Mina N. - Angekommen in Österreich: „Jetzt bin ich frei!"
Mina N. flüchtete im Jahr 2015 aus dem Iran nach Österreich. Sie berichtet von ihren Anstrengungen, „wie ein normaler Mensch zu leben“, und ihrem steinigen und tränenreichen Weg zu einem sicheren Aufenthalt in Österreich. Text: Sonja Kittel, Foto: Thomas Gerhard Sommergruber
Ein wunderschönes Fest
Der 27. März ist ein Tag, an den sich Mina N. und Nikolaus M. immer erinnern werden. Mina N.- das dunkle, wellige Haar zu einem Dutt gebunden, strahlende große Augen, ein weißes, knöchellanges Kleid aus Spitze - und Nikolaus M. - blauer Anzug, zurückgekämmtes hellbraunes Haar, ein einnehmendes Lächeln – feiern heute ihre Hochzeit. „Es war ein wunderschönes gelungenes Fest“, werden sie später sagen. 25 Menschen aus Familie und Freundeskreis sind nach Schärding gekommen, um das Paar an diesem Festtag zu begleiten. Auch Mina Ns. Familie ist dabei, jedoch nicht hier in Schärding, sondern per Videoschaltung aus Teheran.
Flucht nach Regierungskritik
Mina N., heute 36 Jahre alt, studierte im Iran Business Management. Sie führte „ein ganz normales Leben“, wie sie sagt, doch aufgrund ihrer offenen Kritik an Politik und Regierung wurde ihre Situation immer gefährlicher. 2015 musste die junge Frau schließlich fliehen. Mit einem Schlepper kam sie aus dem Iran nach Österreich und stellte einen Antrag auf Asyl.
Unsicher Zeiten
Die ersten Monate war geprägt von Ortswechseln und damit verbundener Unsicherheit. „Diese Zeit war für mich sehr schwer. Ich war alleine und kannte die Sprache nicht“, erinnert sich N. Von Innsbruck über Amersfoort in den Niederlanden und Klagenfurt führte sie das österreichische Asylsystem schließlich nach Linz, wo sie zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Österreich Nikolaus M. kennenlernte. Sie verliebten sich ineinander und wurden ein Paar. Frau N. besuchte Deutschkurse und erlernte vor allem im Gespräch mit ihrem Partner die deutsche Sprache, die sie heute fast fließend spricht. Gerade hat sie den B2 Kurs begonnen.
Ein Brief mit Folgen
Während N. auf ihren Asylbescheid wartete, arbeitete sie ein Jahr lang 35 Stunden pro Woche ehrenamtlich im SOMA-Sozialmarkt in Linz, in dem Menschen mit geringem Einkommen Nahrungsmittel günstig kaufen können. Alles schien in eine positive Richtung zu gehen, bis eines Tages ein Brief der Landespolizeidirektion vor ihr lag. Der jungen Frau wurde die Nachricht überbracht, dass ihr die Abschiebung drohe. Sie hätte in der vorgegebenen Frist nicht gegen ihren negativen Asylbescheid berufen. Für N. war das wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wusste nicht, dass ihr Asylantrag negativ beschieden worden war. Warum der ursprüngliche Bescheid nie bei ihr ankam, ist bis heute unklar.
Drohende Abschiebung
Für das Paar begann eine bange Zeit des Wartens. Sie holten sich rechtliche Unterstützung von verschiedenen NGOs und Freiwilligenorganisationen und stellten einen Antrag auf Wiedereinsetzung des Verfahrens. „Es war nicht einfach, es hat viel Zeit, viel Nerven auch viel Geld gekostet“, sagt Mina N. über diese Zeit und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Die Behörden ließen nicht locker und drohten immer wieder mit der nahenden Abschiebung, obwohl eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft und der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens liefen. Das Paar rechnete Tag und Nacht damit, dass die Polizei plötzlich vor der Tür stehen würde, um Mina N. mitzunehmen. Nicht nur einmal dachte sie darüber nach einfach unterzutauchen. Während dieser Zeit arbeitete Frau N. freiwillig in einem Altenheim und absolvierte daraus folgend ein Praktikum dort. „Ich wollte einfach wie ein normaler Mensch leben“, sagt sie heute.
