FPÖ und neonazinahe Kreise: So funktioniert das System der gegenseitigen Förderung
SOS Mitmensch veröffentlicht ein umfassendes Dossier zum Verhältnis der FPÖ-Führung zu neonazinahen Kreisen. Die Recherche zeigt ein seit Jahren bestehendes System der gegenseitigen Förderung. Es handelt sich um eine nahezu symbiotische Beziehung.
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Massiver Vertrauensbruch an österreichischer Bevölkerung
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sind wohl nur die Spitze eines Eisberges. Doch bereits diese Spitze zeigt den massiven Vertrauensbruch, den die FPÖ-Parteiführung in den vergangenen Jahren gegenüber der österreichischen Bevölkerung und unserer Demokratie begangen hat. Die österreichische Bevölkerung muss darauf vertrauen können, dass Parlamentsparteien mit neonazinahen Kreisen nicht das Geringste am Hut haben. Die FPÖ-Parteiführung hat dieses Vertrauen nachweislich missbraucht und dutzendfach gebrochen.
Nahezu gesamte FPÖ-Parteispitze involviert
Von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache abwärts ist nahezu die gesamte FPÖ-Parteiführung in den Vertrauensbruch involviert. Neben Obmann Strache haben auch Vizeparteiobmann Norbert Hofer, Vizeparteiobmann Johann Gudenus, FPÖ-Oberösterreich-Obmann Manfred Haimbuchner, FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky und viele mehr in der FPÖ daran mitgewirkt, neonazinahe Kreise und deren extremistische Gesinnung systematisch zu fördern und sich von diesen Kreisen fördern zu lassen.
Keine Einzelfälle, sondern System
Die Recherchen von SOS Mitmensch haben nicht Einzelfälle ans Tageslicht gebracht, sondern ein System. Dieses von der FPÖ-Parteispitze und den Kreisen rund um die „Aula“ geschaffene System sorgt für einen beständigen publizistischen Nachschub an Antisemitismus, blanken Rassismus, Demokratieverachtung, tiefer Frauenfeindlichkeit und Sympathien sowohl für ehemalige Nazigrößen als auch für heutige neonazistische Organisationen.
Neun Fallbeispiele des FPÖ-„Aula“-Systems
SOS Mitmensch führt neun Fallbeispiele an, die das System des gegenseitigen Förderns und Unterstützens zwischen der FPÖ-Führung und der neonazinahen „Aula“ dokumentieren. Die Beispiele zeigen, welche extremistische Gesinnung von der „Aula“ vertreten und von der FPÖ-Parteiführung als förderungswürdig erachtet wird. Die neun Beispiele zeigen auch wie das System des gegenseitigen Pushens funktioniert – und wie ungeniert FPÖ und „Aula“ dabei vorgehen. Die angeführten Beispiele beschränken sich auf den Zeitraum der letzten dreieinhalb Jahre. Das System der gegenseitigen Förderung von FPÖ und neonazinahen Kreisen reicht jedoch schon länger zurück.
Fallbeispiel 1 – Verbreitung nationalsozialistischer Symbolik
Im Jänner 2014 erschien in der „Aula“ ein Beitrag mit dem Titel „75 Jahre Mutterkreuz“. Der Beitrag beinhaltet die Verherrlichung nationalsozialistischer Symbolik und ein Loblied auf das von den Nationalsozialisten eingeführte Mutterkreuz. „Am Ende des Jahres 1938 erwies Adolf Hitler kinderreichen Müttern die ihnen gebührende Ehre“, ist im Beitrag zu lesen. Ein kritisches Wort zum Nationalsozialismus sucht man vergeblich. Kritisiert wird nur das heutige Österreich, das „für kinderreiche Mütter nichts übrig“ habe. Bebildert ist der Beitrag mit der Abbildung eines nationalsozialistischen Mutterkreuzes mit einem großen Hakenkreuz darin. In der gleichen „Aula“-Ausgabe findet sich ein selbstverfasster Beitrag von FPÖ-Vizeparteiobmann Johann Gudenus sowie zwei Inserate für den von der Wiener FPÖ organisierten Burschenschafterball.
