Wiedergeburt der rechtsextremen "Aula" unter massiver FPÖ-Beteiligung
SOS Mitmensch übt scharfe Kritik an der Wiedergeburt der rechtsextremen „Aula“ unter massiver Beteiligung von FPÖ-Politikern. Erst im Juni 2018 war das mit Neonazis und Holocaustleugner*innen sympathisierende FPÖ-nahe Magazin nach jahrelanger scharfer Kritik eingestellt worden.
Äußerster rechtsextremer Rand
„Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass die mit Neonazis sympathisierende „Aula“ nach rassistischen und antisemitischen Ausfällen eingestellt wurde. Doch kaum ist die FPÖ aus der Regierung draußen, machen sich FPÖ-Politiker wieder daran, den äußersten rechtsextremen Rand zu bedienen“, ist Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, empört.
Ehemaliger Geschäftsführer der „Aula“ ist Herausgeber der „Neuen Aula“
Laut SOS Mitmensch trete das Magazin „Neue Aula“ in ähnlicher Besetzung auf wie die im Juni 2018 eingestellte rechtsextreme „Aula“. Als Herausgeber trete der frühere „Aula“-Schriftleiter, der Grazer FPÖ-Politiker Martin Pfeiffer, auf. Medieninhaber sei der oberösterreichische FPÖ-Politiker Albert Engelmann.
Herausgeber der „Neuen Aula“ (links) ist der ehemalige Geschäftsführer und Schriftleiter der „Aula“ (rechts)
„Aula“-Autor verunglimpfte KZ-Überlebende
Zu den Autoren der „Neuen Aula“ zählt unter anderem Fred Duswald, der mehrfach KZ-Überlebende verunglimpft hat.
Alter und neuer „Aula“-Autor Duswald verunglimpfte KZ-Überlebende als "Massenmörder" und Landplage"
„Neue Aula“ in altem Gewand
Auch inhaltlich präsentiere sich die „Neue Aula“ in altem Gewand. So werden unter anderem:
- die rechtsextremen „Identitären“ verteidigt,
- der Überfall Deutschlands auf Polen im Jahr 1939 als Auslöser des Zweiten Weltkriegs in Zweifel gezogen,
- der rassistisch konnotierte „Mischkulturen“-Sager eines FPÖ-Politikers als „populär“ dargestellt,
- das heutige „Merkel-Deutschland“ in seiner „Unmenschlichkeit“ auf eine Stufe mit dem NS-Regime gesetzt - und der Nationalsozialismus damit grob verharmlost,
- und es wird - ganz in der Tradition der mit Holocaustleugner*innen sympathisierenden „Aula“ - von Geschichtsrevisionisten als „Verfolgten“ gesprochen.
Hoffnungsträger Kickl
Als große politische Hoffnung wird in der „Neuen Aula“ Ex-Innenminister Herbert Kickl gesehen, der auch das Cover des rechtsextremen Magazins ziert.
Ex-Innenminister Kickl am Cover der Erstausgabe der „Neuen Aula“
Konsequenzen für FPÖ-Politiker gefordert
SOS Mitmensch-Sprecher Pollak fordert umgehende Konsequenzen für die FPÖ-Betreiber der „Neuen Aula“. FPÖ-Obmann Norbert Hofer müsse zu seiner im Vorjahr getätigten Aussage stehen, wonach allen FPÖ-Mitgliedern, die in der „Aula“ schreiben, der Ausschluss drohe. Andernfalls zeige Hofer einmal mehr, dass seine rhetorischen Abgrenzungen zum äußersten rechtsextremen Rand lediglich hohle Floskeln sind, so Pollak.
Wiederbetätigungsanzeige wegen „Aula“- Beiträgen
Wie tief sich die „Aula“ in vergangenen Jahren im braunen Sumpf bewegt hat, zeigt die Anzeige von SOS Mitmensch gegen den verantwortlichen Chefredakteur wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung. Der Staatsanwaltschaft Graz wurde im Dezember 2018 eine Sachverhaltsdarstellung mit umfangreichem Belegmaterial übermittelt (siehe unten). Eine Entscheidung über eine Anklageerhebung steht noch aus.
