10 Fragen und Antworten zur #hiergeboren-Kampagne von SOS Mitmensch
Mit der #hiergeboren-Initiative setzt sich SOS Mitmensch für ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft für hier geborene und hier aufgewachsene Kinder und Jugendliche ein. Warum braucht es diese Initiative so dringend? Im Folgenden zehn Fragen und Antworten zur Initiative sowie zu Staatsbürgerschaft und Einbürgerung in Österreich.
Wieso setzt sich SOS Mitmensch für die Einbürgerung von in Österreich geborenen bzw. aufgewachsenen Menschen ein? |
Wir wollen die Ausgrenzung von hier lebenden Menschen beenden! Als erster Schritt sollen die unfairen Hürden für hier geborene bzw. hier aufgewachsene Kinder und Jugendliche fallen! In Österreich leben mehr als 270.000 Menschen, die hier geboren wurden, ohne bislang die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten zu haben. Zigtausende weitere Menschen leben bereits seit früher Kindheit in Österreich, aber blieben bisher ebenfalls von der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen.
Grund dafür ist das extrem ausschließende Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich, das über weite Strecken an das so genannte „Blutrecht“ (ius sanguinis) anknüpft. Nach dieser Logik wird man nicht zur Österreicherin bzw. zum Österreicher, weil man hier geboren oder aufgewachsen ist, sondern es zählt einzig und allein die Abstammung der Eltern und deren Vorfahren.
Die Orientierung am „Blutrecht“ hat zur Folge, dass viele in Österreich geborene und aufgewachsene Kinder und Jugendliche nicht die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Sie bleiben selbst dann von der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen, wenn ihre Eltern schon lange in Österreich leben. Der Staat erklärt sie zu „Fremden“, obwohl sie von hier sind.
Wenn diese Kinder und Jugendlichen die österreichische Staatsbürgerschaft wollen, sind sie gezwungen, ein kompliziertes Einbürgerungsverfahren mit extrem hohen Hürden zu durchlaufen. So müssen sie bzw. ihre Eltern unter anderem ein Mindesteinkommen nachweisen, um eine Chance auf Einbürgerung zu haben. Das führt zu Ungleichbehandlung, sozialer Ausgrenzung und zum Ausschluss von demokratischer Mitbestimmung.
Es braucht endlich ein faires Einbürgerungsrecht in Österreich! Unsere 2021 gestartete #hiergeboren-Kampagne will das notwendige Bewusstsein und den nötigen Druck erzeugen, damit es zu einem Umdenken in der Politik kommt! Viele Menschen wissen gar nicht wie unfair die Einbürgerungsbestimmungen in Österreich sind. Medien berichten kaum darüber, dass Österreich in Europa absolutes Schlusslicht beim Zugang zur Einbürgerung ist. Auch in der Politik ist vielen nicht klar, welchen Schaden die Ausgrenzung anrichtet.
Unsere #hiergeboren-Petition wurde von mehr als 40.000 Menschen unterzeichnet und 2022 an das Innenministerium übergeben. Wir haben erreicht, dass inzwischen mehr Problembewusstsein vorhanden ist. An der politischen Blockade hat sich bislang allerdings noch zu wenig geändert. Dabei ist allein seit Start der #hiergeboren-Kampagne die Zahl der in Österreich geborenen Menschen, die von der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sind, um 50.000 (!) gewachsen. SOS Mitmensch wird beim Einsatz für einen fairen Zugang zur Staatsbürgerschaft keine Ruhe geben!
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Wie viele hier geborene bzw. hier aufgewachsene Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben nicht die österreichische Staatsbürgerschaft? |
Mit Anfang 2024 lebten laut Statistik Austria 270.872 Menschen in Österreich, die in Österreich geboren wurden, aber keine österreichische Staatsbürgerschaft haben. Jeden Tag kommen, gemessen am Durchschnitt der letzten fünf Jahre, weitere 48 Kinder hier zur Welt, ohne die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Das ist mehr als jedes fünfte Neugeborene in Österreich! Darüber hinaus gibt es zigtausende Menschen, die zwar nicht hier geboren wurden, aber seit frühester Kindheit in Österreich leben, ohne die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten zu haben.
Vor allem in den letzten 17 Jahren ist die Zahl der hier geborenen Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft rapide gestiegen und hat sich seit 2007 mehr als verdoppelt. Ein wichtiger Faktor ist das seit dem Jahr 2006 extrem verschärfte Staatsbürgerschaftsgesetz.
