Wer will Quotenmigrant*in sein?
Unternehmen müssen sich um Diversität bemühen – die Quote hilft. Doch Quotenmigrant*in zu sein, ist nicht so einfach. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration. Illustration: Petja Dimitrova
Unlängst habe ich an ein Gespräch mit einem Journalisten gedacht. Wir, zwei Journalist*innen mit Migrationshintergrund, sprachen über eine Migrant*innenquote für Medien. Sie ist das effektivste Instrument, um mehr Diversität in Unternehmen zu fördern. Er sagte mir, er wolle nie einen Job annehmen, den er aufgrund einer Quote bekommen würde. Er wolle nicht auf einem, nennen wir es „Migrantenticket“ in eine Redaktion einziehen, sondern einzig und allein wegen seiner Qualifikation als Journalist. Emotional konnte ich das zu 100 Prozent nachvollziehen. Wer möchte einen Job bekommen, weil die eigenen Eltern vor 30 oder 40 Jahren aus der Türkei, aus Bosnien oder aus Nigeria nach Österreich eingewandert sind?
Aber falsch ist der Zugang meiner Ansicht nach dennoch. Denn es ist nicht entweder oder, sondern sowohl als auch. Wegen seiner Qualifikation und weil er Migrationshintergrund hat, könne er für eine Redaktion besonders interessant sein, sagte ich. Ich werde hin und wieder gefragt, ob es mich nicht störe, dass ich „nur“ wegen der Quote für eine Podiumsdiskussion, eine Keynote-Speech, eine Moderation oder Ähnliches angefragt würde.
Was mich wirklich stört, ist die Annahme, dass ich einen Auftrag nur wegen meiner Hautfarbe bekomme und nicht etwa, weil ich eloquent, kompetent und erfahren bin. Der Wunsch und das Bestreben, eine Diskussionsrunde, eine TV-Sendung, eine Redaktion diverser aufzustellen, hat zwangsläufig zur Folge, dass man gezielt nach kompetenten Menschen sucht, die eben nicht aus der Mehrheitsgesellschaft kommen. Das ist ja erstrebenswert.
Wenn ich einmal tatsächlich, wie unlängst zum ersten Mal passiert, zu einem Podium eingeladen werde, wo sich mir meine Kompetenz für das zu diskutierende Thema auch nach langem Nachdenken nicht erschließt, sage ich ab. Die Quote soll kompetenten Menschen – etwa mit Migrationshintergrund und Frauen – helfen, in Bereiche vorzudringen, in denen sie unterrepräsentiert sind. Kompetenz ist auch hier die Voraussetzung. Vergessen wir das bitte nicht.
Clara Akinyosoye ist Journalistin bei orf.at und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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