Fallbeispiel 2 – Sprachrohr für Vertreter neonazistischer Organisationen
Im März 2014 druckte die „Aula“ ein dreiseitiges Interview mit einem Funktionär der neonazistischen NPD ab. Das Interview enthielt keinerlei kritische Fragen an den Vertreter der neonazistischen Partei, stattdessen wurde ihm viel Raum für seine Ausführungen gegeben. In der gleichen Ausgabe der „Aula“ schaltete das Bildungsinstituts (!) der FPÖ ein Inserat.
Fallbeispiel 3 – Gegenseitiges Pushen und Rassismus
Im Mai 2014, vor der anstehenden Wahl des EU-Parlaments, unterstützte die FPÖ die neonazinahe „Aula“ durchdie Schaltung zweier großflächiger Inserate. Eines davon zeigt FPÖ-Parteiobmann Strache gemeinsam mit FPÖ-EU-Spitzenkandidat Vilimsky. In der gleichen Ausgabe druckte die „Aula“ zur Unterstützung der FPÖ einen selbstverfassten Beitrag von Strache, drei Interviews mit FPÖ Spitzenpolitikern und zwei Jubelartikel über die FPÖ ab. In dieser Ausgabe der „Aula“ findet sich unter anderem ein Artikel mit dem Titel „Negerin ist Schönste“, der wörtlich davon spricht, dass eine „31-jährige kurzhaarige Negerin“ einen Schönheitswettbewerb gewonnen habe.
Fallbeispiel 4 – Huldigung für rechtsextremen Aktivisten
Auch im Jänner 2015 unterstützte die FPÖ die neonazinahe „Aula“ mit einem Inserat durch ihr Bildungsinstitut (!). In der gleichen Ausgabe publizierte die „Aula“ einen Nachruf auf einen Aktivisten der rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“. Der Aktivist wird als „bodenständiger Kärntner“ beschrieben, der „wegen seiner aufrichtigen Art von seinen Kameraden sehr geschätzt wurde“. Im Verfassungsschutzbericht 2007 war der „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ eine „ausgeprägte Affinität zum Nationalsozialismus“ attestiert worden und der Verfassungsrechtler Heinz Mayer war in einem Gutachten zum Schluss gekommen, dass die von der Gruppierung herausgegebenen Publikationen „massiv gegen die Bestimmungen des Verbotsgesetzes verstoßen“.
Fallbeispiel 5 – Finanzierung von Antisemitismus
Im Mai 2015 druckt die „Aula“ einen antisemitischen Artikel von einem Politiker der neonazistischen NPD ab, der offenbar zum engeren Autorenkreis des neonazinahen Magazins gehört. In dem Artikel wird gläubigen Juden pauschal unterstellt, dass für sie Nichtjuden „Menschen zweiter Klasse“ seien. Der jüdische Talmud wird als rassistisches Werk beschrieben. „Wer partout nach Zeugnissen einer unverhohlen ‚rassistischen‘ Denkweise sucht, findet sie im Talmud zuhauf“, schreibt der NPD-Funktionär. Der Artikel endet mit einer Polemik gegen den „sogenannten ‚Holocaust‘-Gedenktag“ und der Unterstellung, dass es Juden „um die Erschleichung von Herrschaft“ gehe. Der letzte Satz des Artikels „Wenn der Schuß nur nicht nach hinten losgeht“, wirkt wie eine Drohung. Direkt unter diesem Satz findet sich ein Inserat des FPÖ-Bildungsinstituts (!). In der gleichen „Aula“-Ausgabe findet sich auch ein ganzseitiges Inserat der FPÖ Steiermark, ein Beitrag des FPÖ Landtagsabgeordneten Amesbauer sowie Interviews mit dem steirischen FPÖ-Obmann Kunasek und der damaligen FPÖ-Abgeordneten Winter.