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Grafik (interaktiv, Cookie-Zustimmung erforderlich): In Österreich lebende nicht-österreichische Staatsbürger:innen, die bereits hier geboren wurden, seit 2002
Junge Menschen sind von der Nichtverleihung der Staatsbürgerschaft besonders oft betroffen: Etwa die Hälfte der hier geborenen Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft ist jünger als zehn Jahre alt; etwas mehr als drei Viertel sind jünger als 20 Jahre. Rund 45 Prozent der hier geborenen Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft sind EU-Bürger:innen. Mehr als 30.000 Betroffene haben die türkische Staatsbürgerschaft, knapp 29.000 die serbische, jeweils rund 24.500 die deutsche oder rumänische, mehr als 22.000 die kroatische und knapp 20.000 die bosnische Staatsbürgerschaft.
Was viele nicht wissen: Ein Großteil der Eltern, deren Kinder bei ihrer Geburt in Österreich nicht die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, lebt zum Zeitpunkt der Geburt schon viele Jahre in Österreich. Daten aus Wien zeigen, dass mehr als die Hälfte der Eltern von betroffenen Neugeborenen bereits länger als 6 Jahre in Österreich lebt, etwa ein Drittel schon mehr als 10 Jahre. Gesamtösterreichische Daten zeigen darüber hinaus: Bei 1.166 der betroffenen Kinder, die 2019 hier zur Welt kamen, wurde zumindest ein Elternteil bereits selbst in Österreich geboren!
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Was bedeutet die fehlende österreichische Staatsbürgerschaft für Betroffene? |
Wer hier geboren wurde oder hier aufgewachsen ist, ist von hier. Die Nichtanerkennung dieser Selbstverständlichkeit durch den Staat ist nicht nur unfair, sondern hat auch gravierende negative Folgen! Betroffene erhalten vom Staat weniger Schutz und sie haben weniger Rechte und Möglichkeiten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die staatliche Ausgrenzung von Geburt an auch negative Folgen auf den Bildungserfolg haben kann. Zugehörigkeit wird gehemmt. Die Gefahr der Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen, wie etwa am Arbeits- oder Wohnungsmarkt, wird erhöht.
Der Ausschluss von der österreichischen Staatsbürgerschaft bedeutet auch den Ausschluss vom aktiven und passiven Wahlrecht auf Landes- und Bundesebene. Lediglich Personen mit EU-Staatsbürgerschaften dürfen auf kommunaler Ebene wählen. Mit anderen Worten: Viele hier geborene Menschen dürfen nicht einmal in ihrem Heimatbezirk ihre Stimme abgeben oder kandidieren. Menschen, die bereits hier geboren und/oder aufgewachsen sind, haben darüber hinaus oftmals auch in ihren Pass-Ländern kein Wahlrecht, nachdem sie dort noch nie waren oder schon lange keinen Wohnsitz mehr hatten. SOS Mitmensch setzt seit mehreren Jahren mit der „Pass Egal Wahl“ ein Zeichen gegen diesen Ausschluss von der Demokratie. In Österreich waren bei der Nationalratswahl 2024 mehr als 1,5 Millionen Menschen im wahlberechtigten Alter auf Grund ihrer nicht-österreichischen Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht ausgeschlossen. In Wien betrifft der Wahlausschluss bereits mehr als ein Drittel der Wohnbevölkerung. Das ist nicht nur für die Betroffenen ein Problem, sondern auch für unsere Demokratie als Ganzes!
Weitere Nachteile sind: Einschränkungen beim Zugang zum Staatsdienst (etwa Polizei), Einschränkungen der Reise- und Visafreiheit, kein konsularischer Schutz durch Österreich im Ausland, oder keine Möglichkeit, politische Versammlungen anzumelden. Höhere Studiengebühren für Drittstaatsangehörige. Der einzige tatsächliche oder vermeintliche Vorteil für männliche Betroffene ist die wegfallende Verpflichtung zum Wehr- oder Zivildienst. Damit einher geht allerdings der Nachteil, dass mit dem Bundesheer ein weiterer möglicher Arbeitgeber wegfällt. |
Wie wird man österreichischer Staatsbürger oder österreichische Staatsbürgerin? |
Der überwiegende Teil der Menschen in Österreich erwirbt die Staatsbürgerschaft automatisch mit der Geburt. Dazu braucht es zumindest einen Elternteil, der bereits die österreichische Staatsbürgerschaft hat. Für alle, die keinen Elternteil mit österreichischer Staatsbürgerschaft haben, sind die Hürden zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft hingegen extrem hoch und sozial ausgrenzend. Im Europa-Vergleich ist Österreich gemeinsam mit Bulgarien Schlusslicht beim Zugang zur Staatsbürgerschaft (siehe Frage 7: Wie steht Österreich im internationalen Vergleich beim Zugang zur Staatsbürgerschaft da?).
