
Stolpersteine wegräumen
SPOTLIGHT. Sigrid Spenger unterstützt mit ihrer Initiative „Quadam be Quadam – Ankommen in Wien“ geflüchtete Menschen dabei, sich ein neues Leben aufzubauen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Evelyn Steinthaler
Dass sich Sigrid Spenger für Geflüchtete engagiert, hat Gründe in ihrer Kindheit, erzählt sie. Von Niederösterreich zog sie mit ihrer Familie mitten unter dem Schuljahr nach Tirol, wo der 9-Jährigen deutlich gemacht wurde, dass sie nicht dazu gehörte. Noch in Tirol lernte die heute 52-Jährige Menschen kennen, die von noch weiter herkamen als aus Niederösterreich und die wegen einer sichtbaren Fremdheit wiederum kaum Möglichkeiten hatten in dieser engen Welt wirklich dazu zu gehören. Schon damals erkannte sie, die seit den 1990er Jahren in Wien lebt und Alleinerzieherin eines heute 18 Jahre alten Sohnes ist, dass sie Menschen verbinden möchte. Jene, die hier über Generationen dazu gehörten und jene, die in Österreich fremd waren und die sie in ihrem Alltag begleitet. Amtswege gehören oft zu den größten Stolpersteinen, was also tun, wenn man zum AMS muss oder aufs Sozialamt? Was tun, wenn man Unterstützung bei den Interviews beim Bundesamt für Asyl braucht? Dank „Quadam be Quadam – Ankommen in Wien“ werden Amtswege in Wien für geflüchtete Menschen, die Farsi sprechen, leichter. Das gilt auch für die Ämter selbst, denn der Verein hilft beiden Seiten bei der Kommunikation. Dass dieses Engagement notwendig ist, erkannte Spenger schon 2015, als sie gemeinsam mit Freundinnen und jeder Menge Linsensuppe an der Grenze in Nikelsdorf, in Traiskirchen oder auch in Wien am Bahnhof und im Dusika-Stadion aktiv mithalf. Nach der Erstversorgung der Flüchtlinge half Spenger Angekommenen beim Deutschlernen und widmete sich der Unterstützung von Familien, die im Wiener Haus Liebhartstal untergebracht wurden. Im Haus Liebhartstal lernte sie auch ein jugendliches Brüderpaar aus Afghanistan kennen, deren Begleitung sie übernahm. Einer der beiden arbeitet heute mit ihr bei „Quadam be Quadam – Ankommen in Wien“. Der junge Mann ist aber nicht der Einzige, der sich neben Sigrid Spenger ehrenamtlich bei dem Projekt engagiert, das durch ihre Ausbildung an der „Akademie der Zivilgesellschaft“ wichtige Starthilfe bekam. „Es ist wichtig, dass sich bei unserer Initiative Betroffene mitengagieren. Das partizipative Prinzip war mir von Beginn an ein Anliegen!“, unterstreicht sie. Mittlerweile begleitet eine kleine Gruppe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern Geflüchtete bei Amtswegen in Wien, zum Beispiel zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl oder eben auch zum AMS. Weil Spenger sich so vielfältig engagiert kommt ihre ehrenamtliche Arbeit zwischenzeitlich zu kurz: „Die Amtsstunden verlaufen nun mal parallel zu meiner Arbeit bei den Wiener Kinderfreunden und auch andere sind voll berufstätig. Daher wäre es wichtig, dass unsere Initiative Menschen gewinnt, die schon im Ruhestand sind und über freie Vormittage und genügend Energie verfügen, um geflüchtete Menschen bei ihren Amtswegen zu unterstützen.“ Über die jüngsten Frauenmorde in Österreich zeigt sich Spenger entsetzt. „Es ist ja nicht so, dass die Frauenorganisationen nach den Kürzungen im Bereich Opferschutz nicht davor gewarnt hätten. Die derzeitige Regierung spielt bei der Entwicklung aber eine problematische Rolle. Nicht nur, weil sie ein reaktionäres Frauen- und Männerbild vertritt, sondern auch, weil die derzeitige Frauenministerin Frauenhäusern das Geld kürzt und Innenminister Kickl Projekte zur Gewaltprävention und Burschenarbeit einstellt. Problematisch ist auch die Verrohung in der Sprache, wir wissen aus unserer jüngsten Geschichte, dass auf Worte Taten folgen! Die Frauenmorde populistisch zu nutzen, um gegen Flüchtlinge und Migranten, insbesondere Muslime, zu hetzen, ist leider der derzeitige Regierungsstil.“ Spenger sagt, es mache ihr Angst, die zunehmende Gewalt gegen Frauen und Kinder und auch den Umgang damit zu erleben. „Es kann doch nicht sein, dass der Frauenministerin nichts Besseres einfällt, als die Frauennotrufnummer, die es übrigens schon mehr als 20 Jahre gibt, auf drei Stellen zu kürzen, damit die Frauen sie sich besser merken können!“
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