„Wir sind nicht alle gleich“
NACHGEFRAGT. Abdulhkeem Alshater, Vorsitzender des Vereins „Freie syrische Gemeinde“, über die Hilfe hunderter Syrer:innen nach dem Hochwasser in Österreich und die mediale Berichterstattung über die syrische Community.
Interview: Milena Österreicher.
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
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Wofür steht der Verein „Freie syrische Gemeinde“?
Wir haben den Verein vor eineinhalb Jahren gegründet, weil wir eine unabhängige Vertretung von Syrer:innen in Österreich wollten. Wir organisieren Demonstrationen, setzen uns für eine demokratische, säkulare Gesellschaft in Syrien ein und helfen syrischen Geflüchteten, sich hierzulande zu integrieren. Wir machen beispielsweise wöchentlich ein Deutsch-Sprachcafé und sprechen u. a. auch über österreichische Gesetze. Der Verein hat mittlerweile über 150 Mitglieder.
Nach dem Hochwasser Mitte September organisierten Sie hunderte Helfer:innen aus der syrischen Com-munity für die Aufräumarbeiten in Niederösterreich. Wie kam es dazu?
Wir hatten für den 15. September eine Kundgebung unter dem Motto „Austro-Syrer sagen: Danke Österreich & Nein zu Hetze gegen Syrer“ geplant, nachdem es zuvor wieder viel negative Berichterstattung über unsere Community gab. Wir wollten uns dankbar dafür zeigen, dass Österreich uns aufgenommen hat, wir hier unsere Meinung äußern und auf die Straße gehen können, ohne verhaftet und gefoltert zu werden, wie es in Syrien der Fall wäre. Als das Hochwasser absehbar war, haben wir die Kundgebung abgesagt. Als dann ein Freund angerufen und um Hilfe gebeten hat, sind wir mit rund hundert Personen nach Matzleinsdorf bei Melk gefahren.
Über hundert Syrer:innen halfen bei den Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser in Niederösterreich.
Wie wurde auf die Helfer:innen reagiert?
Anfangs waren die Menschen dort skeptisch bis schockiert. Auch die Polizei hat nachgefragt, wer wir sind und was wir hier machen. Wir haben geholfen, viele Häuser nach dem Hochwasser aufzuräumen. Die Menschen haben uns am Anfang verhalten oder gar nicht gegrüßt. Aber am vierten Tag waren dann alle richtig freundlich. Wir wissen gut, wie es ist, wenn man alles verliert.
Der Verein ist durch die Hilfsaktion medial sehr bekannt geworden. Wie erleben Sie diese Aufmerksamkeit?
Wir freuen uns, dass wir einen positiven Eindruck hinterlassen konnten. Oft kommen in Medien negative Berichte über Syrer:innen. Es wird vermittelt, wir seien alle Messerstecher oder Ähnliches. Aber es gibt solche und solche, wir sind nicht alle gleich. Der Verein versucht zum Beispiel mit den Jugendlichen, die sich viel am Reumann- und am Keplerplatz aufhalten, zu sprechen. Viele von ihnen sind ohne Familie hier. Sie haben lange in Camps gelebt, warten hier ohne Beschäftigung auf ihren Asylbescheid und haben kaum Perspektiven. Manche kommen so auf dumme Gedanken, was sich wiederum auf die gesamte Community auswirkt.
Was wünschen Sie sich von der Berichterstattung?
Es gibt viele positive Sachen zu erzählen: So viele Syrer:innen, die arbeiten gehen, Steuern zahlen, Deutsch sprechen, sich gut integriert haben. Ich würde mir auch wünschen, dass mehr über die Situation für Geflüchtete in Österreich berichtet wird sowie über die immer noch schlechte Lage in Syrien.
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