
ÖVP-Leeb: „Aus meiner Sicht spricht nichts gegen Türkisch als Maturafach“
In der neuen Ausgabe des MO-Magazins für Menschenrechte lässt die Wiener ÖVP-Bildungssprecherin Isabella Leeb mit positiven Aussagen zu Türkisch als Fremdsprachenmaturafach aufhorchen. Aus ihrer persönlichen Sicht spreche nichts gegen ein solches Maturafach, so Leeb. Mehrsprachigkeit ist für die ÖVP-Politikerin „ein großer Wert". Leebs Aussagen könnten der Debatte um die Einführung von Türkisch als Maturafach neuen Schwung verleihen.
Laut Statistik Austria, sprechen in Österreich mehr als 15.000 SchülerInnen in Oberstufenklassen zusätzlich zu Deutsch auch Türkisch. Davon befinden sich 6.300 SchülerInnen an maturaführenden Schulen. Dennoch findet sich Türkisch - im Gegensatz zu anderen 12 Sprachen - nicht im AHS-Lehrplan für lebende Fremdsprachen. Es wurde bislang auch an keiner österreichischen Universität ein Türkisch-Lehramtsstudium eingerichtet. Als österreichweit einziges Gymnasium bietet ein Abendgymnasium für Berufstätige in Wien im Rahmen eines seit 2005 laufenden Modellversuchs Türkisch als zweites lebendes Fremdsprachenmaturfach an. Den letzten politischen Vorstoß zur Einführung eines Türkisch-Lehramtsstudiums gab es 2011. Dieser Vorstoß wurde aber von der damaligen Unterrichtsministerin Schmied nach einem koalitionären Hickhack gestoppt.
Durch die Aussagen der Wiener ÖVP-Bildungssprecherin Leeb könnte die Diskussion nun neuen Antrieb erhalten. Leeb begründet ihre Einschätzung, wonach Mehrsprachigkeit ein großer Wert sei, mit den positiven Erfahrungen, die sie in ihrer Baufirma gemacht habe: „Wir bilden in unserer Baufirma Facharbeiter aus. Die Mehrheit der Lehranwärter hat Migrationshintergrund. Viele von ihnen machen große Karriere, weil sie nicht nur sehr gut Deutsch sprechen, sondern auch ihre Muttersprache.“
Unterstützung erhält Leeb vom Integrationsexperten Kenan Güngör. Die Beherrschung mehrerer Sprachen sei ein „Kulturkapital“, so Güngör. Die Anerkennung und Förderung von Mehrsprachigkeit habe nicht nur einen praktischen Nutzen, sondern trage darüber hinaus zu einem positiven Selbstwertgefühl bei den Jugendlichen bei, betont der Experte.
Aufhorchen lässt ÖVP-Bildungssprecherin Leeb noch mit einer weiteren Aussage. Auf die Frage, was sie von der Selektion von Kindern im Alter von neun bis zehn Jahren halte, antwortet Leeb: „Diese frühe Trennung ist nicht förderlich.“ Das gelte, laut Leeb, insbesondere für Wien, wo die Hauptschule, im Gegensatz zu Orten am Land, den Charakter einer „Restschule“ habe. Doch solange es noch keine qualitative Lösung für die Mittelschule gäbe, dürfe man das Gymnasium nicht gefährden, betont die ÖVP-Politikerin. Noch klarer spricht sich Integrationsexperte Güngör für ein Ende der Frühselektion aus: „Das ist ein völlig überholtes industriegesellschaftliches Modell.“
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