
Meine Lehre in Österreich - Hussein Mirzai „Man darf seine Vergangenheit nicht vergessen“
Hussein Mirzai, 29, war schon seit seiner frühen Kindheit auf der Flucht, die ihn letztendlich nach Österreich brachte. Dreizehn Jahre nach seiner Ankunft hat er eine absolvierte Maschinenbau-Lehre, die österreichische Staatsbürgerschaft und er legt seine Meisterprüfung ab. Er hat viel erreicht und ist dennoch selbstkritisch.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Nicolás Hafele
Immer auf der Flucht
„Ich komme aus Afghanistan und seit ich mich erinnern kann, waren wir immer auf der Flucht. Als ich ganz klein war, hat meine Familie Afghanistan verlassen, wegen des Bürgerkriegs. Wir sind in den Iran eingereist und waren dort einige Jahre. Es gab aber ständig Probleme wegen fehlender Papiere. Wir sind dann nach Pakistan weiter und dort war alles fremd. In beiden Ländern war ich in der Schule. Als ich 14 war sind mein älterer Bruder und ich zurück in den Iran, um dort zu arbeiten, aber es gab wieder ständig Probleme. Nach Afghanistan konnten wir nicht zurück, deshalb habe ich mich auf den Weg nach Europa gemacht.
„Das Schicksal hat mich hierher gebracht“
Die Flucht nach Europa war schrecklich schwer. Ich war erst einige Monate in der Türkei und dann in Griechenland. Meine Familie hat Geld für mich gesammelt, um weiterzukommen und Ende 2008 bin ich mit 16 alleine in Österreich gelandet. Ich hatte vorher nicht viel von Österreich gehört, aber ich glaube, das Schicksal hat mich hierher gebracht. Ich war ein halbes Jahr in Traiskirchen, dann wurde ich nach Salzburg und weiter nach Tirol geschickt. Immer weiter. Nachdem ich subsidiären Schutz erhalten habe, habe ich meinen Pflichtschulabschluss gemacht und bin als Hilfsarbeiter arbeiten gegangen. Ich hatte gute Kollegen, die mir geholfen haben und die gesagt haben, du bist noch jung und kannst noch was lernen. Da kam ich auf die Idee eine Lehre zu machen.
Zuerst Lehre für Erwachsene, dann Job im Stubaital
Ich habe vom AMS die Lehre für Erwachsene angeboten bekommen. Wenn man Arbeitserfahrung hat, kann man diese überbetriebliche Lehre innerhalb von eineinhalb Jahren abschließen. Nach dreimonatigem Vorbereitungskurs musste ich eine Prüfung ablegen, um zu zeigen, dass ich für die Lehre geeignet bin. Ich habe mit gutem Erfolg bestanden und dann die Lehre als Maschinenbautechniker absolviert. Danach war es schwierig eine Arbeit zu finden, weil keine Firma Leute will, die keine Erfahrung haben. Ich habe dann aber doch einen Job im Stubaital gefunden und bin fünf Jahre dort geblieben. Danach war ich Vorabeiter in einen Betrieb in Innsbruck.
Meisterkurs als Mechatroniker in Hall
Ich wollte mich weiterbilden und habe mich für den Meisterkurs als Mechatroniker für Maschinen- und Fertigungstechnik angemeldet. Man kann das entweder berufsbegleitend oder sechs Monate ganztägig machen. Mein Arbeitgeber war damals aber nicht einverstanden, weil er meinte, sie bräuchten das nicht. Deshalb haben wir das Arbeitsverhältnis im beidseitigen Einverständnis beendet und ich bin bei meinem heutigen Arbeitgeber Felder in Hall gelandet. Dort konnte ich den Meisterkurs berufsbegleitend machen und sie haben Rücksicht auf meine Unterrichtszeiten genommen.
„Man muss durchhalten“
Der Meisterkurs hatte ein Ausmaß von 20 Stunden pro Woche, was neben der Arbeit schon sehr schwierig war. Aber man muss durchhalten. Werkstätte, Praxis und Theorie sind sehr kompakt in diesem Kurs vereint. Am Anfang war viel Rechnen und Zeichnen und dann kam die Praxis mit Programmieren von Maschinen und Robotern und dem Produzieren von verschiedenen Werkstücken. Es kommen ungefähr 20-25 Prozent beim ersten Versuch durch. Ich habe die praktische und die schriftliche Prüfung schon hinter mir, die mündliche steht mir noch bevor. Mit dem Meistertitel stehen mir viele Jobs im In- und Ausland offen. Die Selbstständigkeit ist für mich ausgeschlossen, denn dafür braucht man viel Kapital.
Antrag auf Staatsbürgerschaft
Ich war 16 als ich nach Österreich gekommen bin, jetzt bin ich 29. Diese Zeit hier ist sehr schnell vergangen. 2017 habe ich den Antrag auf Staatsbürgerschaft gestellt. Mit subsidiärem Schutz ist das extrem schwierig. Die finanziellen Auflagen konnte ich erfüllen, weil ich gut verdiene, aber mein Problem waren die Dokumente, die ich aus meinem Herkunftsland brauchte, vor allem der Strafregisterauszug. Ich bin mit fünf Jahren ohne Papiere aus Afghanistan geflüchtet. Die Leute, die hier in den Behörden arbeiten, denken, dass es in Afghanistan so läuft wie hier. Aber drüben funktioniert sowas nicht. Afghanistan ist ein armes Land mit viel Korruption. Sie wollen hier aber Beweise, Worte allein reichen nicht.
„Man darf keine Zeit verschwenden“
Nach einem Jahr und drei Monaten habe ich die österreichische Staatsbürgerschaft schlussendlich bekommen. Dann konnte ich auch endlich einen Teil meiner Familie besuchen, der jetzt in Australien lebt. Ich sage für mich selber, ich bin nicht weit genug gekommen. Ich hätte viel früher viel mehr erreichen können. Man darf einfach keine Zeit verschwenden, muss etwas lernen, arbeiten, einfach etwas tun. Man darf die Situation, die man als Flüchtling erlebt hat, seine Vergangenheit, nicht vergessen. Nur mit diesen Gedanken und diesen Schwierigkeiten, die man erlebt hat, kann man weiterkommen.
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der 9-teiligen Porträtreihe „Meine Lehre in Österreich“ erzählen junge Frauen und Männer, wie sie nach ihrer Flucht ihre Lehrstelle gefunden haben und wie sie ihre Ausbildung erleben. Ihre Geschichten zeigen die Hürden und Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft konfrontiert werden. Es sind aber auch Erfolgsgeschichten von genutzten Chancen, Freundschaft und Menschlichkeit. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte.
SOS Mitmensch kämpft weiter für den Zugang zu Lehre und Arbeit für Asylsuchende und für ein Ende der Abschiebung von Menschen, die sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben!
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