Ein Lichtblick
Trotz aller Widrigkeiten ließen die beiden sich nicht unterkriegen, beschlossen in ihrer Beziehung den nächsten Schritt zu gehen und zu heiraten. Sie wussten, dass die Eheschließung keinerlei Einfluss auf das laufende Verfahren haben würde, doch für ihre Liebe war die Hochzeit von großer Bedeutung. Die angekündigte Zwangsabschiebung würde die beiden womöglich auf ewig trennen und hätte vor allem das Leben der jungen Iranerin massiv bedroht. Doch im Rahmen der laufend nötigen Beratungstermine für Rechtsbeistand (Abwendung der Abschiebung, Beibringung der Dokumente für die Eheschließung usw.) eröffnete sich ein unerwarteter Lichtblick. Das Paar erfuhr von der so genannten Arbeitnehmerfreizügigkeit, die im Artikel 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert wird. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt allen Unionsbürger*innen grundsätzlich das Recht, sich in der Europäischen Union frei zu bewegen. Sie können in jeden anderen Mitgliedstaat einreisen, sich dort aufhalten und sich dort auch wirtschaftlich betätigen. Erwerben können das Recht alle EU-Bürger*innen, die mindestens drei Monate in einem EU-Land aufhältig und dort versichert waren und sich selbst erhalten konnten ohne Unterstützung des jeweiligen Staats. Der Clou an der Sache ist, dass der Titel auch für Ehepartner*innen gilt.
Spanienaufenthalt als Rettungsanker
Nikolaus M. hatte, bevor er Mina N. kennenlernte, ein Jahr in Spanien gelebt und erfüllte die Voraussetzungen. Sie erledigten alle notwendigen Behördenwege und konnten nach der Hochzeit den neuen Status für seine Ehefrau beantragen. Die Aufenthaltskarte ist fünf Jahre gültig und wird dann zur Daueraufenthaltskarte. Anfang Mai wurde dann Wirklichkeit, was N. so lange erhofft hatte. Sie bekam ihre Aufenthaltskarte ausgestellt und war plötzlich ganz legal in Österreich.
Freudentränen
Das Asylverfahren der jungen Iranerin wartet immer noch auf Bearbeitung, doch das kann ihr jetzt egal sein. Im September fängt sie eine zweijährige Ausbildung zur Fachsozialbetreuerin in der Altenarbeit an und für den Sommer plant das Ehepaar eine kleine Hochzeitsreise, denn reisen dürfen sie jetzt endlich. „Ich glaube ich träume noch. Ich warte seit drei Jahren und jetzt glaube ich, ich bin frei“, sagt N. - diesmal unter Freudentränen. „Nikolaus hat mir so viel geholfen. Er ist die große Liebe für mich. Gott sei Dank haben wir uns gefunden.“
Danksagung
Mina N. und Nikolaus M. war es sehr wichtig sich bei den unabhängigen NGOs und ihren Mitarbeiter*innen zu bedanken, die sie auf ihrem Weg unterstützt haben: Die Caritas Rechtsberatung, Ehe Ohne Grenzen, der MigrantInnenverein St. Marx, SOS Menschenrechte und Minas Heimchefin von der Caritas. Das Standesamt in Schärding sowie das Magistrat in Linz waren unverzichtbare Wegbereiter. Außerdem fand Minas Schicksal Gehör bei der Volksanwaltschaft und beim Bundespräsidenten der Republik Österreich.
SOS Mitmensch gibt in der Porträt-Reihe „Angekommen in Österreich“ Menschen, die flüchten mussten, eine Stimme und ein Gesicht. Die Geschichten zeigen auch, welche Hürden Geflüchtete auf ihrem Lebensweg meistern müssen und welche Unterstützung sie dabei erfahren und brauchen. Infos und Kontakte zur freiwilligen Flüchtlingshilfe finden Sie hier.