Fallbeispiel 6 – Finanzierung der Beschimpfung von KZ-Überlebenden
In der Ausgabe Juli/August 2015 veröffentlicht die „Aula“ einen Beitrag, der KZ-Überlebende als „Massenmörder“ und „Landplage“ beschimpfte (wofür die „Aula“ später zivilrechtlich verurteilt wurde). Die „Aula“ veröffentlichte in dieser Ausgabe auch einen Beitrag, der ein Plakat der neonazistischen NPD beinhaltete und die NPD ausführlich zitierte. Abgedruckt wurde auch ein Jubelartikel zum „Aufmarsch der Identitären“. In der gleichen „Aula“-Ausgabe findet sich ein Inserat des Bildungsinstituts (!) der FPÖ, ein Interview mit FPÖ-Vizeparteiobmann Gudenus, ein Abdruck der Burschenschafterfestrede des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Kassegger sowie ein Beitrag des Obmanns der Südtiroler Freiheitlichen.
Fallbeispiel 7 – FPÖ-Inseratenregen nach Beschimpfung von KZ-Überlebenden
In der Ausgabe September 2015 schaltete die FPÖ in der neonazinahen „Aula“ gleich vier Inserate: eines mit FPÖ-Obmann Strache, eines mit dem oberösterreichischen FPÖ-Obmann Haimbuchner, eines mit Strache und Haimbuchner gemeinsam und ein Inserat des FPÖ-Bildungsinstituts (!). Die „Aula“ unterstützte die FPÖ in dieser Ausgabe mit zwei doppelseitigen Interviews mit Strache und Haimbuchner. Darüber hinaus wurde sowohl Haimbuchner die Gelegenheit gegeben, einen Leitartikel zu verfassen. In der gleichen Ausgabe druckte die „Aula“ selbstverfassten Beitrag der vom österreichischen Verfassungsschutz unter Beobachtung stehenden rechtsextremen Identitären sowie einen unkritischen Beitrag zur neonazistischen NPD an Darüber hinaus wurde ein Bericht über eine „Spontandemo“ für die Freilassung des wegen Volksverhetzung verurteilten Neonazi Horst Mahler abgedruckt, allerdings ohne zu erwähnen, dass es sich bei Mahler um einen Neonazi handelt.
Fallbeispiel 8 – Finanzierung der Verbreitung von Herrenrassendenken
In der Ausgabe Oktober 2015 veröffentlichte die „Aula“ einen Beitrag, der von der „Zuwanderung von Rassefremden in (noch!) weiße Staaten“ spricht und eine „Umvolkung“ ortet. Diese „Umvolkung“ ziele auf die „politische Entmachtung und demografische Schwächung des überlegenen, einstmals widerstandsfähigen und -willigen europiden Elements durch Vermischung und Geburtenschwund“ ab, so der rassistische Beitrag. In der gleichen „Aula“-Ausgabe finden sich gleich drei (!) Inserate mit FPÖ-Obmann Strache sowie ein Inserat des FPÖ-Bildungsinstituts (!). Die „Aula“ wiederum unterstützte die FPÖ in dieser Ausgabe mit einem Interview mit dem Wiener FPÖ-Landtagsabgeordneten Mahdalik sowie Jubelartikeln über die FPÖ und über Strache.
Fallbeispiel 9 – Finanzierung von Antisemitismus und von Hetze gegen Demokratie und Aufklärung
In der Ausgabe Dezember 2015 der „Aula“ witterte ein Autor eine „Judaisierung der Welt". An anderer Stelle wird in der Zeitschrift vor „Rassenmischung“ gewarnt, die gleichzusetzen sei mit „Völkermord“. Gewarnt wird auch vor Demokratie und der Aufklärung. Demokratie diene „der Spaltung und Schwächung der Völker“, ist zu lesen, und die europäische Aufklärung habe „Zivilisation und Staat wehrlos gemacht“. In der gleichen Ausgabe der „Aula“ finden sich gleich vier FPÖ-Inserate: ein Inserat des FPÖ-EU-Abgeordneten Vilimsky, eine Einschaltung des FPÖ-EU-Abgeordneten Mayer, eine Einschaltung des Bildungsinstituts (!) der FPÖ sowie ein Inserat der FPÖ-Graz. Darüber hinaus findet sich auch ein Inserat für den von der Wiener FPÖ betriebenen Burschenschafterball. Die „Aula“ wiederum unterstützte die FPÖ und den von ihr betriebenen Burschenschafterball mit einem Interview mit dem Wiener FPÖ-Landtagsabgeordneten Guggenberger.
