Morteza Rasuli - Angekommen in Österreich: „Man schlägt Wurzeln und wird weggerissen.“
Er studiert auf Lehramt und will später Werken und Bildnerische Erziehung unterrichten. Ob Morteza Rasuli sein Ziel erreicht, hängt auch von den österreichischen Asylbehörden ab. Text und Foto: Sonja Kittel
Berufswunsch „Lehrer“
Morteza Rasuli verlässt den Vorlesungssaal und setzt sich an einen Tisch in der Aula. Gerade ist er seinem Ziel wieder näher kommen, als Lehrer Kinder mit Migrationshintergrund zu unterstützen und zu begleiten. Rasuli studiert im zweiten Semester Bildnerische Erziehung und Werken auf Lehramt an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz (PHDL). Zusätzlich absolviert er den Lehrgang „Deutsch als Zweitsprache“ an der PH OÖ. Er verfolgt seinen Berufswunsch akribisch und zielstrebig, saugt alle Informationen auf, die er bekommt. Doch, ob er wirklich einmal als Lehrer vor einer Klasse stehen wird, liegt nicht nur in seinen Händen, sondern auch in denen der österreichischen Asylbehörden.
Hürden des Asylsystems
Der Asylantrag des 27-jährigen wurde abgelehnt. Vor dreieinhalb Jahren war er aus Pakistan nach Österreich geflohen. Die Begründung für die Ablehnung: Er könne doch zurück nach Afghanistan gehen. Zurück in ein Land, in dem er nie gelebt hatte und aus dem seine Eltern bereits vor über dreißig Jahre geflohen waren. „In Afghanistan herrscht Krieg und die Menschen aus diesem Land flüchten selbst Tag für Tag“, sagt Rasuli kopfschüttelnd. Er legte Beschwerde ein und jetzt heißt es warten. Der junge Pakistani nutzt die Zeit für sein Studium. Neben verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten hat er auch ein Gewerbe angemeldet - eine der wenigen Möglichkeiten für Asylsuchende in Österreich zu arbeiten – und verkauft selbst genähte Taschen und Kleidung
Erfolgreiche Projekte
Diesen Sommer legte Rasuli die C1 Deutsch Prüfung ab. Seine ersten Kurse absolvierte er an der Johannes Kepler Universität Linz im Rahmen des MORE-Programms, das sich an geflüchtete Menschen richtet und ihnen Perspektiven für eine Bildungs-Laufbahn eröffnet. Auch das Studium konnte er dank des Projektes "study4refugees" an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz aufnehmen. Im Rahmen des Projektes erhalten junge Menschen, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten, unter anderem die Erstattung der Studiengebühr sowie der Fahrtkosten.
Warten in Ungewissheit
Nach der Uni fährt Morteza Rasuli nachhause nach Puchenau, wo er mit seiner Freundin und ihren beiden Kindern lebt. Auch sie studiert auf Lehramt an der PHDL – Philosophie, Psychologie und Inklusion. Kennengelernt hat er sie allerdings nicht hier, sondern am Bahnhof in Linz, wo er nach seiner Flucht kurzfristig untergebracht war und sie als Ehrenamtliche half. So schön es für Rasuli ist, dass er jetzt studieren kann und eine Lebensgefährtin hat, so schmerzhaft ist auch der Gedanke, dass das bald alles vorbei sein könnte. „Man beginnt Wurzeln zu schlagen und wird dann wieder weggerissen“, sagt der 27-jährige. Er würde sich wünschen, dass Asylsuchende viel schneller darüber informiert werden, ob sie bleiben können oder nicht.
Praxistest
Dieses Semester stand Morteza Rasuli das erste Mal vor einer Klasse. Das Unterrichten sei schon ein bisschen anders gewesen, als er es sich vorgestellt hatte, aber spannend und gut. Auffallend war für ihn, dass Buben beim Werken und der Handarbeit keine so gute Feinmotorik hatten wie die Mädchen. In Pakistan sei das genau andersrum. „Vielleicht fehlen den Buben die Vorbilder“, meint der zukünftige Lehrer. Er könnte das bald ändern.
SOS Mitmensch gibt in der Porträt-Reihe „Angekommen in Österreich“ Menschen, die flüchten mussten, eine Stimme und ein Gesicht. Die Geschichten zeigen auch, welche Hürden Geflüchtete auf ihrem Lebensweg meistern müssen und welche Unterstützung sie dabei erfahren und brauchen. Infos und Kontakte zur freiwilligen Flüchtlingshilfe finden Sie hier.