Abbildung: Allgemeine Einbürgerungsvoraussetzungen, die von allen Antragsteller:innen erfüllt werden müssen, auch von hier geborenen und hier aufgewachsenen Personen
Besonders problematisch sind die langen Wartefristen, bevor ein Einbürgerungsantrag gestellt werden kann, und die hohen Einkommenshürden, die übersprungen werden müssen. Die hohen Einkommenshürden bedeuten vielfach den langfristigen und teilweise sogar lebenslangen Ausschluss von Menschen mit niedrigem Einkommen, niedriger Pension oder ohne Erwerbsarbeit. Kinder sind abhängig davon, dass ihre Eltern das für die Einbürgerung geforderte Mindesteinkommen überschreiten. Wer dieses Glück nicht hat, hat zumindest bis ins Erwachsenenalter keine Chance auf Einbürgerung.
Neben einem Mindesteinkommen und langjährigem Aufenthalt mit entsprechendem Aufenthaltstitel, müssen weitere Kriterien, wie nachzuweisende Deutschkenntnisse oder Unbescholtenheit, erfüllt werden. Darüber hinaus ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft mit sehr hohen Kosten verbunden. Diese machen oft mehrere tausend Euro aus und sind teilweise bis zu zehn Mal so hoch wie beispielsweise in Deutschland.
All diese Hürden müssen auch Menschen erfüllen, die bereits viele Jahre oder Jahrzehnte in Österreich leben. Selbst wer in Österreich geboren wurde, hat kein bedingungsloses Anrecht auf die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, sondern ist ebenfalls abhängig von der Erfüllung sämtlicher Einbürgerungskriterien, inklusive der Einkommenskriterien und einer Mindestaufenthaltsdauer von sechs Jahren.
Personen, die dauerhaft ein zu geringes Einkommen oder eine zu geringe Pension beziehen, haben nach derzeitigem Recht für den Rest des Lebens keine Möglichkeit auf die österreichische Staatsbürgerschaft!
Wer Beratung zum Staatsbürgerschaftserwerb in Österreich braucht, findet unter diesem LINK einen Überblick über Beratungsstellen in allen Bundesländern. |
Wie viel Geld muss man verdienen, um die Staatsbürgerschaft beantragen zu können? |
Wer einen österreichischen Pass beantragt, muss über einen Zeitraum von drei Jahren innerhalb der letzten sechs Jahre ein Mindesteinkommen nachweisen – zumindest sechs Monate davon müssen unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen. Dieses Mindesteinkommen liegt aktuell für eine Einzelperson bei netto, also nach Abzug aller Steuern, 1.273,99 Euro plus einem Großteil (alles, was 376,27 Euro übersteigt) der Wohnkosten. Darüber hinaus müssen auch Kreditraten und andere regelmäßig anfallende Aufwendungen abgedeckt sein. Pro Kind müssen weitere 196,57 Euro netto Einkommen pro Monat nachgewiesen werden. Für Familien in einem gemeinsamen Haushalt beträgt das zu erwirtschaftende monatliche Nettoeinkommen 2009,85 Euro, wiederum plus einen Großteil der Mietkosten, der Kreditraten sowie anderer regelmäßig anfallender Aufwendungen sowie plus 196,57 Euro pro Kind (siehe die Richtsätze des § 293 ASVG, Stand 2025).
Das bedeutet für eine Einzelperson im Regelfall ein erforderliches Mindesteinkommen von mehr als 1.440 Euro netto im Monat (bzw. 20.200 Euro im Jahr)!
