Schutz besser umsetzen
Der brutale Femizid an drei Sexarbeiterinnen in Wien rückte das heimische Rotlichtmilieu wieder ins öffentliche Bewusstsein. Doch wie verbreitet ist Gewalt von Kunden im Arbeitsalltag dieser Frauen? Wie kann diese verhindert und Sexarbeiter:innen besser geschützt werden?
Text: Salme Taha Ali Mohamed.
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Am 23. Februar haben sechs Femizide Österreich erschüttert: Fünf Frauen und ein Mädchen wurden ermordet. Unter den Opfern waren drei Sexarbeiterinnen chinesischer Herkunft. „Chinesische Sexarbeiter:innen hat dieser Vorfall dementsprechend hart getroffen“, erzählt Maria Celeste Tortosa von der Beratungsstelle LEFÖ TAMPEP, „man spürt es deutlich in ihrer veränderten Arbeitsweise. Sie versuchen aktuell, kürzer zu arbeiten und genau zu filtern, welche Kunden sie annehmen.“ LEFÖ unterstützt und begleitet migrantische Sexdienstleister:innen in allen Belangen.
Stigma, Diskriminierung und Marginalisierung von Sexarbeiter:innen gefährdet sie.
Mehrheit migrantische Sexarbeiter:innen
Wie der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe Sexuelle Dienstleistungen des Bundeskanzleramts zeigt, haben an die 95 Prozent der rund 5.279 in Österreich tätigen Sexdienstleister:innen einen Migrationshintergrund – größtenteils aus Rumänien, Ungarn, Bulgarien oder der Slowakei. Sexarbeiter:innen mit Migrationshintergrund sind besonders vulnerabel, da sie von mehreren Diskriminierungsformen betroffen sind. Deswegen ist es wichtig, dass sie ihre Rechte und Verpflichtungen kennen und einen niederschwelligen Zugang zu Beratung in ihrer Erstsprache haben.
„Das Vertrauen in Behörden ist bei den Klient:innen oft eingeschränkt, aufgrund schlechter Erfahrungen in ihren Heimatländern oder weil sie von Beamt:innen rassistisch oder sexistisch diskriminiert wurden“, erläutert Stefani Doynova von SOPHIE, einer Beratungsstelle für Sexarbeiter:innen der Volkshilfe in Wien, Niederösterreich und im Burgenland. Manchmal werden sie auch schlichtweg nicht ernst genommen, wenn sie einen Vorfall melden. „Ihnen wird zum Beispiel gesagt, dass das ein Berufsrisiko ist”, sagt LEFÖ-Beraterin Tortosa. Die größere Gefahrenquelle verorte sie aber woanders: „Stigma, Diskriminierung und Marginalisierung von Sexarbeiter:innen liegen viel tiefer.“ Es kämen Klient:innen, die von gewalttätigen oder übergriffigen Kunden erzählen, aber die Vorfälle passierten selten.
Stefani Doynova von SOPHIE: Vertrauen in Behörden sei bei Klient:innen oft eingeschränkt.
Das bestätigt auch Stefani Doynova von SOPHIE: „Gewalt am Arbeitsplatz ist nicht das größte Thema unserer Klient:innen. Sie sind, wie die meisten Frauen in unserer Gesellschaft, eher partnerschaftlicher und häuslicher Gewalt ausgesetzt. Da braucht es gesamtgesellschaftliche Strategien, wie man Frauen besser schützen kann, in die man auch Sexarbeiter:innen miteinbezieht”, sagt sie. Bei SOPHIE arbeitet man gerade daran, eine begleitete Supervision für diese Berufsgruppe auf die Beine zu stellen. Der Austausch von Sicherheitstipps und Erfahrungen soll das Sicherheitsgefühl stärken.
