Großes ungenutztes Potenzial in der Integrationspolitik
Angesichts der Ankündigung von Integrationsminister Sebastian Kurz, ein neues Integrationspaket zu schnüren, ruft SOS Mitmensch Kurz dazu auf, mehr Mut in der Integrationspolitik zu zeigen. Und die Menschenrechtsorganisation verweist auf zehn Integrationsbrennpunkte, die sträflich vernachlässigt werden.
„In den vergangenen Jahren ist im Integrationsbereich einiges unerledigt oder halberledigt geblieben. Projekte, die Mut und Vorausblick erfordern, sind oftmals gar nicht erst angegangen worden“, kritisiert Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Pollak listet exemplarisch zehn Integrationsbereiche auf, in denen akuter Handlungsbedarf besteht:
- Aufnahmeystem: Es fehlt ein System der geordneten Aufnahme von Flüchtlingen mittels Antragsmöglichkeit außerhalb Österreichs – eine geordnete Aufnahmepolitik würde weniger Risiko für Menschen auf der Flucht und eine bessere Planung von Integrationsaktivitäten ermöglichen.
- Rasche Orientierung: Es vergeht oftmals sehr viel Zeit, manchmal sogar Jahre, bis Neuankommende an Orientierungsveranstaltungen und an vollwertigen Sprachkurse teilnehmen können – dabei ist ganz klar: je schneller mit Orientierungs- und Sprachkursen begonnen wird, desto schneller können Neuankommende eigenständig Fuß fassen.
- Mentoring: Es fehlen flächendeckende Mentoringprogramme für Neuankommende nach kanadischem Vorbild.
- Therapeutische Unterstützung: Traumatisierte Menschen aus Kriegsgebieten müssen oft Monate auf psychologische Unterstützung und Therapie warten.
- Schuleintritt: Neu ankommende Minderjährige müssen derzeit bis zu 6 Monate auf einen regulären Schulbesuch warten und wer nicht mehr im schulpflichtigen Alter ist, hat gar kein Recht auf einen Schulbesuch – hier werden sehenden Auges die Probleme von morgen produziert
- Mindestsicherung und Chancengleichheit: Die geplanten und in einigen Bundesländern bereits durchgeführten Kürzungen bei der Mindestsicherung treffen Kinder und Jugendliche besonders hart. Österreich entfernt sich damit vom wichtigen integrationspolitischen Ziel der Chancengleichheit für alle Kinder.
- Anerkennung von Qualifikationen: Obwohl seit Jahren über das Thema geredet wird, gibt es nach wie vor nicht ausreichend Beratung und Hilfe bei der raschen Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen.
- Arbeiten-Dürfen: Was Gewerkschaften und Industrie gemeinsam fordern, ist noch immer nicht umgesetzt: das Arbeiten-Dürfen nach spätestens 6 Monaten Aufenthalt. Doch je rascher eine Arbeitsaufnahme gelingt, desto schneller können Betroffene auf eigenen Beinen stehen.
- Sozialer Wohnraum: Es fehlt sozialer Wohnraum für Menschen ohne Startkapital und ohne unterstützendes soziales Netzwerk. Mittellose Menschen sind dadurch von prekären Wohnverhältnissen oder Wohnungslosigkeit bedroht – mit massiven sozialen Auswirkungen, wiederum insbesondere für betroffene Kinder
- Beteiligung an Demokratie: Immer mehr Menschen, die in Österreich aufgewachsen sind oder schon lange hier leben, sind durch die restriktiven Einbürgerungs- und Wahlrechtsbestimmungen von vollen Rechten und der Beteiligung an der Demokratie ausgeschlossen. Eine Öffnung hin zu einer inklusiven Demokratie wäre ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls.
„Das Verbesserungspotenzial in der Integrationspolitik ist gewaltig. Auch was die Stärkung von Gleichberechtigung betrifft, könnte durch systematische Mädchen- und Burschenarbeit vom Kindergarten an viel mehr erreicht werden als durch plakative Verbotsforderungen. Es braucht eine Integrationspolitik. die den Mut hat, nicht im Strom von derzeit populären Frontenbildungen zwischen In- und Ausländern, Geflüchteten und Nicht-Geflüchteten, usw. zu schwimmen. Stattdessen gilt es an einem gemeinsamen, lebenswerten Österreich für alle, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, zu arbeiten", betont SOS Mitmensch-Sprecher Pollak.
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