FPÖ & Neonazinahe Kreise: Systemfortsetzung im Jahr 2016
Auch im Jahr 2016 schaltete die FPÖ massenhaft Inserate in der „Aula“. Insgesamt zehn teils großflächige Inserate der FPÖ wurden über das Jahr verteilt abgedruckt. Die „Aula“ wiederum druckte sechs Beiträge durch FPÖ-Funktionäre und fünf Interviews mit FPÖ-Politikern ab, darunter gleich drei Interviews mit FPÖ-Obmann Strache. Darüber hinaus veröffentlichte die „Aula“ im Dezember 2016 einen Beitrag, der zeigte wie FPÖ-Vizeparteiobmann Hofer für ein Werbefoto für die „Aula“ posierte. Inhaltlich blieb die „Aula“ auch im Jahr 2016 stramm auf ihrer neonazinahen, ewiggestrigen, antisemitischen und rassistischen Linie. Unter anderem wurde ein Artikel des rechtsextremen Publizisten, Holocaustleugners und Aktivisten der neonazistischen NPD Rigolf Hennig abgedruckt. In einem anderen Beitrag wurde die neonazistische NPD als „Vertreter der authentischen Rechten“ bezeichnet. Wiederum in einem anderen Beitrag wurde ein Loblied auf den Nazi-Fliegerhelden Hans-Ulrich Rudel angestimmt, der auch nach dem Zweiten Weltkrieg in rechtsextremen Kreisen aktiv war. Während Nazigrößen und neonazistische Gruppierungen positive Darstellung erfuhren, wurde die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel demgegenüber in einer Fotomontage abgebildet, auf der ihr ein Schild mit der Aufschrift „SCHULDIG wegen VOLKSVERRAT“ um den Hals gehängt wurde. Die Überschrift daneben: „Merkel pumpt Neger aus Italien ins Land.“ In einem anderen Beitrag wurde in der „Aula“ die „nahezu religiös verehrte Staatsform der Demokratie“, einmal mehr scharf kritisiert. Auch vor „einer Durchmischung von Völkern und Kulturen“ und einem „Rassenbabylon“ wurde gewarnt.
FPÖ & Neonazinahe Kreise: Systemfortsetzung im Jahr 2017
Nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht im Jänner 2017 die neonazistische NPD aufgrund der Kleinheit der Partei zwar nicht verboten, aber als „wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus“ und als „verfassungsfeindlich“ eingestuft hatte, erschien in der „Aula“ eine Serie an Beiträgen, die Sympathien für die neonazistische NPD erkennen ließen. Die gerichtliche Einstufung der NPD als „verfassungsfeindlich“ wurde vehement attackiert und in diesem Zusammenhang von einem „verdeckten Bürgerkrieg gegen die NPD“ und von einer „Auflösung des Volkes“ gesprochen. Auch das Verbotsgesetz wurde in der „Aula“ kritisiert. Im gleichen Zeitraum erschienen weiterhin regelmäßig Inserate, Beiträge und Interviews von und mit FPÖ-Funktionären, darunter auch ein Interview mit FPÖ-Obmann Strache.
Fazit
Eine Partei, die über Jahre hinweg systematisch neonazinahe Kreisen fördert und sich von diesen Kreisen fördern lässt, ist nicht vertrauenswürdig. Dieses enge und nahezu symbiotische Naheverhältnis zu ewiggestrigen, antidemokratischen, antisemitischen und rassistischen Kreisen kann nicht als Ausrutscher abgetan werden, das war kein einmaliger Fehler, sondern das war und ist FPÖ-System. Dieses FPÖ-System ist inakzeptabel. Es darf nicht an die Hebel der Macht in Österreich gelassen werden.
Wir danken dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes für die Unterstützung bei der Recherche.
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