Bei diesen Themen sei es wichtig, mit den Betroffenen und nicht nur über sie zu reden. Denn während Sexarbeiter:innen die gleichen Schutzeinrichtungen wie anderen Frauen offenstehen, sind die Zugangsvoraussetzungen und Hausregeln mancher Einrichtungen schwer mit der Tätigkeit in der Sexarbeit vereinbar – etwa, wenn Ausgangssperren in den Einrichtungen gelten, die sich mit den Arbeitsstunden überlappen. „Finanzielle Gewalt, bei der das Geld vonseiten der Lokalbetreiber unfair aufgeteilt wird, ist ebenfalls immer wieder Thema“, sagt Stefani Doynova.
LEFÖ-Beraterin Maria Celeste Tortosa: Stigmatisierung erschwere den Berufswechsel.
Gute Gesetze, mangelnde Umsetzung
Diese Erfahrung machte auch Maria Müller (Name geändert) im Bordell. „Der Betreiber dachte am Anfang, dass ich eine Cis-Frau wäre und verlangte 700 Euro für ein Zimmer. Als er bemerkte, dass ich trans bin, stieg der Preis auf mehr als 1.000 Euro pro Woche”, erzählt sie. Mittlerweile ist Maria als Escort und auf OnlyFans tätig. Sie engagiert sich bei der Berufsvertretung Sexarbeit Österreich. „Ich würde nicht annehmen, dass meine Arbeit gefährlicher als andere ist“, zeigt sie sich überzeugt.
Für sie ist klar: Die aktuellen Gesetze zum Gewaltschutz seien ausreichend, sie müssten nur besser umgesetzt werden. Unter welchen Voraussetzungen sexuelle Dienstleistungen angeboten werden dürfen, wird in jedem Bundesland anders geregelt. Während dies in genehmigten Bordellbetrieben in ganz Österreich zulässig ist, sind Straßensexarbeit und „Hausbesuche“ nur in Wien, Niederösterreich, im Burgenland sowie in der Steiermark mit Einschränkungen möglich. Gleichzeitig sind Sexarbeiter:innen dazu verpflichtet, sich bei den Behörden zu melden und regelmäßig ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Polizei ist dazu angehalten, Rotlichtlokale regelmäßig zu kontrollieren.
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„DIE POLIZEI MÜSSTE IHREN JOB MACHEN, DAMIT WIR
UNSERER ARBEIT SICHERER NACHGEHEN KÖNNEN“
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„Damit wir unserer Arbeit sicherer nachgehen können, müsste die Polizei tatsächlich ihren Job machen und die Sicherheitsvorkehrungen in manchen Betrieben besser eingehalten werden“, sagt Maria Müller. Dazu gehören etwa mehr Sorgfalt bei Polizeikontrollen und gesonderte Gespräche. „Es war mehr wie eine Verkehrskontrolle: Es wurden nur die Ausweise kontrolliert und dann sind sie wieder gegangen. Der Bordellbetreiber war anwesend, was bedeutet, dass man nur schwer auf Missstände hinweisen konnte“, erinnert sich Müller. Und sonst hätten sich die Beamt:innen wenig dafür interessiert, was sie zu sagen hatte. Als sie beispielsweise ohne ihre Zustimmung von einem Mann begrapscht wurde, wurde sie von der Security ermahnt, weil sie den Stammkunden danach hinausgeworfen hatte.
Das bedeute jedoch nicht, dass die Arbeitsbedingungen in Bordellen inhärent gefährlich seien. Jede Person mache unterschiedliche Erfahrungen, wie Maria Celeste Tortosa von LEFÖ betont. Nur die Entstigmatisierung der Sexarbeit und die Schaffung von mehr Rechten für die Personen, die sie ausüben, bei gleichzeitiger Stärkung des Gewaltschutzes von Frauen würden helfen. Darin sind sich alle drei Gesprächspartner:innen einig. Das erleichtere auch den Umstieg in andere Berufe. „Solange eine Person in einem Bewerbungsgespräch nicht über ihre Erfahrungen in der Sexarbeit reden kann, wird sich auch ein Umstieg schwer gestalten“, gibt Tortosa zum Schluss zu bedenken.
Salme Taha Ali Mohamed schrieb für das biber Magazin, Social Attitude und das uni:view-Magazin. Aktuell arbeitet sie als Redakteurin für die Wiener BezirksZeitung.
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