Wählen wird für immer mehr Menschen zu Frage des Geldes
SOS Mitmensch kritisiert vor den Gemeinderatswahlen in Wien, dass die Teilnahme an Wahlen für immer mehr Menschen zu einer Frage des Geldes wird. Grund dafür sind die strikte Koppelung des Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft und das für die Erlangung der Staatsbürgerschaft vorgeschriebene Mindesteinkommen. SOS Mitmensch warnt vor einer „Klassendemokratie“.
Detaillierte Infos zur Wiener Pass Egal Wahl 2015
Gefahr einer „Klassendemokratie“
„Einst galt es als große demokratische Errungenschaft, dass auch Menschen, die nicht viel besitzen, an Wahlen teilnehmen dürfen. Diese Errungenschaft ist in Gefahr. Neben Menschen ohne Erwerbsarbeit bleiben auch immer mehr ArbeiterInnen, AlleinerzieherInnen und MindestpensionistInnen dauerhaft von der Staatsbürgerschaft und damit auch vom Wahlrecht ausgeschlossen“, kritisiert Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Auch hier Geborene betroffen
Pollak verweist darauf, dass Einbürgerungswillige über einen mehrjährigen Zeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von deutlich über 1.000 Euro beziehungsweise, wenn sie FamilienalleinerhalterInnen sind und Kinder haben, sogar über 2.000 Euro nachweisen müssen, um eine Chance auf die österreichische Staatsbürgerschaft zu haben. Diese finanziellen Ausschlussregeln gelten auch für Person, die in Österreich geboren oder aufgewachsen sind oder schon sehr lange in Österreich leben.
Einbürgerungsausschluss für Frauen
Insbesondere teilzeitbeschäftigte Personen würden oftmals komplett durch das Einkommensraster für die Erlangung der Staatsbürgerschaft fallen, so Pollak. „Drei Viertel der Teilzeitjobs werden in Österreich von Frauen gemacht. Wir sind aber auch auf mehr als 600 Berufssparten gestoßen, bei denen sogar eine Vollzeitbeschäftigung nicht genügend Lohn abwirft, um als AlleinerhalterIn einer Familie die Einkommenshürde für die Einbürgerung zu überspringen. Dazu zählen eine Reihe an Berufen, in denen Frauen stark vertreten sind, wie etwa FriseurIn, KassiererIn, SekretärIn oder KellnerIn“, erklärt Pollak.
Wahlausschluss für immer
Besonders krass sei, so Pollak, dass Personen, die dauerhaft ein zu geringes Einkommen oder eine zu geringe Pension beziehen, ihr gesamtes Leben lang nicht ÖsterreicherIn werden können und damit, aufgrund der Koppelung des Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft, für ihr gesamtes Leben von demokratischen Grundrechten ausgeschlossen bleiben.
Umdenken bei Wahlrecht und Einbürgerung
„Es braucht ein realitätsnahes Einbürgerungsgesetz, das einkommensschwächere Personen und Familien nicht länger ausgrenzt. Und es braucht eine offene Diskussion über die fehlenden politischen Beteiligungsmöglichkeiten hier lebender Menschen ohne österreichischen Pass. Ansonsten riskieren wir eine nachhaltige Schwächung unserer Demokratie“, betont Pollak.
Wahlaktion am 6. Oktober
Um ein Zeichen gegen den Ausschluss hunderttausender Wienerinnen und Wiener von der anstehenden Gemeinderatswahl zu setzen, veranstaltet SOS Mitmensch am Dienstag, den 6. Oktober eine Wahlaktion neben dem Wiener Rathaus, die „Pass Egal Wahl“. In einem eigenen Wahllokal können Personen mit und ohne österreichische Staatsbürgerschaft ihre Stimme abgeben. Im Anschluss erfolgt eine Stimmauszählung.
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