Aufgrund dieses geforderten Mindesteinkommens fallen insbesondere Teilzeitbeschäftigte meist komplett durch das Staatsbürgerschaftsraster. Auch eine Vollzeitbeschäftigung reicht oftmals nicht für das geforderte Mindesteinkommen aus. Laut AMS-Gehaltskompass reicht der Einstiegsgehalt sogar bei Vollzeitbeschäftigung bei rund 1.600 Berufen – also 97,5 Prozent aller Berufe – nicht aus, um als Alleinerhalter:in einer Familie die Einkommenshürde für die Einbürgerung zu überspringen. In 115 Berufen überspringt man bei Vollzeitbeschäftigung auch die Einbürgerungshürde für Einzelpersonen nicht, unter der Annahme durchschnittlicher Wohnkosten. Bei höheren Wohnkosten gibt es noch deutlich mehr Berufssparten, in denen auch eine Vollzeitbeschäftigung nicht reicht.
Auch verfügbare Einkommensdaten der Statistik Austria (Stand 2023) bestätigen, dass die Einkommenshürden nicht nur für Menschen ohne stabiles Beschäftigungsverhältnis eine unüberwindbare Hürde darstellen. Das mittlere Netto-Monatsgehalt aller unselbstständig Erwerbstätigen liegt mit 1.893 Euro deutlich unter der Einbürgerungshürde für Familien-Alleinerhalter:innen. Fast 40 Prozent aller unselbstständig Erwerbstätigen kommt nicht über die Einkommenshürde für Einzelpersonen. Noch düsterer sehen die Aussichten für Arbeiterinnen und Arbeiter aus, von die Hälfte nicht über die Einbürgerungshürde für Einzelpersonen kommt. Besonders benachteiligt sind weibliche Arbeiterinnen, von denen fast drei Viertel an der Einbürgerungshürde für Einzelpersonen und fast alle an der Hürde für Familien-Alleinerhalter:innen scheitern würden.
Selbst für in Österreich geborene und aufgewachsene Kinder von Eltern ohne österreichische Staatsbürgerschaft muss für die Einbürgerung ein Mindesteinkommen nachgewiesen werden, was nicht nur extrem unfair und sozial ausgrenzend ist, sondern laut eines Rechtsgutachtens auch im Verdacht der Verfassungswidrigkeit steht. Konkret geht es im von der Stadt Wien beauftragten Gutachten um Verstöße gegen die im Verfassungsrang stehenden Kinderrechte: „Die Unmöglichkeit, die Staatsbürgerschaft aufgrund eines zu geringen Einkommens der Eltern zu erhalten, ist geeignet, die bestmögliche Entfaltung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu hindern, weswegen die Bestimmungen […] verfassungswidrig erscheinen.“ Neben der Einkommenshürde macht das Gutachten auch noch Kinderrechtsverstöße in zwei weiteren Punkten des österreichischen Einbürgerungsgesetzes aus. Um diese beim Verfassungsgerichtshof zu beanstanden, braucht es einen Überprüfungs- und Aufhebungsantrag, den u.a. einzelne Bundesländer, wie etwa die Stadt Wien, stellen könnten. |
Was fordert SOS Mitmensch in Punkto Einbürgerungsbedingungen für hier Geborene und/oder Aufgewachsene? |
Als erste wichtige Schritte zur Beendigung der wachsenden Ausgrenzung hier lebender Menschen fordern wir:
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Wie sieht der internationale Vergleich in Sachen Einbürgerung aus? |
Laut einer 2020 vorgenommenen Erhebung des „Migrant Integration Policy Index“ (MIPEX) ist es unter den 56 untersuchten Staaten nur in den Arabischen Emiraten und in Saudi Arabien schwerer sich einbürgern zu lassen. Im EU-Vergleich belegt Österreich gemeinsam mit Bulgarien den letzten Platz. Österreich erhält in der Kategorie Zugang zur Staatsbürgerschaft nur 13 von 100 möglichen Punkten. Zum Vergleich: Spitzenreiter Neuseeland kommt auf 92 Punkte, die USA auf 88, Europa-Spitzenreiter Portugal auf 86, China und die Türkei auf 50, und Deutschland, das schon im unteren Mittelfeld liegt, immerhin noch auf 42 Punkte.
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Grafik (interaktiv, Cookie-Zustimmung erforderlich): Ländervergleich des MIPEX betreffend Zugang zur Staatsbürgerschaft.
Das liegt zum einen am fehlenden Geburtsortsprinzip („ius soli“) in Österreich. Während dieses in Reinform vor allem in Süd- und Nordamerika zu finden ist, gibt es in vielen europäischen Ländern zumindest Elemente davon. So können zum Beispiel in Deutschland Kinder per Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn zumindest ein Elternteil seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.
