
RFJ-Artikel über „straffreien Kindesmissbrauch durch Türken“: Richterin sieht keine Verhetzung
Nach der Verbreitung einer wahrheitswidrigen Geschichte über „straffreien Kindesmissbrauch durch einen Türken“ durch den Ring Freiheitlicher Jugend Kapfenberg, erstattete SOS Mitmensch im Februar Anzeige wegen des Verdachts der Verhetzung. Eine Richterin sprach einen Vertreter des RFJ jetzt vom Verhetzungsvorwurf frei - mit einer höchst fragwürdigen Begründung.
Im Zuge von Recherchen stieß SOS Mitmensch Anfang Februar dieses Jahres auf eine Geschichte über „straffreien Kindesmissbrauch durch einen Türken“ auf der Webseite des RFJ-Kapfenberg. Die Geschichte trug den Titel „Türke missbraucht Kind - keine Strafe" und beinhaltete neben der behaupteten „Straffreiheit" auch die Aussage, dass die Justiz diese „Straffreiheit" damit begründet hätte, dass der Missbrauch „jahrelange Familientradition" gewesen sei.
Screenshot des von der Richterin als "nicht verhetzend" eingestuften RFJ-Artikels
Überprüfungen von SOS Mitmensch ergaben jedoch eine ganz andere Faktenlage: Laut dem zuständigen Landesgericht in Korneuburg hatte es sich bei dem des Kindesmissbrauchs Beschuldigten gar nicht um einen türkischen, sondern um einen österreichischen Staatsbürger gehandelt. Der Beschuldigte wurde zuerst auf freiem Fuß angezeigt und später rechtskräftig freigesprochen. Grund für den Freispruch war nicht, dass es sich bei dem Kindesmissbrauch um eine „jahrelange Familientradition“ gehandelt hätte, sondern dass vom Gericht festgestellt wurde, dass der Beschuldigte gar keine Handlungen im Sinne eines sexuellen Missbrauchs gesetzt hatte.
Nach Kenntnis dieser Fakten, brachte SOS Mitmensch umgehend bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen des Verdachts der Verhetzung ein. SOS Mitmensch begründete die Anzeige damit, dass in dem vom RFJ veröffentlichten Artikel wahrheitswidrige Aussagen getätigt werden, die dazu geeignet sind, in Österreich lebende TürkInnen verächtlich zu machen bzw. gegen diese zu Hass aufzureizen. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Verfahren gegen den verantwortlichen Vertreter des RFJ ein. Die Verhetzungsklage wurde nun jedoch von einer Richterin des Landesgerichts Leoben abgewiesen, wie die Kleine Zeitung berichtet. Kolportierte Begründung: Das Delikt der Verhetzung liege nicht vor, weil im RFJ-Artikel vor allem aus einem Artikel der Kronenzeitung zitiert worden sei.
Diese Begründung ist für SOS Mitmensch nicht schlüssig. Der Eintrag auf der Webseite des RFJ-Kapfenberg weicht markant von anderen veröffentlichten Medienberichten ab - auch vom angesprochenen Kronenzeitungsartikel. Die Kronenzeitung titelte „Sex-Fotos mit Sohn "aus Tradition" - Vater nur angezeigt". Von „Straffreiheit" bzw. „Straffreiheit trotz Kindesmissbrauch", wie der RFJ-Kapfenberg wahrheitswidrig schrieb, war weder im Artikel der Kronenzeitung noch in anderen Medienberichten die Rede.
Kindesmissbrauch gehört zu den am stärksten verpönten Delikten in unserer Gesellschaft. Daher war der wahrheitswidrige Artikel des RFJ über „straffreien Kindesmissbrauch durch einen Türken" dazu geeignet, extreme Verachtung hervorzurufen. Auch die vom RFJ in den Raum gestellte „Bevorzugung" von Personen türkischer Herkunft von Gerichten – noch dazu in Zusammenhangt mit einem so verpönten Delikt wie Kindesmissbrauch – war dazu angetan, nicht nur das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit zu erschüttern, sondern auch Hass und Verachtung gegen Menschen türkischer Herkunft zu schüren.
Für SOS Mitmensch ist klar: Bei Hetze handelt es sich nicht bloß um Worte, sondern um Akte der verbalen Gewalt. Gegen diese Form der Gewalt mit rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen, ist enorm wichtig für unsere Demokratie. Dazu braucht es eine handlungsbereite Justiz, die das Delikt Verhetzung in all seinen Facetten ahndet.
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