Trickdiebe
POPULÄR GESEHEN. Bei den Existenzkürzungen zeigen die Regierenden auf „die Flüchtlinge" aber die Bedingungen verschärfen sie für alle. Das ist das Geschäft von Trickdieben. Eine Kolumne von Martin Schenk, Illustration: Petja Dimitrova
Der Verfassungsgerichtshof hat die Kürzung der Mindestsicherung aufgehoben. Das Gesetz verfehle „seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen“, sagt der Verfassungsgerichtshof.
Was wir daraus lernen sollten:
1. Verfassung und Menschenrechte als unsere gemeinsamen Werte achten – gerade bei Minderheiten und Armutsbetroffenen nicht schauen „was geht“ und sehenden Auges verfassungsrechtlich und auch menschenrechtlich bedenkliche Gesetze beschließen. Besonders unglaubwürdig machen sich diejenigen, die dauernd von „Werten“ reden, aber den zentralen Wert der Menschenrechte missachten.
2. Genau hinsehen: „Asyl“ wird gesagt, aber gestrichen wird dann bei allen. Die aktuellen Zahlen für Niederösterreich sagen: Nur jeder Siebente von der Deckelung Betroffene ist Asylberechtigter. Die Existenzkürzungen betreffen in erster Linie Hiesige und schon längst Dagewesene. Die Deckelungskürzungen richten sich gegen Familien, Alleinerziehende, PensionistInnen, Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder Behinderungen, ArbeitnehmerInnen und Arbeitssuchende gleichermaßen. Auf „die Flüchtlinge“ zeigen die Regierenden, die Bedingungen verschärfen sie aber für alle. Das ist das Geschäft von Trickdieben: Es braucht immer einen, der ablenkt, damit dir der andere die Geldbörse aus der Tasche ziehen kann. Die „Ausländer“ werden ins Spiel gebracht, weil sich sonst die Kürzungen nicht durchsetzen ließen.
Keiner alten Frau, keinem Menschen mit Behinderung, keinem Niedriglohnbezieher geht es nun besser. Im Gegenteil. Die Pläne der Abschaffung der Notstandshilfe, der Streichung der Hilfen am Arbeitsmarkt oder Kürzungen bei chronisch Kranken belasten gerade diejenigen, denen wegen der „Flüchtlinge“ Gerechtigkeit versprochen wurde. Im Salzkammergut steht ein höchst erfolgreiches Sozialprojekt vor dem Aus. Ein Fahrtendienst, der besonders ältere Menschen unterstützt zum Arzt, zur Therapie und zum Einkauf zu kommen. Eine Initiative, die wichtig ist für die Menschen in der Region. Nun verlieren neben den zahlreichen Fahrkunden auf einen Schlag 12 Fahrer und Verwaltungskräfte ihre Arbeitsstelle und eine wertvolle, sinnstiftende Aufgabe. Um abzulenken, verkündet die Regierung nun ein „Ausländersparpaket“. Und verpackt darin alle Maßnahmen wie die Einstellung des Fahrtendienstes im Salzkammergut. Damit alle glauben, das trifft sie nicht. In Wirklichkeit handelt sich um ein Kürzungspaket bei Kindern, Arbeitssuchenden, Kranken und Familien im unteren Einkommensviertel. Wenn sie „Ausländer“ sagen, meinen sie uns alle.
Das können wir als Drittes lernen: Der Neid-Trick schadet einem selbst, weil man sich das, was einem nützt, selbst versagt. Er ist ein Gift, das Leute mit ähnlichen Interessen spaltet. Er nützt den Trickdieben, uns nicht.
Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie Österreich.
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