Bereits 3-jährige Kinder unter Leistungs- und Integrationsdruck
Was ist davon zu halten, wenn Integrationsstaatssekretär Kurz in Zusammenhang mit 3-jährigen Kindern von „Integration durch Leistung“ spricht?
Staatssekretär Sebastian Kurz hatte vor dem Osterwochenende in einer Aussendung in Zusammenhang mit der sprachlichen Frühforderung von Kindern ab 2,5 in Niederösterreich folgendes von sich gegeben: "Das Land Niederösterreich setzt einen Schritt für die Kinder! Integration kann nicht früh genug beginnen. Integration funktioniert durch Leistung, und die Grundvoraussetzung dafür ist die deutsche Sprache."
SOS Mitmensch begrüßt die sprachliche Frühförderung von Kindern und begrüßt auch, dass sich Landeshauptmann Erwin Pröll dezidiert für die Förderung des Erstspracherwerbs sowie für Mehrsprachigkeit ausgesprochen hat. Der von Kurz ins Spiel gebrachte Leistungsansatz, bei dem „Leistung“ in erster Linie als Bringschuld der „Menschen mit Migrationshintergrund“ verstanden wird, wird jedoch sowohl von SOS Mitmensch als auch von ExpertInnen kritisiert. Betroffene Eltern sind entrüstet.
Hikmet Kayahan (Kommunikationstrainer und Vater): „Mein Sohn ist 2. Er lernt spielerisch zwei Sprachen, so soll es auch bleiben, denn er ist ein Kind, und keine Leistungsmaschine! Was für ein Menschenbild müssen Politiker haben, die schon von Kleinkindern „Integrationsleistungen“ einfordern! - Vielmehr würde ich mir wünschen, dass diese Politiker dafür sorgen, dass mein Sohn in einer Gesellschaft aufwächst, in der es echte Chancengleichheit gibt, in der alle Kinder ohne Diskriminierung und Ausgrenzung dieselben Vorraussetzungen haben!"
Angela Magenheimer (Kindergartenpädagogin und Obfrau von Ehe ohne Grenzen): „Die Eltern in Österreich wünschen sich unabhängig von ihrer Nationalität oder „Herkunft“ optimale Begleitung und Förderung ihrer Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen. Dafür gilt es die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, wie etwa kleine Gruppengrößen, angemessene Entlohnung der PädagogInnen sowie mehrsprachiges Personal. Was wir uns wünschen sind glückliche, selbstsichere und wissbegierige Kinder, die in ihren Bedürfnissen ernst genommen werden. Leistungsdenken im Kindergartenalter und die alleinige Förderung der deutschen Sprache sind keine probaten Mittel um dies zu erreichen.“
Angelika Hrubesch (Sprecherin des Netzwerks Sprachenrechte): „Sprachliche Frühförderung ist selbstverständlich zu begrüßen, vor allem, wenn diese auch die Mehrsprachigkeit der Kinder einbezieht. Wenn jedoch Staatssekretär Kurz das Sprachenlernen von Vorschulkindern als „Leistung“ begreift, die diese zu erbringen hätten um ihren späteren „Integrationsdefiziten“ bereits im Kindergartenalter entgegen zu wirken, so hat das mit sprachlicher Frühförderung wenig zu tun. Es werden damit aber bereits die 4-5-Jährigen dafür verantwortlich gemacht, dass sie später zu „Problemfällen“ werden. Studien zeigen jedoch, dass „Integration“ von vielen Faktoren abhängt, nicht nur von „Leistung“; umso schlimmer und für das Sprachenlernen und (mehrsprachige) Selbstbewusstsein kontraproduktiv, wenn bereits im Kindergarten Leistungsdruck aufgebaut wird, und umso größer die mögliche Enttäuschung im Erwachsenenalter, wenn trotz guter Deutschkenntnisse keine Chancengleichheit besteht.“
SOS Mitmensch ruft Integrationsstaatssekretär Kurz dazu auf, seinen eindimensionalen und teilweise diskriminierenden Leistungsansatz zu überdenken und davon Abstand zu nehmen, Kinder unter Leistungs- und Integrationsdruck zu setzen.
Es ist nämlich als diskriminierend zu erachten, wenn Menschen allein aufgrund ihres so genannten „Migrationshintergrunds“ einen Leistungsnachweis erbringen müssen. Darüber hinaus ist es falsch, dem Einzelnen die gesamte Verantwortung für sein Vorankommen aufzubürden und zugleich den Staat aus der Verantwortung für die Herstellung von Chancengleichheit zu entlassen. Diesen hochproblematischen Leistungsansatz nun auch auf kleine Kinder anzuwenden, ist absolut inakzeptabel.