wohnen, auch die Wohnbeihilfe wird jetzt von den zuständigen Behörden einbehalten. Um ihre Miete zu zahlen, müssen die Betroffenen das aufbrauchen, was eigentlich für den notwendigsten Lebensunterhalt vorgesehen wäre. Hungern für die Miete. Mindeststandards gibt es keine mehr, das Ziel der Armutsbekämpfung ist aus den Zielen des Gesetzes gestrichen worden. Die Sozialhilfe ist eine kaputte Brücke, die über dem reißenden Fluss bricht. Wir brauchen aber Brücken, die in den Krisen halten.
Wie konnte es so weit kommen? Auf „die Flüchtlinge“ zeigen die Regierenden, die Bedingungen verschärfen sie aber für alle. Das ist wie bei Trickdieben: Es braucht immer einen, der ablenkt, damit dir der andere die Geldbörse aus der Tasche ziehen kann. Die „Ausländer“ werden ins Spiel gebracht, weil sie sonst die Kürzungen nicht durchsetzen könnten. Keiner alten Frau, keinem Menschen mit Behinderungen, keinem Niedriglohnbezieher geht es jetzt besser. Im Gegenteil.
Bei der Sozialhilfe geht es in Wirklichkeit um 0,4 Prozent des Staatsbudgets für die ärmsten 2 Prozent der Bevölkerung. Das ist sehr gering im Verhältnis zu anderen Ausgaben der Republik. Die Sozialhilfe ist mittlerweile eine Ruine. Wir müssen ein neues sicheres Gebäude bauen, das Existenz, Chancen und Teilhabe sichert. Das sollte gerade in Krisenzeiten halten. Jetzt fliegen uns die Trümmer um die Ohren.
Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie Österreich.
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