Ali Ansari - Angekommen in Österreich: „Afghanistan ist ein Land mit alter Kultur und langer Geschichte.“
Nach seiner Flucht gründete der Afghane Ali Ansari in Wien den Verein Exilkunst. Drei Filme, ein Online-Sender und viele gute Gespräche sind daraus schon entstanden. Text: Sonja Kittel, Foto: privat
Aus dem Leben gegriffen
Am 10. November 2017 ist der Sala Terrena der Stadtgemeinde Mödling bis auf den letzten Platz besetzt. Die Menschen sind gekommen um den Spielfilm „Maryam“ zu sehen. Gleich zweimal hintereinander wird der 28-minütige Film abgespielt, damit alle, die gekommen sind, auch eine Chance haben, ihn anzuschauen. Titelheldin ist die 16-jährige Maryam, die mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Österreich geflohen ist. Ihr Balance-Akt zwischen zwei Kulturen und ihre Entscheidung gegen die Familie und für die Freiheit sind das Thema. Einer der Regisseure ist Ali Ansari, selbst in Afghanistan geboren und nach Österreich geflohen.
Lange Fluchtgeschichte
Seit vier Jahren ist Ansari jetzt hier. Seine Fluchtgeschichte ist lang. Die Familie floh in den Iran als Ali noch ein kleiner Junge war. Er blieb bei seiner Oma in Afghanistan. Sechs Jahre später, mit nur 11 Jahren, floh er alleine in den Iran, um seine Familie wiedersehen zu können. Nach zweieinhalb Jahren ging es weiter in die Türkei. Wieder einige Jahre später floh der junge Mann über Griechenland nach Österreich. Seine Familie ist mittlerweile zwischen der Türkei, Deutschland, Schweden und Griechenland verstreut. „Das typische Bild, wenn eine Familie flüchtet“, sagt der 25-jährige. Unterstützung bekam er in seiner ersten Zeit in Österreich vor allem im Haus St. Gabriel., das von der Caritas betrieben wurde. Als er hier untergebracht war, konnte er kostenlos verschiedene Kursangebote wahrnehmen und bekam auch das Ticket nach Wien bezahlt, um dort den Deutschkurs zu besuchen.
Leidenschaft für Kunst und Kultur
Seine zweite Anlaufstelle waren die Baptisten, die ihn in ihre Gemeinde aufnahmen, so wie viele andere Geflüchtete auch. Alleine in seiner Gemeinde seien 100 Flüchtlinge, die Hälfte davon Afghanen, sagt Ansari. Die Freikirche förderte Ansari in seiner Leidenschaft für Kunst- und Kultur und ermöglichte ihm die Teilnahme an verschiedenen Fortbildungen. Bis heute engagiert er sich hinter der Kamera mit Film und Fotografie bei verschiedenen Events der Baptisten, die den Freikirchen in Österreich angehören.
„Das Bild stimmt nicht“
Nachdem er seinen positiven Asylbescheid bekommen hatte, zog der junge Afghane nach Wien. Kurz danach gründete er den Verein Exilkunst. „Ziel war es, gemeinsam mit anderen afghanischen Jugendlichen zu zeigen, dass das Bild, das viele von unserem Geburtsland haben, nicht stimmt", sagt Ansari. Afghanistan sei ein Land mit langer Geschichte und alter Kultur. Früher hätten zum Beispiel Frauen ohne Verhüllung aus dem Haus gehen können, Universitäten besuchen und frei leben. Über 40 Jahre Krieg hätten sein Land kaputt gemacht. „Sie sind im Krieg geboren, im Krieg aufgewachsen, nicht in die Schule gegangen“, erklärt er die Situation vieler junger AfghanInnen.
Das Problem mit der Förderung
Ein Projekt, das aus dem Verein Exilkunst entstand, ist der Film Maryam. Zwei weitere Filme sind in Arbeit. Ansari will sie später an verschiedene Filmfestivals schicken. Viele Menschen, auch Österreicher und Österreicherinnen, würden ehrenamtlich für ihn schauspielern. Ausstattung, wie Kamera und Stativ, konnten sich Ansari und seine KollegInnen durch Spenden von FreundInnen und Bekannten leisten. „Fördergelder zu finden ist eine große Herausforderung. Mit öffentlicher oder privater Unterstützung für unsere transkulturellen Projekte könnten wir der Vision näher kommen, dass sich das Bild der jungen Menschen verändert, “ wünscht sich der junge Afghane. Er betreibt auch einen Online-Sender, in dem er AfghanInnen interviewt, die schon lange in Österreich leben und hier etwas auf die Beine gestellt haben.
Traumjob Journalist
Ansari macht derzeit über den AMS seinen Pflichtschulabschluss. Er hofft einen Ausbildungsplatz im Medien-, Kunst- und Kulturbereich zu finden. Journalismus wäre sein Wunsch. Bis dahin möchte der 25-jährige mit seinem Verein Exilkunst vor allem jungen Menschen helfen, die noch immer keinen Asylbescheid haben und die das lange Warten krank macht. „Wenn sie zu uns kommen und wir reden, wenn auch nur für ein paar Stunden, tut es ihnen sehr gut. Wir können uns gegenseitig unsere Ziele erzählen und gemeinsam eine Lösung finden, um sie zu erreichen“, sagt Ansari.
SOS Mitmensch gibt in der Porträt-Reihe „Angekommen in Österreich“ Menschen, die flüchten mussten, eine Stimme und ein Gesicht. Die Geschichten zeigen auch, welche Hürden Geflüchtete auf ihrem Lebensweg meistern müssen und welche Unterstützung sie dabei erfahren und brauchen. Infos und Kontakte zur freiwilligen Flüchtlingshilfe finden Sie hier.