Sexismus, ganz normal
CLARTEXT. Der Ausschluss von Frauen aus Entscheidungsprozessen und damit aus den Macht-zirkeln hat System. Dass Sexismus so systemimmanent ist, dass er fast normal wirken kann, ist fatal. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. eine Kolumne über Diversität und Migration.
Eine Redaktionssitzung ist ein Ort der Debatte, an dem Frauen und Männer sich einbringen, um über die gute und die bessere Geschichte zu diskutieren, sich zu Wort zu melden, manchmal dreinzureden und zu streiten. Im besten aller Fälle dafür, die beste Sendung, die beste Zeitung, das beste Magazin auf den Markt zu schicken. Mittlerweile machen Frauen im Journalismus bereits die Hälfte des Personals aus.
Männerbranche? War einmal. Merken Sie sich das freundlicherweise, wenn ich Sie jetzt bitte sich eine ganz bestimmte Redaktionssitzung vorzustellen, wie sie in einer österreichischen Redaktion tatsächlich stattgefunden hat. Die Männer sind hier in der Unterzahl, die Frauen stellen die überwiegende Mehrheit. Dennoch fällt die Redezeit stark zugunsten der Männer aus. Die Männer in dieser Sitzung sind allesamt leitende Redakteure bzw. haben Entscheidungskompetenz übertragen bekommen. Das trifft auf keine einzige Frau zu. Sie sind Ideenbringerinnen, werben für ihre guten Themen, aber äußern sich sonst wenig und werden selten nach ihrer Meinung gefragt. Bewertet werden sie, die Ideen, von den Männern. Ein Gefälle zwischen Chefredaktion und Redaktion ist ganz normal. Daher kann man schwerlich beeinspruchen, dass die redaktionelle Führung die Entscheidungen trifft.
Doch was ist, wenn alle Führungskräfte Männer sind - weil es eine gewachsene Struktur ist, weil sie eben die „qualifiziertesten“ waren, weil die Frauen sich angeblich alle wieder nicht getraut haben? Dann ist der Sexismus systemimmanent. Und Gleichberechtigung wird durch die Struktur, die „ganz normale“ Hierarchie verunmöglicht, der Ausschluss von Frauen aus Entscheidungsprozessen kann nachvollziehbar begründet werden. Frauen haben es in so einer Konstellation schwerer, den Sexismus zu benennen und ihn zu bekämpfen. Weil nicht ein einzelner Chef, sondern die gesamte Struktur sexistisch ist. Das ist fatal. Doch Strukturen – ob sexistisch oder rassistisch werden von Menschen gemacht und von Menschen gestützt. Und Menschen kann man zur Verantwortung ziehen.
Clara Akinyosoye ist ORF-Journalistin und im Vorstand des Frauennetzwerks Medien.
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