Update: Laut Aussage von FPÖ-Obmann Hofer in einem Interview mit der Kronenzeitung vom 20. Oktober 2019 ist "Neue Aula"-Herausgeber Martin Pfeiffer seit September 2019 nicht mehr Mitglied der FPÖ. Entgegen dieser Aussage schien Pfeiffer jedoch noch am 11. Oktober auf der Webseite der FPÖ-Graz als Bezirksobmann-Stellvertreter auf und wurde erst nach unserer "Aula"-Kritik von der Webseite gelöscht. Medieninhaber Albert Engelmann ist weiterhin FPÖ-Politiker.
300 Seiten dickes "Aula"-Dossier von SOS Mitmensch mit mehr als 200 Belegartikeln wurde an die Staatsanwaltschaft Graz versendet
Neonazis und Naziideologie wieder salonfähig machen
„Unsere Analyse zeigt, dass die „Aula“ unter der Leitung von Martin Pfeiffer systematisch darauf hingewirkt hat, Neonazis und wesentliche Teile der Naziideologie in Österreich wieder salonfähig zu machen“, erklärt Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, den Hintergrund der Anzeige. Das betreffe etwa das Propagieren von Antisemitismus und Herrenrassendenken, die Verteidigung von Holocaustleugner*innen und Neonazis, die Verehrung von Nazikämpfern, die Verunglimpfung von KZ-Überlebenden, die Übernahme von Nazivokabular und das massive Bewerben von antisemitischer und geschichtsrevisionistischer Literatur, so Pollak.
Verunglimpfung von KZ-Überlebenden in der "Aula", Ausgabe Juli/August 2015
Verherrlichung von NS-Symbolik und Loblied auf das von Nationalsozialisten eingeführte Mutterkreuz in der "Aula" - ohne ein einziges kritisches Wort über den Nationalsozialismus, Ausgabe Jänner 2014
"Aula"-Jubelartikel über Nazi-Fliegerhelden, der auch nach 1945 noch im rechtsextremen und neonazistischen Milieu verkehrte, Ausgabe Jänner 2013
Wohlwollendes "Aula"-Gedenken an Mitgründer der später wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verbotenen NDP, Ausgabe Oktober 2012
„Aula“ sieht im Neonazi und verurteilten Holocaustleugner Gerd Honsik einen „Dissidenten“, der wegen „Meinungsdelikten“ verurteilt wurde, Ausgabe September 2011
300-Seiten dickes Dossier
Das Dossier, das SOS Mitmensch an die Staatsanwaltschaft Graz übermittelt hat, ist 300 Seiten dick und analysiert mehr als 200 Beiträge, die seit 2008 in der „Aula“ erschienen sind. Verantwortlich für die Gestaltung der „Aula“ war seit 2004 Martin Pfeiffer, der neben seiner publizistischen Tätigkeit FPÖ-Bezirkspolitiker in Graz ist:
- Neonazis als Autoren: Regelmäßig schrieben Vertreter neonazistischer Gruppierungen Beiträge in der „Aula“.
- Warnung vor "Judaisierung der Welt": Unter anderem wurde in der „Aula“ „das Jüdische“ als Gefahr dargestellt und vor der „Judaisierung der Welt“ gewarnt.
- Gegen "Rassenmischung": Menschen mit dunkler Hautfarbe wurden in der "Aula" regelmäßig rassistisch verunglimpft, es wurde vor „Rassenmischung“ gewarnt und Herrenrassendenken vertreten.
- Integration als "Völkermord": Integration wurde als „Völkermord“ bezeichnet.
- Österreich wie eine "Diktatur": Staaten wie Deutschland und Österreich, die Holocaustleugnung strafrechtlich verfolgen, wurden in der "Aula" mehrfach mit Diktaturen gleichgesetzt.
