
Leiterin der Wiener Frauenhäuser: „Viele Frauen werden jede Nacht von ihren eigenen Männern vergewaltigt“
In der am Samstag erscheinenden Ausgabe des von SOS Mitmensch herausgegebenen MO-Magazin für Menschenrechte spricht Andrea Brem, seit 15 Jahren Leiterin der Wiener Frauenhäuser, darüber, dass sexualisierte Gewalt in Österreich zum Alltag gehört und warum man die Zivilcourage der Menschen nicht unterschätzen sollte.
„Frauen vereint die Gewalt, die sie erfahren haben“
Brem betont, dass alle Schichten in Frauenhäusern vertreten sind: „Im Moment haben wir Bewohnerinnen aus 28 Ländern. Wir haben Frauen mit einem Universitätsabschluss, und wir haben auch Analphabetinnen. Das, was sie alle vereint, ist die Gewalt, die sie durch ihren Mann oder Lebenspartner erfahren haben“, erzählt Brem. Egal ob ÖsterreicherInnen oder AsylwerberInnen, sexuelle Gewalt komme überall vor und werde schnell bagatellisiert, kritisiert. die Leiterin der Wiener Frauenhäuser. „Viele Frauen werden jede Nacht von ihren eigenen Männern vergewaltigt, definieren das aber nicht so, weil sie glauben, dass das zur Ehe dazugehört“, so Brem weiter. Mit ihrer Institution will sie den Frauen in erster Linie ein sicheres Zuhause bieten, an dem sie zur Ruhe kommen und sich neu orientieren können.
„Gewalt wird immer öfter unsichtbar“
Besonders in bildungsnäheren Schichten sei Gewalt oft nicht so offensichtlich, weil die Täter wüssten, mit welchen Konsequenzen sie rechnen müssen, sagt Andrea Brem. „Deswegen wird Gewalt auch fieser. Sie wird unsichtbar“, so Brem. Statt eingeschlagener Zähne und Hämatome gehe es mehr in Richtung Psychoterror, der viel schwerer beweisbar sei. „Es geht hier um Grenzen, die massiv überschritten werden, und Frauen, die täglich abgewertet und beschimpft werden. Frauen, die kontrolliert werden und teilweise nicht über ihr eigenes Geld verfügen können, wo die persönliche und seelische Freiheit massiv eingeschränkt wird. Das schafft eine Spirale, in der die Frauen gefangen sind“, erklärt Brem.
„Es gibt viele, die nicht wegschauen“
Frauen, die in einer gewalttätigen Beziehung leben, würden oft in Phasen ins Frauenhaus kommen, wo es gerade ein bisschen besser ist. Das sei meistens nicht der Moment, wo die ärgste Gewalt passiere, sondern einer, wo sie sich gerade wieder sammeln konnten. Unterstützt würden sie dabei oft von couragierten Menschen, die nicht einfach wegschauen. Brem nennt als Beispiel eine Passantin, die vor kurzem eine Frau ansprach, die blutverschmiert auf einer Parkbank saß. Anstatt einfach vorbeizugehen, fragte sie nach. Es würden auch immer wieder Firmenchefs anrufen, weil sie sich um die Situation von Mitarbeiterinnen sorgten. „Ich glaube, man unterschätzt die Menschen“, sagt Andrea Brem, denn es gebe viele Beispiele solcher Zivilcourage.
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