
Rezai Zahra - Angekommen in Österreich: „Alles was ich höre, kann ich sofort nachsprechen.“
Rezai Zahra floh mit ihrer Familie aus dem Iran nach Österreich. Nach dreieinhalb Jahren und ohne einen einzigen Sprachkurs, redet sie im fließenden Deutsch über ihre Zukunftspläne. Text und Foto: Sonja Kittel
Sprachentalent
Wenn man Rezai Zahra kennenlernt, fallen einem zuerst ihre positive Energie und ihre offenen interessierten Augen auf. Wenn sie einem dann in akzentfreiem Deutsch erzählt, dass sie erst seit dreieinhalb Jahren in Österreich lebt und noch nie einen Deutschkurs besucht hat, muss man erstmal stutzen. Zahra ist 24 Jahre alt und mit ihrem Mann und dem älteren Sohn aus dem Iran nach Österreich geflüchtet. Sie ist Autodidaktin und Sprachen lernen fiel ihr schon immer leicht. „Alles was ich höre, kann ich sofort nachsprechen“, erklärt die junge Frau.
Illegal im Iran
Zahras Eltern waren vor 40 Jahren aus Afghanistan in den Iran geflohen. AfghanInnen haben dort keine leichte Stellung. Sie gelten als illegal und Kinder dürfen nicht in die öffentliche Schule gehen. Aus diesem Grund wären im Iran viele private Schulen und Universitäten für Menschen aus Afghanistan entstanden, erzählt Zahra. Auch sie besuchte eine dieser Schulen und studierte dann empirische Wissenschaften. Doch offizielle Dokumente für ihre Abschlüsse bekam sie nicht. Ein Studium kann sie in Österreich deshalb nicht so einfach beginnen, obwohl sie das sehr gerne würde.
Keine Zukunftsperspektive
Die junge Frau hat ihren Mann im Iran kennengelernt. Auch seine Eltern waren aus dem Krieg in Afghanistan dorthin geflohen. Da die Familien jedoch nicht mit ihrer Partnerauswahl zufrieden waren – „ich habe ihn selber ausgesucht“ – wurden sie verstoßen. Ohne Zukunftsperspektiven im Iran entschlossen sich Zahra und ihr Mann zur Flucht. Einen Monat und eine Woche waren sie unterwegs, meistens zu Fuß, aber auch mit einem Boot und im Bus. Ihr Sohn war damals erst drei Jahre alt. Da sie zuerst in Ungarn aufgegriffen wurden und dann weiter nach Österreich flüchteten, wartete die Familie ein Jahr bis ihr Dublin-Verfahren entschieden war. Eineinhalb weitere Jahre mussten sie auf das erste Interview in ihrem Asylverfahren in Österreich warten.
Hier nicht erwünscht
Da Zahra und ihr Mann nie in Afghanistan gewesen waren und auch der Iran sie nicht anerkannt hatte, wurden sie von den Behörden als „Staatenlose“ geführt und bekamen schnell den positiven Asylbescheid. Die junge Frau wohnte damals mit Mann und Sohn in Waidhofen an der Thaya und fand rasch eine Lehrstelle in einem Gasthaus. „Dort habe ich dann typisch österreichisches Essen gekocht von Schnitzel über Rindsbraten bis zu gerösteten Knödeln“, erzählt Zahra. Sie und ihre Familie bekamen schnell das Gefühl, in der Gemeinde nicht gewollt zu sein. Laut Zahra hätte es vielleicht vier Familien gegeben, die offen für die Neuankömmlinge waren. Ein paar Mal versuchte Zahras Mann am Fußballplatz Kontakte zu knüpfen. Er bekam nur zu hören, dass er hier nicht erwünscht sei.
Lehre - Matura - Studium
Als Rezai Zahra zum zweiten Mal schwanger wurde, ihr Sohn ist heute fünf Monate alt, entschied sich die Familie nach St. Pölten zu ziehen. Ihr älterer Sohn geht dort heute in die erste Klasse Volksschule, ihr Mann ist auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle oder einem Job. Zahras größter Wunsch wäre es zu studieren und Sozialarbeiterin zu werden. „Ich bin ein offener Mensch und spreche mit allen. Mein Mann sagt, du bist immer am Lachen“, erzählt die 24-jährige. Sobald ihr jüngerer Sohn im Kindergarten ist, will die junge Frau ihre Lehre beenden, die Matura nachmachen und das Studium beginnen. So positiv und überzeugend, wie sie das sagt, glaubt man auch, dass sie es schafft.
SOS Mitmensch gibt in der Porträt-Reihe „Angekommen in Österreich“ Menschen, die flüchten mussten, eine Stimme und ein Gesicht. Die Geschichten zeigen auch, welche Hürden Geflüchtete auf ihrem Lebensweg meistern müssen und welche Unterstützung sie dabei erfahren und brauchen. Infos und Kontakte zur freiwilligen Flüchtlingshilfe finden Sie hier.