- Geschichtsrevisionismus: Es wurde in Beiträgen geleugnet, dass der Zweite Weltkrieg ursächlich von Nazideutschland begonnen wurde.
- Lob für Nazis, die Nazis blieben: Ehemalige Nazikämpfer erhielten in der "Aula" ein Extralob, wenn sie auch nach 1945 im rechtsextremen und neonazistischen Milieu aktiv blieben.
- Nazivokabular: Es wurde in der "Aula" von „Endlösung“, „totalem Krieg“, „Konzentrationslagern“ und „Vernichtungsfeldzügen“ gesprochen, allerdings nicht um den Nationalsozialismus zu beschreiben, sondern um den Eindruck zu erwecken, die Situation im heutigen Europa und in Israel sei vergleichbar mit der Herrschaft der Nazis.
Antisemitismus, rassistisches Vokabular und die Warnung vor der "Rückkehr des Jüdischen" in der "Aula", Ausgabe März 2014
"Aula" über "Judaisierung der Welt" und den "Antichristen", Ausgabe Dezember 2015
"Jüdische Interessen" als Gegensatz zu "deutschen Interessen" in der "Aula", Ausgabe Oktober 2011
"Aula" gratuliert dem Holocautsleugner David Irving, Ausgabe März 2008
"Aula" zitiert wohlwollend einen Rassisten, der behauptet, dass "die Frau gegenüber dem Mann" und "manche Rassen gegenüber anderen" ein "untergeordneter" bzw. "nachgeordneter Teil" seien, Ausgabe Februar 2017
"Aula" warnt vor "Völkermord" durch "Rassenmischung", Ausgabe Dezember 2015
Bezeichnung von Integration als "Völkermord" in der "Aula", Ausgabe April 2008
Rassistische Verunglimpfung des österreichischen Song-Contest-Teilnehmers in der "Aula", Ausgabe Mai 2018
"Aula" macht Doppelinterview mit Vertreter der neonazistischen NDP und des ehemaligen FPÖ-Führungspolitikers Johann Gudenus, Ausgabe 2008
Rassistischer "Aula"-Beitrag spricht von "Zigeunerplage" und "chronisch-massivem asozialen Verhalten des 'Fahrenden Volkes'", Ausgabe März 2009
Wiedergabe rassistischer Verschwörungstheorien in der "Aula", Ausgabe Juli 2017
Angst vor der "Abschaffung der Weißen" und der "Schwächung des europiden Elements durch Vermischung" in der "Aula", Ausgabe Oktober 2015
Nichts für Menschen mit schwachem Magen
„Unser Dossier über die „Aula“ ist nichts für Menschen mit einem schwachen Magen. Wir hoffen, dass die Staatsanwaltschaft Graz sich dem Konvolut der von uns analysierten Beiträge eingehend widmet, um dem Verdacht der NS-Wiederbetätigung gewissenhaft nachzugehen“, so Pollak. Pollak verweist darauf, dass Chefredakteur Pfeiffer bis zuletzt an der an Elementen der Naziideologie anknüpfenden Linie des Blattes festgehalten habe.
Langjähriges enges Naheverhältnis der FPÖ-Führung zur "Aula"
Heutiger FPÖ-Obmann Hofer posierte im Jahr 2016, nachdem die "Aula" im Jahr davor KZ-Überlebende beschimpft hatte, für ein Werbefoto für das mit Neonazis sympathisierende Magazin
Pfeiffer weiterhin für FPÖ aktiv
„Unsere Anzeige ist auch deshalb wichtig, weil Pfeiffer weiterhin politisch und publizistisch aktiv ist. Er ist noch immer FPÖ-Bezirkspolitiker und er schreibt regelmäßig Kolumnen für das Magazin „Info direkt“, das laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes seine Wurzeln im organisierten Neonazismus hat und jetzt gibt er auch die "Neue Aula" heraus“, so Pollak.
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