Zum anderen sticht Österreich bei den extrem hohen Hürden, die für eine Einbürgerung überwunden werden müssen, heraus. Hier sind vor allem die hohen Einkommenserfordernisse zu nennen. Während es in EU-Ländern wie Schweden, Portugal und den Niederlanden überhaupt keine Einkommensbedingungen gibt, ist diese Bedingung in anderen Ländern (z.B. Belgien, Lettland) zumindest an keine bestimmte Einkommenshöhe geknüpft. Andere Länder setzen auf ein deutlich niedrigeres erforderliches Mindesteinkommen als Österreich. Zum Beispiel gibt es in Deutschland zwar das Erfordernis einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts, dieses wird aber nicht so hoch angesetzt wie in Österreich. Unter 23-jährige sind dort gänzlich ausgenommen und es wird Rücksicht auf Härtefälle genommen. Auch was die weiteren Einbürgerungsbedingungen, wie Mindestaufenthalt oder Sprachkenntnis-Nachweis, betrifft, steht Österreich im internationalen Vergleich durchgängig auf der sehr restriktiven Seite. Ebenso stechen die extrem hohen Einbürgerungsgebühren heraus.
Das führt dazu, dass fast alle EU-Länder deutlich höhere Einbürgerungsraten als Österreich haben. Spitzenreiter in der Eurostat-Statistik für das Jahr 2022 ist Schweden, wo 10,6 Prozent der dort lebenden Nicht-Staatsangehörigen pro Jahr eingebürgert wurden. Deutschland findet sich mit seinen 1,5 Prozent schon in der unteren Hälfte aller EU-Länder, trotzdem ist die Einbürgerungsrate mehr als doppelt so hoch ist wie jene in Österreich mit nur knapp 0,7 Prozent. Das heißt, in Österreich werden pro Jahr von 1.000 hier lebenden Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft nur sieben eingebürgert. Diese katastrophale Position Österreichs im internationalen Vergleich unterstreicht, dass es dringend Änderungen in Richtung fairer und realitätsnaher Einbürgerungsbestimmungen braucht. Diese Dringlichkeit verschärft sich nochmals, weil Österreich auch im Hinblick auf die Verknüpfung von Wahlrecht und Staatsbürgerschaft besonders restriktiv ist. In vielen EU-Ländern dürfen – im Gegensatz zu Österreich – nicht nur EU-Bürger:innen, sondern auch Drittstaatsangehörige zumindest bei Kommunalwahlen mitwählen. Darüber hinaus dürfen in einigen EU-Ländern Nicht-Staatsbürger:innen auch an Regionalwahlen teilnehmen. In Ländern wie Neuseeland und Chile können sich dort lebende ausländische Staatsangehörige auch an nationalen Wahlen beteiligen. |
Wie kann das Einbürgerungsrecht in Österreich geändert werden? Wie steht die österreichische Politik dazu? |
Die Zuständigkeit für das Einbürgerungsrecht liegt beim Bundesgesetzgeber, also dem österreichischen Nationalrat. Das Geburtsortsprinzip ließe sich dort beschließen, ebenso der Abbau unfairer Einbürgerungshürden. Es bräuchte dazu eine einfache Mehrheit der Abgeordneten im Parlament. Eine Verfassungsmehrheit, wie sie etwa bei einer Ausweitung des Wahlrechts für nicht-österreichische Staatsangehörige erforderlich wäre, ist hier nicht notwendig. Auf Bundesländer-Ebene gibt es Spielräume hinsichtlich der Einbürgerungsgebühren oder der Dauer und Zugänglichkeit des Verfahrens. |
Wie haben sich das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht und der Zugang zur Einbürgerung in den vergangenen Jahren entwickelt? |
1965 Zentrale Einbürgerungsbedingung wird der mindestens 10-jährige Aufenthalt. 1983 Es erfolgt die weitgehende Gleichstellung von Mann und Frau im Staatsbürgerschaftsrecht, davor konnten nur Männer ihre Staatsbürgerschaft an eheliche Kinder weitergeben. 1999 Der Nachweis von Deutschkenntnissen wird zum Einbürgerungs-Kriterium. 2006 Mit einer Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle kommt es zu zahlreichen Verschärfungen: Das Erfordernis eines Mindesteinkommens wird eingeführt. Es kommt zur Verlängerung von Wartefristen für bislang bevorzugte Gruppen wie EU-BürgerInnen, Flüchtlinge und Ehepartner:innen. Bei nachhaltiger beruflicher und privater Integration ist kein vorzeitiges Ansuchen mehr möglich. Es gibt ein formalisiertes Verfahren zur Prüfung von Deutsch-, Demokratie- und Geschichte-Kenntnissen. Zusätzlich werden die Gebühren erhöht. 2011 Das sogenannte Fremdenrechtspaket bringt weitere Verschärfungen. Die erforderlichen Sprachkenntnisse werden vom Niveau A2 auf B1 erhöht. 2013 Es werden kleine Entschärfungen vorgenommen: „Gut integrierten Fremden“ wird eine auf sechs Jahre verkürzte Wartefrist eingeräumt. Bedingung ist entweder der Nachweis von B2-Deutschkenntnissen oder die „nachhaltige persönliche Integration“, was u.a. durch mehrjähriges ehrenamtliches Engagement nachgewiesen werden kann. Der Durchrechnungszeitraum für den Einkommensnachweis wird erhöht, es können seither Einkommen der letzten sechs Jahre zum Nachweis der geforderten 36. Monatseinkommen geltend gemacht werden, wobei die unmittelbar vor Antragsstellung liegenden sechs Monate Teil davon sein müssen. Für Menschen mit Behinderung wird eine Härtefallregel eingeführt. 2018 Mit einer weiteren Verschärfung wird das in der Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehene beschleunigte Einbürgerungsverfahren für Asylberechtigte mit der auf sechs Jahre verkürzten Mindest-Einbürgerungs-Wartefrist abgeschafft. Außerdem werden die ohnehin extrem hohen Bundesgebühren um weitere 14 Prozent erhöht.
Die eklatanten Auswirkungen der Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsrecht zeigen sich in der Entwicklung der Einbürgerungsrate. Während um die Jahrtausendwende noch jährlich zwei bis sechs Prozent der Bevölkerung ohne österreichische Staatsbürgerschaft eingebürgert wurden, sind es seit 2010 nur mehr maximal 0,7 Prozent. Das heißt, in Österreich werden pro Jahr von 1.000 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft nur sieben eingebürgert.
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Grafik (interaktiv, Cookie-Zustimmung erforderlich): Einbürgerungsrate seit 1991 (Quelle: Statistik Austria)
Das hat zur Folge, dass die Zahl der in Österreich lebenden österreichischen Staatsbürger:innen seit 2008 kleiner wird, obwohl die österreichische Gesamtbevölkerung im selben Zeitraum um 9,6 Prozent gewachsen ist. Während Österreich insgesamt um fast 800.000 Menschen gewachsen ist, leben heute mehr als 100.000 österreichische Staatsbürger:innen weniger (!) hier als noch 2008. Ein immer größer werdender Teil der österreichischen Bevölkerung bleibt von der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgegrenzt.
Wenn die österreichische Politik weiterhin untätig bleibt und sich nichts an den restriktiven Einbürgerungsbestimmungen ändert, wird sich diese problematische und Demokratie-gefährdende Entwicklung fortsetzen: Laut einer Prognoseberechnung von SOS Mitmensch könnten bis 2064 mehr als ein Drittel der österreichischen Bevölkerung und mehr als die Hälfte der Wienerinnen und Wiener vom Wahlrecht ausgeschlossen sein. Die Anzahl der Menschen ohne Wahlrecht würde auf insgesamt über 2,5 Millionen anwachsen, während zugleich die Anzahl der Wahlberechtigten deutlich schrumpfen würde.
Mit der wachsenden Dramatik des Staatsbürgerschaftsausschlusses und des damit einhergehenden Demokratieausschlusses wächst aber auch das Problembewusstsein. Das zeigt sich unter anderem in der stetig gewachsenen Resonanz für die seit 2013 stattfindenden „Pass Egal Wahlen“ von SOS Mitmensch. Immer mehr Menschen wollen es nicht länger hinnehmen, dass entweder sie selbst oder viele ihrer Mitmenschen von der Staatsbürgerschaft und dem Wahlrecht ausgegrenzt werden. Auch in Teilen der Politik gibt es ein steigendes Bewusstsein. Dennoch fehlen bislang die entscheidenden Schritte in Richtung eines fairen Einbürgerungsrechts. |
Wie kann man die Einbürgerungskampagne von SOS Mitmensch unterstützen? |
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